Leitsatz

1. Ist ein Feststellungsbescheid nach Ablauf der für ihn geltenden Feststellungsfrist ohne den Hinweis nach § 181 Abs. 5 S. 2 AO ergangen und bestandskräftig geworden, entfaltet der (rechtswidrige) Bescheid im Rahmen seiner Bestandskraft uneingeschränkte Bindungswirkung.

2. War nach der freigebigen Zuwendung von Grundbesitz eine Feststellung des Grundbesitzwerts nach § 138 BewG zunächst unterblieben und wird die Feststellung zum Zweck der Zusammenrechnung des Werts dieses Erwerbs mit einem späteren Erwerb nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG erforderlich, beginnt keine neue Feststellungsfrist.

 

Normenkette

§ 181, § 182 Abs. 1 S. 1 AO, § 138 BewG a.F., § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG

 

Sachverhalt

Im Rahmen der Besteuerung eines 2000 eingetretenen Erbanfalls war ein Vorerwerb zu berücksichtigen, der die 1996 ausgeführte Schenkung eines Erbbaurechts betraf. Die Schenkung war seinerzeit ohne eine Bedarfswertfeststellung mit 0 DM besteuert worden. Eine Bedarfswertfeststellung wurde erst für Zwecke der Besteuerung des Erbanfalls vorgenommen, und zwar in 2002 auf den Zeitpunkt der Schenkung. Der Bescheid enthielt keinen Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO.

Aufgrund dieses Feststellungsbescheids erließ das FA in 2003 einen nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderten Schenkungsteuerbescheid, den das FG aufhob, da der Feststellungsbescheid nur für Zwecke der Erbschaftsteuer, nicht aber zugleich für Zwecke der Schenkungsteuer ergangen sei.

 

Entscheidung

Der BFH teilte die Auffassung des FG.

 

Hinweis

1. Wird ein Grundstück geschenkt, ergibt sich die Frage, ob die Aufforderung des FA, eine Schenkungsteuererklärung abzugeben, nicht nur den Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer hemmt, sondern auch den Anlauf der Feststellungsfrist für die Feststellung des Grundstückswerts. Die Frage ist zu verneinen, und zwar auch dann, wenn das FA zugleich Wertangaben zum Grundstück erbeten hat.

2. Die für die Bedarfsbewertung eines geschenkten Grundstücks zu ermittelnde Feststellungsfrist bleibt auch maßgeblich bei der Berücksichtigung dieser Schenkung als Vorerwerb im Rahmen der Besteuerung eines späteren Erwerbs.

3. Ist bei der Besteuerung der Schenkung die an sich erforderliche Bedarfswertfeststellung unterblieben und führen die Behörden erstmals im Rahmen der Besteuerung eines späteren Erwerbs durch Erbanfall, bei der die Schenkung als Vorerwerb zu berücksichtigen ist, eine Bedarfswertfeststellung unter der ausdrücklichen Angabe "für Erbschaftsteuerzwecke"durch, berechtigt diese Wertfeststellung unabhängig vom Ablauf der Feststellungsfrist nicht dazu, den ursprünglichen Schenkungsteuerbescheid zu ändern.

4. Bezüglich des Erwerbs durch Erbanfall ist der Feststellungsbescheid daraufhin zu überprüfen, ob er noch innerhalb der einen Feststellungsfrist ergangen ist. Sollte dies nicht der Fall sein und obendrein der erforderliche Hinweis nach § 181 Abs. 5 S. 2 AO fehlen, muss der Bescheid angefochten werden, wenn man sich die Möglichkeit erhalten will, sich auf den Ablauf der Feststellungsfrist zu berufen. Das Fehlen des Hinweises allein nimmt dem Bescheid seine Bindungswirkung nicht (Leitsatz 1).

5. Ist der Feststellungsbescheid wirksam angefochten, kann das FA nur dann erneut einen Feststellungsbescheid erlassen – diesmal mit dem Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO –, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuer auf den Erwerb durch Erbanfall (Letzterwerb) noch nicht abgelaufen ist. Andernfalls muss der schenkweise Vorerwerb unberücksichtigt bleiben.

6. Wird der Sachverhalt dahin abgewandelt, dass es sich auch bei dem Letzterwerb um eine Schenkung handelt, und enthielte der aus Anlass des Letzterwerbs nachgeholte bestandskräftige Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts lediglich die Angabe "für Schenkungsteuerzwecke", kann er sowohl der Besteuerung des Letzterwerbs zugrunde gelegt werden als auch einem Änderungsbescheid bezüglich der Vorschenkung. Dabei wäre allerdings § 171 Abs. 10 S. 1 AO zu beachten. Diese Bindungswirkung auch bezüglich der Vorschenkung macht besonders die Notwendigkeit deutlich, den Feststellungsbescheid daraufhin zu überprüfen, ob er noch innerhalb der Feststellungsfrist ergangen oder zumindest durch einen Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO in seiner Bindungswirkung beschränkt worden ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.11.2008 – II R 11/07

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