Rz. 75

Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung

Ist die Bilanz des Steuerpflichtigen fehlerhaft, ist der Steuerpflichtige grds. dazu berechtigt, den Fehler zu beheben und die Bilanz entsprechend zu berichtigen. Dies ist unproblematisch möglich, wenn die Steuerfestsetzung noch nicht erfolgt ist oder wenn sie zwar erfolgt, aber noch nicht bestandskräftig ist; in diesen Fällen ist der falsche Bilanzansatz zu dem Stichtag zu berichtigen, zu dem der Fehler gemacht wurde. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG ist die Berichtigung einer fehlerhaften Bilanz allerdings ausgeschlossen, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann. Bis zur Kodifikation dieser Regelung durch das Jahressteuergesetz 2007[1] war streitig, ob der Steuerpflichtige einen Fehler an der Quelle, also in der Bilanz, in der er erstmals aufgetreten ist (Lehre vom materiellen Bilanzenzusammenhang) oder in der ersten noch offenen Bilanz, demnach in der Bilanz, die einer noch änderbaren Steuerfestsetzung zugrunde lag (Lehre vom formellen Bilanzenzusammenhang), zu berichtigen hatte.[2] Seitdem der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG den formellen Bilanzenzusammenhang festgeschrieben hat, ist eine Bilanzberichtigung nun in der Weise vorzunehmen, dass in der Anfangsbilanz des ersten noch offenen Jahres der falsche Ansatz respektive die unrichtige Bewertung aus der Schlussbilanz des Vorjahres zu übernehmen ist und der Fehler sodann in der Schlussbilanz des ersten noch offenen Jahres zu berichtigen ist, sodass selbst weiter zurückliegende Fehler auf diese Weise – zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen – noch berichtigt werden können.[3] Dies geschieht nicht bloß, um den fehlerhaften Bilanzansatz an sich richtigzustellen, sondern auch, um die fortgeschriebenen Bilanzen, die aufgrund des formellen Bilanzenzusammenhangs kein den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs entsprechendes Bild mehr zeigen, zu korrigieren.[4] Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs kann jedoch von spezielleren Regelungen wie bspw. § 6 a Abs. 4 Satz 1 EStG oder auch durch das Gebot von Treu und Glauben überschrieben werden.[5] Die Regelung des formellen Bilanzenzusammenhangs wird in der Literatur zunächst dahingehend kritisiert, dass sie gegen den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, wonach jeder Veranlagungszeitraum für sich zu betrachten ist, verstoße, da durch diese Regelung ein Bilanzierungsfehler in einen anderen Veranlagungszeitraum übertragen werde.[6] Ferner führe diese Regelung zu einer Ungleichbehandlung von bilanzierenden und nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen, da für die Bilanzierenden die verfahrensrechtlichen Grundsätze über die Bestandskraft und Verjährung an Geltung verlieren, wohingegen bei nicht Bilanzierenden fehlerhafte Steuerfestsetzungen nach Eintritt der Bestandskraft bzw. Festsetzungsverjährung nicht mehr in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigierbar sind.[7]

 

Rz. 76

Bilanz muss der Steuerfestsetzung zugrunde liegen

Die angesprochene Einschränkung kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn die Steuerfestsetzung tatsächlich auf der eingereichten Vermögensübersicht beruht.[8] Davon ist jedoch dann nicht auszugehen, wenn sich der Fehler nicht auf die Veranlagung ausgewirkt hat (sog. Auswirkungsvorbehalt).[9] Stimmen bspw. der ursprüngliche und der zu korrigierende Bilanzansatz betragsmäßig überein, z. B. bei Aktivtausch Wirtschaftsgut/Rechnungsabgrenzungsposten, oder bleibt der Steuerbetrag bzw. die gesonderte Verlustfeststellung gleich, kann die Bilanz auch ohne die Restriktion aus § 4 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz EStG berichtigt werden.[10] Das Gleiche gilt, wenn ein Wirtschaftsgut unter einer falschen Gliederungsposition ausgewiesen wurde; bestandskräftig wurde insoweit nicht die Bilanz oder der einzelne Bilanzposten, sondern der festgesetzte Steuerbetrag.

 
Praxis-Beispiel

Ein Einzelunternehmer erwarb am 1.3.01 mit privaten Geldern ein unbebautes Grundstück zum Preis von 200.000 EUR. Dieses unbebaute Grundstük nutzte der Einzelunternehmer von Beginn an für eigenbetriebliche Zwecke (als Lagerplatz). Gleichwohl hat er das Grundstück bislang nicht in seiner Bilanz ausgewiesen. Die Steuerfestsetzungen für die Jahre 01 bis 03 sind nach der AO nicht mehr änderbar. Die Steuern für die Jahre 04 bis 06 wurden unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Im Jahr 07 fand nun eine Außenprüfung statt, die den Fehler (das Grundstück wäre von Anfang an als notwendiges Betriebsvermögen auszuweisen gewesen) aufdeckte.

Lösung: Der Fehler hat sich mangels Abschreibungen bisher nicht auf die nicht mehr änderbaren Veranlagungen 01 bis 03 ausgewirkt. Er ist daher in der Bilanz zum 31.12.01 zu berichtigen (Buchung: Unbebautes Grundstück 200.000 EUR an Kapital 200.000 EUR).[11]

Ebenso liegt die Bilanz nicht der Steuerfestsetzung zugrunde, wenn die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden.[12] In diesen Fällen können die Fehler im Entstehungsjahr oder in de...

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