Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Rechtsgeschäfte des Erblassers, die uneingeschränkt wirksam sind und bleiben, muß der Vertragserbe durchweg gegen sich gelten lassen.
  2. Gegen sittenwidriges Vorgehen eines Dritten, der aus dem Vermögen des Erblassers zu dessen Lebzeiten einen Gegenstand erwirbt, ist der Vertragserbe im allgemeinen nur dann geschützt, wenn der Erwerb mindestens schuldrechtlich seiner Wirkungen entkleidet ist oder wird.
  3. § 2287 BGB geht als Sonderregelung einem eigenen Anspruch der Erben aus § 826 BGB vor. Das gilt auch bei kollusivem Zusammenwirken von Erblasser und dem Dritten.
 

Normenkette

BGB §§ 2287, 826

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um ein Anwesen, das der frühere Beklagte, der inzwischen verstorbene Bruder des Vaters der Kläger, ihnen und ihrem Halbbruder Thomas durch sittenwidriges Zusammenwirken mit seiner Mutter entzogen haben soll.

Die Großeltern der Kläger und Eltern des früheren Beklagten (künftig: Onkel) hatten mit ihren beiden Kindern, nämlich mit dem Vater der Kläger und dem Onkel einen notariellen Erb- und Erbverzichtsvertrag geschlossen, in dem es heißt:

"1. Herr (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) (der Onkel) bekennt, für seine künftigen Erbansprüche am Elternhaus und an der Firma (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) bar abgefunden zu sein.

2. Die Eltern (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein.

Der Überlebende von ihnen beruft den (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) (Vater der Kläger) zu seinem Alleinerben mit der Auflage, alle Nachlaßgegenstände außer dem Elternhaus und dem Firmenvermögen mit seinem Bruder (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) zu teilen.

Ersatzerben für (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) (den Vater der Kläger) sind dessen Abkömmlinge.

3. Alle Beteiligten nehmen Vorstehendes gegenseitig an (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) (Der Onkel) verzichtet den Eltern gegenüber auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht; die Eltern nehmen den Verzicht an."

Der Großvater verstarb im Jahre 1969. Der Vater der Kläger starb am 18. Februar 1980 an einem Herzinfarkt. Bereits am 4. März 1980 verkaufte die Großmutter das Elternhaus an den Onkel unter Nießbrauchsvorbehalt. Dabei wurde der Kaufpreis aufgrund eines Wertgutachtens vom 29. Februar 1980 mit 183 348 DM angesetzt; der vorbehaltene Nießbrauch der Großmutter wurde auf der Grundlage einer Lebenserwartung von sechs Jahren mit 7 779 DM bewertet und auf den Kaufpreis angerechnet. Der Restbetrag wurde verrentet und sollte durch eine lebenslange Rente an die damals 80 Jahre alte Großmutter in Höhe von monatlich 1 894 DM abgegolten sein. Sogleich nach der Umschreibung im Grundbuch belastete der Onkel den Grundbesitz mit Grundschulden zugunsten der Kreissparkasse in Höhe von insgesamt 165 000 DM.

Die Großmutter (Erblasserin) starb am 22. April 1982. Ihre Erben sind die Kläger und deren Halbbruder aus der ersten Ehe ihres Vaters. Die Kläger betrachten sich und ihren Halbbruder als durch die Übereignung des Anwesens von dem Onkel in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt.

Die Kläger werfen dem Onkel vor, er habe die Großmutter unter Ausnutzung der durch den plötzlichen Tod des Vaters der Kläger entstandenen Lage ohne begründeten Anlaß in Sorge um ihre künftigen wirtschaftlichen Verhältnisse versetzt und sie dadurch in unredlicher Weise zum Verkauf veranlaßt. Ein solcher Verkauf auf Rentenbasis zum Zweck der Alterssicherung der Großmutter sei seinerzeit nicht erforderlich gewesen, vielmehr habe ihre Mutter gegenüber der Großmutter ausdrücklich zugesagt, daß sie auch in Zukunft mit Leistungen aus dem Betrieb rechnen könne. Unstreitig hatte der Vater der Kläger den von den Großeltern stammenden Betrieb (Edelsteinschleiferei und -handel) geführt; die daran beteiligte Großmutter hatte bis dahin (auch) von Einkünften daraus gelebt. Über die Fortführung des Betriebs waren damals Verhandlungen zwischen der Mutter der Kläger, der Großmutter und dem Onkel im Gange. Ungeachtet dieser Verhandlungen sei das Grundstück heimlich an den Onkel verkauft worden; dadurch seien sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Außerdem habe der Onkel die Rente nur der Form halber auf ein Konto der Großmutter überwiesen und die Beträge sogleich wieder für sich abgehoben.

Aufgrund dessen haben die Kläger gegen ihren Onkel Klage erhoben mit den Anträgen, die Berichtigung des Grundbuchs dahin zu bewilligen, daß der Grundbesitz den Klägern und ihrem Halbbruder Thomas in ungeteilter Erbengemeinschaft zustehe, sowie die Löschung der von ihm bestellten Grundschulden zu erwirken, hilfsweise den Grundbesitz an die Erbengemeinschaft zu übereignen, weiter hilfsweise die Verpflichtung festzustellen, jedem Kläger ein Viertel des entstandenen Schadens zu ersetzen.

Der Beklagte hat behauptet, die Großmutter sei von sich aus aktiv geworden, um ihre Versorgung zu klären. Erst danach sei sie an ihn wegen eines Verkaufs auf Rentenbasis herangetreten. Ein solcher Verkauf sei erforderlich gewesen, um die Altersversorgung seiner Mutter sicherzustellen. Aus der Fortführung des Betriebs seien keine hinreichenden Erträge zu erwarten gewesen, von denen seine Mutter hätte leben können. Für den Unterhalt und die Pflege seiner Mutter habe er 62 500 DM aufgewendet.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage, soweit sie auf die Bewilligung einer Grundbuchberichtigung gerichtet ist, für unbegründet gehalten und haben der Klage auf Übereignung des Grundbesitzes und Löschung der Grundpfandrechte stattgegeben. Der Beklagte hat Revision eingelegt mit dem Ziel, die Klage abzuweisen. Der Beklagte ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Seine Ehefrau und Alleinerbin führt den Rechtsstreit auf der Beklagtenseite fort.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Beklagtenseite aus dem Gesichtspunkt des § 826 BGB für verpflichtet, den Grundbesitz lastenfrei an die Erbengemeinschaft nach der Großmutter zu übereignen. Der frühere Beklagte habe den Vertragserben vorsätzlich und sittenwidrig Schaden zugefügt. Er habe auf die Großmutter in unlauterer Weise eingewirkt, indem er sie glauben gemacht habe, ihr Lebensunterhalt sei gefährdet, und die Mutter der Kläger beabsichtige, ihr das Haus wegzunehmen. Dabei habe der Beklagte in der Absicht gehandelt, die günstige Gelegenheit des Vorversterbens seines Bruders auszunutzen, um sich zum Nachteil der Vertragserben des Anwesens zu bemächtigen. Hierzu stützt sich das Berufungsgericht auf die "verdächtige Eile", mit der der Abschluß des Übertragungsvertrages betrieben worden sei, und auf die Verheimlichung der Vorgänge vor der Mutter der Kläger mit dem Ziel, hinter deren Rücken vollendete Tatsachen zu schaffen. Das Berufungsgericht hält es für wahrscheinlich, daß die Sorge der Großmutter um ihre Versorgung maßgeblich durch Äußerungen des früheren Beklagten und seiner Ehefrau verursacht worden sei. Es hält es aber - anders als das Landgericht - nicht für ausgeschlossen, daß ein "gewisser Antrieb" zu dem Hausverkauf auch von der Großmutter selbst ausging. Dennoch hat es den Eindruck, daß der frühere Beklagte und seine Ehefrau die Großmutter mit ihrer Besorgnis um die Versorgung in einer damals nicht gerechtfertigten Weise bestärkt und sie zugleich in eine Gegenposition zu den Klägern und ihrer Mutter manövriert hätten, was den Weg zur Erlangung des Anwesens geebnet habe. Für die Zeit des Verkaufs sei es mindestens als ungeklärt anzusehen, ob nicht eine solide Versorgung der Großmutter aus den Einkünften des Betriebes oder aus einer Vermietung des Grundstücks möglich sein werde. Eine seinerzeit mögliche Prognose sei nicht so ungünstig gewesen, daß zwingender oder auch nur vernünftiger Anlaß zu einem derart eiligen Verkauf bestanden habe. Bei dem Berufungsgericht hat sich danach der Eindruck verfestigt, daß die Großmutter aufgrund des Einflusses des früheren Beklagten und seiner Ehefrau in eine psychische Lage getrieben wurde, in der sie in einer Mischung aus damals unbegründeter Besorgnis über ihre wirtschaftliche Zukunft und einer gewissen Opposition zur Mutter der Kläger sich zur ohne Not und mit großer Eile betriebenen Veräußerung des Grundbesitzes bereit fand.

II.

Die Entscheidung des Berufungsgericht hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1.

Ob § 826 BGB neben § 2287 BGB zum Schutz des Vertragserben anwendbar ist, ist im Schrifttum stark umstritten (vgl. nur MünchKomm/Musielak, § 2286 Rdn. 5; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts 3. Aufl. § 37 II Fn. 65 S. 648; Staudinger/Boehmer, BGB 11. Aufl. Erbrecht Einl. § 20 Rdn. 2 auf der einen Seite und Kipp/Coing, Erbrecht 13. Bearb. § 38 IV 3a S. 252; Staudinger/Kanzleiter, BGB 12. Aufl. § 2286 Rdn. 4; Jauernig/Teichmann, BGB 4. Aufl. § 826 Anm. I 2b; Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag 2. Aufl. § 2286 BGB Rdn. 5 auf der anderen). Der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone hat die Frage in OGHZ 2, 161, 163, 170 bejaht; der Bundesgerichtshof hat sie noch nicht entschieden.

Dem durch den Erbvertrag gebundenen zukünftigen Erblasser ist es im allgemeinen unbenommen, durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden über sein Vermögen zu verfügen (§ 2286 BGB). In diese Freiheit greift § 2287 BGB nach (seit BGHZ 59, 343) gefestigter Rechtsprechung nur bei Schenkungen und nur dann ein, wenn der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen mißbraucht, indem er Vermögen ohne anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse wegschenkt. Diese Regelung kann nicht ohne Auswirkung auch auf die Beurteilung von entgeltlichen Geschäften des künftigen Erblassers bleiben: Wo nämlich der Erblasser wegschenken könnte, ohne daß ein Anspruch aus § 2287 BGB entstünde, kann ein entsprechendes entgeltliches Geschäft schwerlich schon deshalb als sittenwidrig behandelt werden, weil der Vertragserbe den weggegebenen Gegenstand nicht erlangt.

Das Erbrecht regelt den Schutz des Vertragserben gegenüber einem Mißbrauch der fortbestehenden Verfügungsgewalt des Erblassers über sein Vermögen durch die §§ 2286, 2287 BGB. Diese Regelung ist nach der Auffassung des Senats abschließend. Sie führt unter Umständen zu einem Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten und geht als Sonderregelung einem eigenen Anspruch der Erben aus § 826 BGB vor. Das gilt sogar dann, wenn der Erblasser mit dem Dritten kollusiv zusammengewirkt hat, um den Vertragserben zu schädigen. Auch in diesem Falle handelt es sich im Schwerpunkt um eine mißbräuchliche Ausnutzung der dem Erblasser verbliebenen Verfügungsmacht durch diesen selbst im Sinne von §§ 2286, 2287 BGB. Der Bereicherungsausgleich nach dieser Regelung sichert den Vertragserben nach der Wertung des Gesetzes in ausreichendem Maße. Diesen gesetzlichen Schutz mit Hilfe von § 826 BGB zu einem deliktischen Schutz auszugestalten, und zwar nur im Hinblick auf das Hinzutreten des kollusiv mitwirkenden Dritten, erscheint dem Senat weder aufgrund der Gesetzeslage noch der Sache nach als geboten.

Anders kann es sich verhalten, wenn der Erblasser seine Verfügungsbefugnis nicht selbst mißbraucht, ein Dritter aber den Erblasser - etwa mit Hilfe einer Täuschung - zu einer Verfügung über Teile seines Vermögens veranlaßt und ihm dadurch Schaden zufügt. In diesem Falle können dem Erblasser neben dem Anfechtungsrecht auch vertragliche oder gesetzliche Schadensersatzansprüche zustehen. In derartige Rechtspositionen rücken zum Erbfall, so wie sie dann bestehen, die Erben ein.

Dagegen kann aus einem derartigen Vorgang ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in der Person des Vertragserben nicht unmittelbar entstehen. Für einen solchen Anspruch reicht es dementsprechend nicht aus, wenn lediglich die Erberwartungen des Vertragserben enttäuscht sind. Es ist nicht einzusehen, warum der Erbe hier besser gestellt sein sollte, wenn ein Dritter den Erblasser sittenwidrig beeinflußt hat, als wenn dieser selbst den Vertragserben beeinträchtigt.

Hinzu kommt folgendes:

Eine sittenwidrige Beeinträchtigung berechtigter Erberwartungen, die für eine Einordnung unter § 826 BGB in Betracht gezogen werden könnten, kann der Vertragserbe von verschiedenen Seiten erfahren. Soweit es sich um Rechtsgeschäfte (Handlungen) des Erblassers handelt, die uneingeschränkt (sowohl dinglich als auch schuldrechtlich) wirksam sind und bleiben, muß der Vertragserbe sie als dessen Rechtsnachfolger (§§ 1922, 1967 BGB) durchweg gegen sich gelten lassen (vgl. dazu Senatsurteil vom 15. Juni 1988 - IVa ZR 38/87 - unveröffentlicht). Bei einem sittenwidrigen Vorgehen eines Dritten etwa durch Einflußnahme auf den Erblasser, wie es hier angenommen worden ist, rührt die eigentlich schädigende Handlung ebenfalls vom Erblasser her. Ist und bleibt das betreffende Rechtsgeschäft gleichwohl nach dem Tod jedenfalls schuldrechtlich voll wirksam (Wirksamkeit aufgrund § 138 BGB verneint in dem Fall RGZ 111, 151), dann rückt der Vertragserbe in die entsprechende Rechtsstellung des Erblassers ein, bleibt in demselben Umfang wie dieser gebunden und wird dem Erwerber den etwa veräußerten Gegenstand schon deshalb grundsätzlich belassen müssen. Der Vertragserbe kann daher gegen sittenwidriges Vorgehen eines Dritten, der aus dem Vermögen des Erblassers zu dessen Lebzeiten einen Gegenstand erwirbt, und sich zu seiner Legitimation auf den Erblasser stützen kann, im allgemeinen nur dann geschützt sein, wenn der Erwerb mindestens schuldrechtlich seiner Wirkungen entkleidet ist oder wird (vgl. etwa §§ 2113 Abs. 2, 2329 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Vertragserbe braucht den vom Erblasser abgeschlossenen Vertrag daher trotz möglicherweise sittenwidrigen Vorgehens des Erblassers (oder seines Vertragspartners) nur dann nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn das Geschäft ihn nicht bindet. Unwirksamkeit des hier abgeschlossenen Kaufvertrages kommt nach dem Sach- und Streitstand hier aber nur nach § 138 BGB in Betracht. Daß der Kaufvertrag nach dieser Vorschrift etwa infolge anstößigen Zusammenwirkens der Erblasserin mit der Beklagtenseite (BGHZ 59, 343, 348) oder auch durch sittenwidriges Vorgehen des früheren Beklagten gegen die Erblasserin nichtig wäre, ist bisher nicht festgestellt.

2.

Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der frühere Beklagte habe bei der Schadenszufügung sittenwidrig gehandelt, ist nicht rechtsfehlerfrei.

Das Berufungsgericht hat die Wertung des Verhaltens als sittenwidrig wesentlich damit begründet, daß der frühere Beklagte und seine Ehefrau einen gewissen Antrieb zum Hausverkauf, der von der Erblasserin selbst ausgegangen sein möge, ausgenutzt und diese in ihrer Besorgnis um ihre künftige Versorgung in nicht gerechtfertigter Weise aus Eigennutz bestärkt und zur Verkaufsbereitschaft getrieben hätten, obwohl die Besorgnis seinerzeit objektiv nicht begründet gewesen sei.

Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht die verschiedenen Tatanteile des früheren Beklagten und seiner Ehefrau nicht auseinanderhält, leidet die Wertung des Berufungsgerichts daran, daß sie nicht erkennen läßt, ob der frühere Beklagte die Tatumstände, die die Sittenwidrigkeit begründen sollen, auch gekannt hat (vgl. dazu BGH Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71 - NJW 1973, 2285, 2286).

Unstreitig erhielt die damals 80 Jahre alte Erblasserin vom Vater der Kläger zuletzt monatliche Zahlungen in Höhe von nur 150 DM wöchentlich. Weitere laufende Einkünfte hatte sie nicht. Nach Feststellung des Berufungsgerichts hatte die Mutter der Kläger bereits im Jahre 1979 geäußert, das Geschäft gehe schlecht, es sei fraglich, ob die Belastungen für die Erblasserin weiter getragen werden könnten. Damit stimmt überein, daß aus dem Betrieb im Jahre 1979 nur ein Gewinn von 12 500 DM erwirtschaftet, aber gleichwohl 46 340 DM entnommen worden sein sollen. Daß der Betrieb auch danach nicht gut lief, ergibt sich schon daraus, daß die Kosten für den einzigen Schleifer, der noch beschäftigt wurde, nach dem eigenen Vortrag der Kläger wesentlich höher lagen, als die Einnahmen, die noch eingingen. Unter diesen Umständen war es nicht verwunderlich, wenn der frühere Beklagte alsbald nach dem Tode des Vaters der Kläger die Frage nach der künftigen Versorgung der Erblasserin aufwarf und dabei nach dem Vortrag der Kläger erklärt haben soll, er sei ausgezahlt und wolle nicht gerne noch für hohe Unterbringungskosten einstehen müssen.

In einer solchen Lage hatte das Berufungsgericht sein Augenmerk darauf zu richten, wie der frühere Beklagte die Sorge der Erblasserin um ihre künftige wirtschaftliche Versorgung selbst beurteilte. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit, den das Berufungsgericht gegen ihn in diesem Zusammenhang erhebt, kann nur in Betracht gezogen werden, wenn er die Besorgnis der Erblasserin - ebenso wie das Berufungsgericht - für unbegründet hielt. Beurteilte er die Lage nämlich anders, und war er der Meinung, mag diese nun zutreffend gewesen sein oder nicht, die Besorgnis der damals 80 Jahre alten Erblasserin sei begründet, und sei es auch nur, weil er auch an die Mittel für ihre etwa künftig nötige Unterbringung in einem Pflegeheim dachte, oder läßt sich der entsprechende Vortrag der Beklagten auch nur nicht widerlegen, dann fehlt die für den vom Berufungsgericht erhobenen Vorwurf der Sittenwidrigkeit erforderliche tatsächliche Grundlage.

Hierzu hat das Berufungsgericht ausreichende tatsächliche Feststellungen nicht getroffen. Wenn das Berufungsgericht hier anführt, der frühere Beklagte müsse imstande gewesen sein, "etwa (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) unbegründete Besorgnisse und Irritationen" der Erblasserin richtig einzuschätzen, dann ist das nicht ausreichend. Das Berufungsgericht bezeichnet es ausdrücklich als zur Zeit des Verkaufs ungeklärt, ob eine solide Versorgung aus der Fortführung des Betriebes oder durch Vermietung möglich war. Schon die damit zum Ausdruck kommenden Unsicherheiten lassen es nach den getroffenen Feststellungen als möglich oder sogar naheliegend erscheinen, daß der frühere Beklagte die Leistungsfähigkeit des Betriebes anders einschätzte als das Berufungsgericht. Daß die tatsächliche Entwicklung eine womöglich ungünstige Prognose nachträglich bestätigt hat, hebt das Berufungsgericht ausdrücklich hervor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456428

BGHZ, 73

NJW 1989, 2389

DNotZ 1990, 801

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