Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Verfügungen als Vorerben

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zustimmung des Gesellschafter-Vorerben zu einer Znderung des Gesellschaftsvertrages, die in seine Mitgliedschaftsrechte eingreift, ist in der Regel keine unentgeltliche Verfügung im Sinne des BGB § 2113 Abs 2, wenn die Vertragsänderung alle Gesellschafter gleichmäßig betrifft oder wenn der Vorerbe zwar einseitigen Znderungen zu Lasten seines Gesellschaftsanteils zustimmt, das aber eine Konzession dafür ist, daß die Mitgesellschafter zusätzliche Leistungen für die Erhaltung oder Stärkung des Gesellschaftsunternehmens erbringen.

 

Normenkette

BGB § 2113 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beklagten sind Gesellschafter der H.W. & Co, Automobile, Kommanditgesellschaft, die eine Kraftfahrzeughandlung und Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt in D. betreibt. Die Parteien streiten darüber, ob – und gegebenenfalls mit welchen Rechten – die Klägerin im Wege der Nacherbfolge Kommanditistin geworden ist.

Der Kraftfahrzeugmeister H.W. und der Beklagte zu 1 hatten durch Gesellschaftsvertrag vom 24. Juli 1950 die H.W. & Co als offene Handelsgesellschaft gegründet. H.W. brachte in die Gesellschaft seinen bisher allein geführten Kraftfahrzeugbetrieb mit Niederlassungen in D.-M. und D.-H. ein. Seine Einlage wurde mit 18.000 DM bewertet. Der Beklagte zu 1 leistete eine Bareinlage von 10.000 DM. Die Gewinne und Verluste in der Niederlassung in D.-H. gingen allein zu Gunsten und zu Lasten des Gesellschafters W., die der Niederlassung in D.-M. wurden je zur Hälfte geteilt. Der Gesellschaftsvertrag enthielt in § 10 für den Tod eines Gesellschafters folgende Regelung:

„1. Stirbt ein Gesellschafter, so wird die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt. Die Erben sind von der Vertretung und der Geschäftsführung ausgeschlossen.

2. Sollte im Falle des Todes des Gesellschafters W. die Ehefrau W. nicht Erbin sein, so ist der Gesellschafter G. (Beklagter zu 1) berechtigt, das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortzusetzen und den Erben das Auseinandersetzungsguthaben auszuzahlen”.

Über die Abfindung hieß es in § 9 unter anderem:

„Dem ausscheidenden Gesellschafter ist sein Kapitalanteil aufgrund einer Auseinandersetzungsbilanz, die auf den Tag der Beendigung des Gesellschaftsvertrages aufzustellen ist, innerhalb eines Jahres auszuzahlen. Ein Anteil am Firmenwert steht dem Ausgeschiedenen nicht zu.

Zur Ermittlung des Kapitalanteils eines ausgeschiedenen Gesellschafters dient die Handelsbilanz, in der die Anlagewerte an der Gesellschaft ihrem wirklichen Wert entsprechend einzusetzen sind. …”

H.W. starb am 20. November 1950. Er hatte seine Ehefrau als Vorerbin und für die Zeit nach ihrem Tode mehrere Personen, überwiegend entfernte Verwandte, als Nacherben eingesetzt. Als Mitgesellschafterin des Beklagten zu 1 hat die Vorerbin an verschiedenen Znderungen des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt. Nachdem bereits vorher einzelne Bestimmungen zugunsten des allein die Geschäfte führenden Beklagten zu 1 geändert worden waren, wurde durch Vertrag vom 5. April 1970 die Gesellschaft grundlegend umgestaltet. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist vor allem folgendes von Bedeutung:

Die Vorerbin wurde Kommanditistin mit einer Kommanditeinlage von 230.000 DM, was ihrem damaligen Kapitalkonto entsprach (Abschn I und § 3 Abs 2 und 4). Als weitere Kommanditisten wurden die Beklagten zu 2, 3 und 4 in die Gesellschaft aufgenommen (Abschn I Abs 3). Die Vorerbin erhielt fortan einen vom Betriebsergebnis unabhängigen, voll entnahmefähigen jährlichen Festgewinnanteil von 60.000 DM (§ 5 Abs 1). Der diesen Festgewinnanteil übersteigende Gewinn sowie ein etwaiger Verlust waren unter den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer (unveränderlichen) Kapitalkonten zu verteilen (§ 5 Abs 2). Beim Tode eines Gesellschafters sollte die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern fortgesetzt werden (§ 10 Abs 1). Für den Tod der Vorerbin wurde jedoch die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihren Erben oder den Nacherben von H. W. ausgeschlossen (§ 10 Abs 2); für den Tod der Beklagten zu 1, 2 und 3 war eine Fortsetzung mit deren Erben in begrenztem Umfange zugelassen (§ 10 Abs 3 – 5). Für einen ausscheidenden Gesellschafter war eine in fünf Jahresraten auszuzahlende Abfindung vorgesehen, für die in § 14 Abs 1 unter anderem bestimmt war:

  1. „Die Bewertung erfolgt zu den Buchwerten der normalen steuerlichen Erfolgsbilanz auf den Stichtag des Ausscheidens, fortentwickelt aus der letzten Jahresabschlußbilanz.
  2. Ein Firmenwert oder sonstige immaterielle Werte gelangen nicht zum Ansatz.
  3. An schwebenden Geschäften nimmt der Ausscheidende nicht mehr teil.

…”

Die Vorerbin starb am 7. Dezember 1975. Die Klägerin ist eine von neun Nacherben. Sie nimmt für sich in Anspruch, mit dem Tode der Vorerbin in Höhe ihres 1/12-Nacherbenanteils Kommanditistin geworden zu sein. Sie hält insbesondere die geänderte Nachfolgeregelung, die Znderungen der Gewinnverteilung und die geänderte Abfindungsklausel für unwirksam, weil die Zustimmung der Vorerbin hierzu gegenüber den entsprechenden Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag vom 24. Juli 1950 eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 2113 Abs 2 BGB gewesen sei. Sie hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,

  1. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, über die Gewinnverteilung der Jahre 1950 bis 1977 Rechnung zu legen und

    1. die Bilanzen der Jahre 1950 bis 1977 mit Gewinnrechnungen und Verlustrechnungen vorzulegen,
    2. die Aufteilung des Jahresgewinns auf die Betriebe H. und M. aufzuschlüsseln und
    3. soweit aus den Bilanzen nicht ersichtlich, über die Entwicklung der Kapitalkonten der Gesellschafter von 1970 bis 1977 Auskunft zu geben;
  2. festzustellen,

    1. daß die Klägerin per 31. Dezember 1977 mit einer Kommanditeinlage, deren Höhe sich aus der Rechnungslegung ergebe, an der Gesellschaft beteiligt sei und
    2. mit einem sich aus der Rechnungslegung ergebenden Prozentsatz am Gewinn und Verlust beteiligt sei;
  3. die Beklagten zu verurteilen, darin einzuwilligen, daß sie als Kommanditistin ins Handelsregister eingetragen werde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Anträgen zu 1, 3 und 4 stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Die für alle in die Revisionsinstanz gelangten Klageanträge wesentliche und vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob die Klägerin im Wege der Nacherbfolge Kommanditistin der H.W.

 

Fundstellen

BGHZ 78, 177

BGHZ, 177

NJW 1981, 115

DNotZ 1981, 760

JZ 1980, 812

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