Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Ermessensausübung bei der Festsetzung von Verspätungszuschlag

 

Leitsatz (NV)

Die Festsetzung von Verspätungszuschlag wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die aufgrund der verspätet abgegebenen ESt-Erklärung durchgeführte Veranlagung zu einer Erstattung führt.

 

Normenkette

FGO § 102; AO 1977 § 152 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Gegen die durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vertretenen Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) war bereits anläßlich der Einkommensteuerveranlagung 1982 ein Verspätungszuschlag von 100 DM festgesetzt worden. An die Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1983 wurden sie vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) am 22. Oktober 1984 unter Fristsetzung bis zum 22. November 1984 und Androhung eines Zwangsgeldes von 50 DM erinnert; die Kläger antworteten nicht. Am 15. Januar 1985 teilte ihnen das FA mit, daß es beabsichtige, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Daraufhin legten die Kläger am 24. Januar 1985 die Einkommensteuererklärung 1983 vor, in der sie die Zusammenveranlagung wählten; die Erklärung ist von beiden Ehegatten unterschrieben. Die Veranlagung führte unter Anrechnung der Steuerabzugsbeträge zu einer Erstattung. Das FA setzte zugleich einen Verspätungszuschlag von 100 DM fest. Die hiergegen von den Klägern eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Beschwerdeentscheidung und die Festsetzung des Verspätungszuschlags auf. Es führte aus, bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) handele es sich um eine Ermessensentscheidung, die nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch das Gericht überprüft werden könne. Bei der Überprüfung des Ermessens sei von dem Verwaltungsakt und der dazu ergangenen Beschwerdeentscheidung auszugehen. Überprüfe man hier den Verwaltungsakt in Gestalt der Beschwerdeentscheidung, so seien die angeführten Ermessenserwägungen an sich nicht zu beanstanden. Die Oberfinanzdirektion (OFD) habe zu der Entscheidung gelangen können, daß ein Verspätungszuschlag in Höhe von 100 DM gegen die Steuerpflichtigen festzusetzen sei. Insbesondere könne der Umstand, daß die Steuerfestsetzung nach Anrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen zu einer Erstattung geführt habe, die Kläger nicht entschuldigen. Denn das Gesetz ordne die Abgabe der Steuererklärung ohne Rücksicht darauf an, ob es zu einer Steuernachzahlung oder Steuererstattung komme; sonst wäre die gesetzliche Frist für die Abgabe der Steuererklärung in zahlreichen Fällen wirkungslos. Im übrigen komme es zwar durchaus auf den erzielten Zinsvorteil an, jedoch habe § 152 Abs. 2 AO 1977 auch den erzieherischen Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten. Dies rechtfertige hier den Ansatz von 100 DM. Darauf, ob durch das Verhalten der Kläger Störungen der Veranlagungsarbeiten eingetreten seien, komme es nicht an.Der Senat sei jedoch der Auffassung, daß ein Verspätungszuschlag gegen zusammenveranlagte Ehegatten nicht in einer einheitlichen Summe festgesetzt werden dürfe. Er schließe sich dem Urteil des I. Senats des FG Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1983 1 K 59/83 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 3) an. Denn hinsichtlich der Festsetzung des Verspätungszuschlags müßten nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 personenbezogene Umstände beachtet werden; der Steuerpflichtige solle zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung angehalten und seine Entschuldigungsgründe sollten geprüft werden. Ein Ehegatte allein könne die gemeinsame Steuererklärung nach § 57a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nicht erstellen und abgeben. Das Versäumnis eines Ehegatten könne deshalb entschuldbar sein, wenn der andere allein die verspätete Abgabe verschuldet habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 152 AO 1977.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Entgegen der Auffassung des FG durfte das FA den Verspätungszuschlag gegen die Kläger in einem einheitlichen Betrag festsetzen . . .

2. Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des FG, soweit es die Festsetzung des streitigen Verspätungszuschlags für ermessensfehlerfrei (§ 102 FGO) hält.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gemäß § 152 Abs. 1 AO 1977 lagen hier vor. Da die Kläger von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten waren, endete die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung 1983 abweichend von § 149 Abs. 2 AO 1977 nach der Verwaltungsregelung am 30. September 1984. Die Erinnerung des FA vom 22. Oktober 1984 blieb ohne Antwort; die Einkommensteuererklärung ging erst am 24. Januar 1985, also fast vier Monate nach Ablauf der Erklärungsfrist und nach Androhung einer Schätzung durch das FA, ein. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Das Verschulden ihres steuerlichen Vertreters müssen sich die Kläger gemäß § 152 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zurechnen lassen.

Die zur Höhe des festgesetzten Verspätungszuschlags von der OFD in der Beschwerdeentscheidung angestellten Ermessenserwägungen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gebilligt, indem es insbesondere auf den erzieherischen Zweck des § 152 Abs. 2 AO 1977 abstellte und zu Recht hervorhob, daß die Erzielung eines Zinsvorteils keine unbedingte Voraussetzung für den Ansatz eines Verspätungszuschlags, sondern nur einer von mehreren Gesichtspunkten bei der Bemessung der Höhe nach sei (§ 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

3. Die Vorentscheidung, die mit der unter 1. dargelegten Rechtsauffassung des Senats nicht übereinstimmt, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, da die Bemessung des Verspätungszuschlags der Höhe nach, wie unter 2. ausgeführt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415257

BFH/NV 1988, 282

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