Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb von Todes wegen durch Anwachsung eines Kommanditanteils; objektive Bereicherung der die KG fortführenden Gesellschafter trotz sog. Buchwertklausel

 

Leitsatz (NV)

1. Wird der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters bei Fortsetzung der Gesellschaft durch Gesellschaftsvertrag auf den sog. Buchwert der Beteiligung begrenzt, so wächst der darüber hinausgehende Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen, insbesondere also der Anteil an den stillen Reserven und dem Firmenwert, den übrigen Gesellschaftern gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

2. Der Annahme einer objektiven Bereicherung der die Gesellschaft fortführenden Gesellschafter steht nicht entgegen, daß der durch Tod ausgeschiedene Gesellschafter oder dessen Rechtsvorgänger bei Gründung der Gesellschaft weder eine Einlage erbracht noch Aufwendungen für zu diesem Zeitpunkt vorhandene stille Reserven geleistet hat und der Anspruch des ausscheidenden Gesellschafters bei Fortbestehen der Gesellschaft durch Gesellschaftsvertrag auf den sog. Buchwert begrenzt worden ist.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 12; BGB § 738 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 705, 718, 719 Abs. 1, §§ 722, 2301; HGB § 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Ausscheiden eines Mitgesellschafters durch Tod unter Abfindung seiner Erben zu Buchwerten bei den in der Kommanditgesellschaft verbliebenen Gesellschaftern zu einem gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i. d. F. des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 -- ErbStG 1974 -- (BGBl I 1974, 933, BStBl I 1974, 216) steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen führt.

An der B & Co. Kommanditgesellschaft (KG) war Frau J als Kommanditistin beteiligt gewesen. Der Wert der von ihr bei ihrem Eintritt in die Gesellschaft geleisteten Einlage hatte dem -- damaligen -- Buchwert des Kommanditanteils entsprochen. Nach ihrem Tod war der Kommanditanteil aufgrund des Gesellschaftsvertrages auf ihren Sohn E übergegangen. Dieser schied mit seinem Tod am ... Februar aus der Gesellschaft aus. Seine Erben wurden, wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, nicht Gesellschafter der KG, sondern entsprechend der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelung " ... nach der auf den Ausscheidungstag in üblicher Weise aufzustellenden Jahresbilanz ... " und ohne " ... irgendeine Vergütung für stille Reserven, Firmenwert und dergleichen ... " abgefunden. Der Wert des Abfindungsguthabens betrug insgesamt ... DM. Bezogen auf den dem E zuzurechnenden Anteil am Betriebsvermögen der KG in Höhe von ... DM betrug der Wert des den verbleibenden Gesellschaftern zugewachsenen Gesellschaftsanteils des E ... DM. Durch Steuerbescheid vom 2. April 1986 setzte das damals zuständige Finanzamt gegen den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), der persönlich haftender Gesellschafter der KG ist, entsprechend seiner Beteiligungsquote nach einer Bemessungsgrundlage von ... DM gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 1974 Erbschaftsteuer fest.

Auf die Sprungklage des Klägers hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid auf. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten und Revisionsklägers, des nunmehr zuständigen FA.

Es beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG 1974 gilt als Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Als solcher gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 1974 u. a. auch der auf einem Gesellschaftsvertrag beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Todes nach § 12 ErbStG 1974 ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt, denn der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters E ist aufgrund der in dem Gesellschaftsvertrag der KG für den Fall des Ausscheidens des E durch Tod unter Ausschluß der Erben des E vereinbarten Fortsetzung der Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern durch Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Teil auf den Kläger übergegangen. Der Senat verweist hierzu auf seine Ausführungen in den Urteilen vom 1. Juli 1992 II R 20/90 (BFHE 168, 397, BStBl II 1992, 917) und II R 70/88 (BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921).

2. Entgegen der Auffassung des FG steht der Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 1974 im Streitfall nicht entgegen, daß die Mutter des durch Tod ausgeschiedenen Kommanditisten, deren Rechtsnachfolger er war, wie das FG sich ausdrückt, "zum Buchwert (ohne Entgelt für stille Reserven)" als Kommanditistin eingetreten und daß im Gesellschaftsvertrag vereinbart war, daß beim Ausscheiden eine Vergütung für stille Reserven, Firmenwert und dergleichen nicht erfolge. Der vom FG gezogene Schluß, wenn schon der Eintritt in die Gesellschaft zum Buchwert erfolgt sei, könne das Ausscheiden ebenfalls zum Buchwert keine steuerpflichtige Bereicherung (der verbleibenden) Gesellschafter bewirken, steht weder mit den gesetzlichen Regelungen noch mit dem Gesellschaftsvertrag in Einklang.

Nach §§ 705, 718, 719 Abs. 1 BGB, die über § 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches auch für die KG gelten, sind die Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Dies schließt die Beteiligung der Gesellschafter an dem während der Dauer der Mitgliedschaft erworbenen Vermögen ein (vgl. § 722 BGB). Dementsprechend bestimmt § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, daß der ausscheidende Gesellschafter bei seinem Ausscheiden dasjenige erhält, was er bei einer Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Die Höhe dieses Auseinandersetzungsanspruchs richtet sich nach §§ 730, 734 BGB; er entsteht mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens.

Wird, wie im Streitfall, der Anspruch des ausscheidenden Gesellschafters bei Fortbestehen der Gesellschaft hiervon abweichend durch Gesellschaftsvertrag auf den sog. Buchwert begrenzt, so wächst der darüber hinausgehende Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters am Vermögen der Gesellschaft, insbesondere also der Anteil an den stillen Reserven und am sog. Firmenwert, zufolge § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB den übrigen Gesellschaftern zu. Die sich hieraus nach Abzug des Abfindungsanspruchs ergebende Bereicherung wird durch § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG erfaßt (Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 168, 397, BStBl II 1992, 912).

Der Annahme einer objektiven Bereicherung des Klägers als eines die Gesellschaft weiterführenden Gesellschafters steht nicht entgegen, daß die Rechtsvorgängerin des verstorbenen Kommanditisten bei der Gründung der Gesellschaft weder eine Einlage erbracht hat, noch Aufwendungen für zu diesem Zeitpunkt vorhandene stille Reserven zu leisten hatte, denn dies ändert nichts daran, daß sie am Vermögen und damit auch an den stillen Reserven -- entsprechend ihrem Anteil -- beteiligt war. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich nichts anderes. Insbesondere ist darin weder bestimmt, daß die Kommanditistin nicht am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sein sollte, noch war ihre Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft auf den sog. Buchwert beschränkt; dieser diente lediglich der Regelung der Abfindung.

3. Bedenken gegen den Wert des auf den Kläger übergegangenen Anteils am Gesellschaftsvermögen bestehen, entgegen der Auffassung des FG, nicht. Zum einen ist es wegen der Zeitnähe nicht zu beanstanden, daß für Bestand und Bewertung des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer mit dem Tod des E am ... Februar ... (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 11 ErbStG 1974) auf den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar ... zurückgegriffen worden ist. Konkrete Anhaltspunkte für eine Wertabweichung hat das FG nicht festgestellt. Zum anderen sind die Betriebsgrundstücke, die im Streitfall einen Großteil des Betriebsvermögens ausmachen, mit dem Wert anzusetzen, der auf den Zeitpunkt festgestellt ist, welcher der Entstehung der Erbschaftsteuer vorangegangen ist oder mit ihr zusammenfällt (§ 12 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ErbStG 1974). Das vom Kläger geltend gemachte und vom FG aufgegriffene Argument, daß der Wert des Grundvermögens wegen des allgemeinen wirtschaftlichen Niedergangs der ... -Branche nicht mehr den alten Werten entspreche, ist unbehelflich, weil die Änderung der Wertverhältnisse nach dem letzten Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) nicht zu berücksichtigen ist (§ 27 des Bewertungsgesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421273

BFH/NV 1996, 609

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