Leitsatz (amtlich)

1. Die Deckungsrückstellung für Haftpflicht- und Unfallrenten in der HUK-Versicherung ist als solche bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Versicherungsgesellschaft nicht abzugsfähig.

2. Die dieser Deckungsrückstellung zugrunde liegenden Verpflichtungen aus laufenden Renten sind mit ihrem Kapitalwert nach §§ 13 bis 16 BewG abzuziehen.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 10, 13-16, 103 Abs. 1-2, § 109 Abs. 1; BewDV § 53

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Versicherungsaktiengesellschaft, die die Rückversicherung für Haftpflicht-, Unfall- und Krankenversicherungen (HUK-Versicherung) betreibt. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat bei der endgültigen Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1967 durch den Bescheid vom 12. Dezember 1968 entsprechend der Auffassung des Betriebsprüfers bei der Berechnung einer Deckungsrückstellung für Haftpflicht- und Unfallrenten statt des von der Klägerin zugrunde gelegten Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H., der vom Betriebsprüfer bei der Ertragsteuer anerkannt worden ist, einen Rechnungszinsfuß von 5,5 v. H. angewandt, Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage statt.

Das FA beantragt mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, unter Aufhebung des FG-Urteils die Deckungsrückstellung für Renten der HUK-Versicherung mit einem Zinsfuß von 5,5 v. H. zu ermitteln. Es wird Verletzung des geltenden Rechts gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Gehe man davon aus, daß die Deckungsrückstellung eine versicherungstechnische Rücklage nach § 103 Abs. 2 BewG sei, so stelle sich die Frage, wie und in welcher Höhe diese Verpflichtung nach den Grundsätzen der Einzelbewertung anzusetzen sei. Allgemein sei eine Rentenverpflichtung mit dem Barwert zu bewerten. Seine Höhe hänge von den verschiedenen Rechnungsgrundlagen (Zinsfuß und Sterbetafel) ab. Der Barwert entspreche dem Teilwert. Gehe man davon aus, daß durch die Sondervorschrift des § 103 Abs. 2 BewG die Anwendung der §§ 13 und 14 BewG entfalle, so ergäben sich ertragsteuerlich und bewertungsrechtlich die gleichen Wertansätze, und zwar in Höhe des versicherungsmathematischen Barwerts. Das FG sei aber zu Unrecht davon ausgegangen, daß die ertragsteuerliche Anerkennung des Zinsfußes von 3,5 v. H. richtig gewesen sei. Der Zinsfuß von 3,5 v. H. sei zwar in der Lebensversicherung und in der Krankenversicherung in der Verwaltung auch für die Einheitsbewertung anerkannt worden. Zwischen der HUK-Versicherung und der Lebensversicherung bestehe aber ein wesentlicher Unterschied: Bei der Lebensversicherung schulde der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei rückkaufsfähigen Versicherungen die mit 3 v. H. berechnete Deckungsrückstellung als festen Betrag. Das sei bei der HUK-Versicherung nicht der Fall. Die steuerliche Anerkennung des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. könne auch nicht darauf gestützt werden, daß dieser Zinsfuß in dem von der Versicherungsaufsichtsbehörde (BAV) genehmigten Geschäftsplan bindend festgelegt sei. Nach der Rechtsprechung seien die Bilanzierungsanweisungen des BAV steuerlich nicht bindend. Bei der Wahl eines Zinsfußes von 3,5 v. H. werde die erforderliche Höhe überschritten. So habe der BFH in einem Urteil vom 20. November 1969 IV R 22/68 (BFHE 98, 28, BStBl II 1970, 309) entschieden, daß bei der Berechnung des Kapitalwerts einer betrieblichen Kaufpreisleibrente die Verwendung des bewertungsrechtlichen Zinsfußes von 5,5 v. H. wegen der Langfristigkeit der Renten einen guten Anhalt gebe. Das gelte auch für die hier in Betracht kommenden Renten. Sehe man die Rentenrückstellung nicht als eine versicherungstechnische Rücklage im Sinne des § 103 Abs. 2 BewG an, so müßte sie als allgemeine Verbindlichkeit nach § 103 Abs. 1 BewG nach der Rechtsprechung selbst bei Anwendung der §§ 13 Abs. 3 und 14 Abs. 5 BewG jedenfalls unter Zugrundelegung des Zinsfußes von 5,5 v. H. bewertet werden.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie hält das FG-Urteil insoweit für richtig, als es die Rentenrückstellung als versicherungstechnische Rücklage im Sinne des § 103 Abs. 2 BewG ansehe und zu der tatsächlichen Feststellung komme, daß die unter Verwendung eines Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. gebildete Rückstellung auch der Höhe nach erforderlich sei. Daran sei der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

Der BdF ist nach § 122 Abs. 1 FGO dem Verfahren beigetreten. Er schließt sich in seiner Stellungnahme dem Antrag des FA an. Er ist zwar der Meinung, daß die Rentenrückstellung eine versicherungstechnische Rücklage im Sinne des § 103 Abs. 2 BewG sei. Bei ihrer Bewertung könne aber, da sie eine echte Schuld sei, kein anderer Zinssatz zugrunde gelegt werden, als der im Bewertungsrecht allgemein geltende Zinsfuß von 5,5 v. H. Würde man den geschäftsplanmäßigen Zinsfuß von 3,5 v. H. verwenden, so würde das bedeuten, daß die Verpflichtung zur Zahlung einer laufenden Rente nur deshalb ein größeres Gewicht habe, weil sie von einem Versicherungsunternehmen als Ausfluß einer Regulierung von HUK-Schäden getragen werde. Die Höhe der Schuld werde auch nicht dadurch beeinflußt, daß der Erstversicherer für HUK-Renten nach § 79 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (V AG) i. V. mit den §§ 65 bis 78 VAG geschäftsplanmäßig berechnete Deckungsrückstellungen wie in der Lebensversicherung zu bilden und zu bedecken habe, wobei von der Aufsichtsbehörde ein Zinsfuß von 3,5 v. H. vorgeschrieben sei. Der Deckungsstock sei nicht Maßstab für die Höhe der Stichtagsschuld, sondern stelle ein Sicherheitskapital für den Konkursfall dar. Daß in der Lebensversicherung der geschäftsplanmäßige Zinssatz von 3 v. H. sowohl ertragsteuerlich als auch bewertungsrechtlich anerkannt werde, sei in dem besonderen Charakter dieser versicherungstechnischen Rücklage begründet. Der Zinssatz von 3 v. H. sei in der Lebensversicherung nicht nur Kalkulationselement für die Berechnung der Beiträge und der Deckungsrückstellung, sondern auch Bestandteil des Versicherungsvertrages, weil die mit diesem Zinssatz berechnete Deckungsrückstellung dem Versicherungsnehmer nicht nur bei Kündigung geschuldet werde, sondern auch bei sonstigen Vertragsänderungen. Nach der Rechtsprechung sei die Deckungsrückstellung der Lebensversicherung im wesentlichen rechtlich und wirtschaftlich eine Art Sparkassenguthaben des Versicherten. Demgegenüber sei der geschäftsplanmäßige Zinssatz von 3,5 v. H. für die Deckungsrückstellung der HUK-Rente nicht Vertragsbestandteil. Bei Abfindung künftiger Renten durch Kapitalzahlung werde nach den Erfahrungen der Versicherungsfachprüfer von einem Zinssatz ausgegangen, der nicht unter 5,5 v. H. liege, meistens aber höher sei. Wenn von der Finanzverwaltung im Ertragsteuerrecht auch bei den HUK-Renten ein Zinssatz von 3,5 v. H. zugelassen werde, so könne das nicht als rechtlich zwingendes Präjudiz für die bewertungsrechtliche Beurteilung angesehen werden.

Die Klägerin hat der Stellungnahme des BdF widersprochen. Sie hat ein im Auftrag des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft e. V. erstattetes Gutachten eingereicht, in dem der Gutachter davon ausgeht, daß die Rentenrückstellung eine versicherungstechnische Rücklage im Sinne des § 103 Abs. 2 BewG sei. Da es sich bei dieser Rentenverpflichtung um Zahlungen handele, bei denen Ungewißheit über die Dauer und Höhe bestehen, müßten die Zinserträge des Deckungsstocks so geschätzt und angesetzt werden, daß sie nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig die Erfüllung der zukünftigen Rentenverpflichtungen sicherstelle. Die Verzinsung könne nur aus den Erträgnissen des Deckungsstokkes gespeist werden, wobei es sich um einen Nettoertragssatz handele. Aufgrund der Besonderheiten der Vermögensanlagen des Deckungsstockes und der Anlagepolitik der Versicherungsunternehmen, insbesondere der Schadens- und Unfall- sowie der Rückversicherungsunternehmen kam der Gutachter unter Berücksichtigung der langfristigen Zinstendenz, der besonderen Kapitalmarkt- und konjunkturpolitischen Einflußfaktoren und der besonderen Risiken bei der Rückversicherung zu dem Ergebnis, daß der von der zuständigen Fachbehörde vorgeschriebene Zinsfuß von 3,5 v. H. auch bei der Einheitsbewertung angewandt werden sollte, weil nur dieser Zinsfuß dem Prinzip der Erforderlichkeit und besonderen Vorsicht der Versicherungsunternehmen entspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Der Senat stimmt zwar der auch vom BdF und der Klägerin vertretenen Auffassung des FG zu, daß es sich bei der Deckungsrückstellung für Haftpflicht- und Unfallrenten in der HUK-Versicherung um eine versicherungstechnische Rücklage handelt. Damit ist jedoch über den steuerlichen Charakter dieser Deckungsrückstellung noch nichts gesagt. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 28. November 1969 III 95/64 (BFHE 98, 50, BStBl II 1970, 236) ausgeführt hat, bestand der Zweck der Neufassung des § 62 Abs. 2 BewG a. F., der mit § 103 Abs. 2 BewG inhaltsgleich war, darin, die versicherungstechnischen Rücklagen insoweit vom Abzug auszuschließen, als sie Rücklagen im steuerlichen Sinn sind. Der Vertreter des BdF hat in der mündlichen Verhandlung mit Recht darauf hingewiesen, daß es drei verschiedene Gruppen von versicherungstechnischen Rücklagen gibt: 1. echte Schuldposten oder Posten der Rechnungsabgrenzung; 2. Posten, die, wie der I. Senat in dem Urteil vom 19. Januar 1972 I 114/65 (BFHE 104, 422, BStBl II 1972, 392) ausgeführt hat, zwar keine echten Schuldposten oder Rechnungsabgrenzungsposten sind, aber unter Berücksichtigung der Eigenart des Versicherungsgeschäfts wie Schuldposten oder wie Rechnungsabgrenzungsposten wirken; 3. echte Rücklagen. Die dritte Gruppe, die echten Rücklagen im steuerlichen Sinn, sollten vom Abzug ausgeschlossen sein. Deshalb wurde in § 53 Abs. 1 BewDV bestimmt, daß versicherungstechnische Rücklagen insoweit abzugsfähig sind, als es sich bei diesen Rücklagen um echte Schuldposten oder um Posten der Rechnungsabgrenzung handelt. Die gleiche Einschränkung enthält § 24 Abs. 1 KStDV für Zuführungen zu versicherungstechnischen Rücklagen. Wegen der steuerlichen Behandlung der zwei anderen Gruppen von versicherungstechnischen Rücklagen hatte der erkennende Senat früher, zuletzt noch im Urteil III 95/64 die Auffassung vertreten, § 62 Abs. 2 BewG a. F. (= § 103 Abs. 2 BewG) habe als lex specialis Vorrang vor der allgemeinen Vorschrift des § 62 Abs. 1 BewG a. F. (= § 103 Abs. 1 BewG). Deshalb seien auch echte Schuldposten und Rechnungsabgrenzungsposten nur im Rahmen des § 62 Abs. 2 BewG a. F. (= § 103 Abs. 2 BewG) abzugsfähig. Der Senat hat dann aber im Urteil vom 10. Mai 1972 III R 76/66 (BFHE 106, 449, BStBl II 1972, 823 unter III 2a zu aa) diese Auffassung ausdrücklich aufgegeben und sich der Auffassung des I. Senats in dem Urteil I 114/65 angeschlossen. Dieser hat unter 3b ausgeführt, § 24 Abs. 1 Satz 1 KStDV schreibe zwar vor, daß Zuführungen zu versicherungstechnischen Rücklagen insoweit abzugsfähig seien, als es sich um echte Schuldposten oder um Posten der Rechnungsabgrenzung handele. Das bedeute jedoch nicht, daß in jeder Beziehung die Voraussetzungen einer Schuld oder eines Rechnungsabgrenzungspostens nach den allgemeinen Vorschriften erfüllt sein müßten. Denn in diesem Fall wäre die Rückstellung bereits nach den allgemeinen Vorschriften des EStG eine abzugsfähige Ausgabe. Der I. Senat hat in diesem Zusammenhang auf die Eingangsworte in § 11 KStG hingewiesen, aus denen sich ergibt, daß ein Abzug von Zuführungen zu versicherungstechnischen Rücklagen nach § 11 Nr. 2 KStG nur in Betracht kommt, soweit sie nicht bereits nach den Vorschriften des EStG abzugsfähige Ausgaben sind. Eine solche Einschränkung ist zwar weder in § 103 Abs. 2 BewG noch in § 53 BewDV enthalten. Trotzdem hat sich der erkennende Senat auch für das Bewertungsrecht der Auffassung des I. Senat angeschlossen und in dem Urteil III R 76/66 ausgesprochen, daß § 103 Abs. 2 BewG nur für solche versicherungstechnische Rücklagen gilt, die zur zweiten Gruppe gehören, während versicherungstechnische Rücklagen der ersten Gruppe (echte Schuldposten und Posten der Rechnungsabgrenzung) nach der allgemeinen Vorschrift des § 103 Abs. 1 BewG abzugsfähig sind. Zu dieser Entscheidung ist der Senat in erster Linie dadurch gekommen, weil er in Übereinstimmung mit dem I. Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten hat, daß wegen der sachlichen Übereinstimmung des § 103 Abs. 2 BewG und des § 11 Nr. 2 KStG die Abzugsfähigkeit von versicherungstechnischen Rücklagen im Bewertungsrecht und im Ertragsteuerrecht nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden muß (vgl. den 1. Absatz des Urteils III 95/64). Im übrigen hat der Senat in dem Urteil III R 76/66 auch dargetan, daß nach seiner Auffassung der Wortlaut des § 53 BewDV dem nicht entgegensteht. Dies ist auch der Überschrift ("versicherungstechnische Rücklagen") dieser Bestimmung zu entnehmen. Danach ist § 53 BewDV zu § 103 Abs. 2 BewG ergangen, dagegen nicht zu Abs. 1 dieser Vorschrift. Der Senat sieht auch bei Würdigung der vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente keine Veranlassung, die im Urteil III R 76/66 vertretene Auffassung wieder aufzugeben.

2. Prüft man nach den zu 1 dargelegten Grundsätzen, welchen steuerlichen Charakter die Deckungsrückstellung für Haftpflicht- und Unfallrenten in der HUK-Versicherung hat, so ist hervorzuheben, daß die Rentenberechtigten auf die in der Deckungsrückstellung ausgewiesenen Beträge keinen Anspruch haben. Es besteht also auch für die Versicherungsgesellschaft nicht die Verpflichtung, diese Beträge an die Rentenberechtigten auszuzahlen. In diesem Punkt unterscheidet sich diese Deckungsrückstellung ganz wesentlich von den Dekkungsrückstellungen in der Lebens- und Krankenversicherung. In diesen Versicherungszweigen hat der Versicherte in Fällen des Rückkaufs und der Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung einen Anspruch auf die in der Deckungsrückstellung angesammelten Beträge. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß es sich bei der Deckungsrückstellung für Haftpflicht- und Unfallrenten in der HUK-Versicherung als solcher weder um einen echten Schuldposten oder Rechnungsabgrenzungsposten noch um einen Posten handelt, der unter Berücksichtigung der Eigenart des Versicherungsgeschäfts wie eine Schuld oder wie ein Rechnungsabgrenzungsposten wirkt. Sie trägt vielmehr steuerlich den Charakter einer echten Rücklage, deren Bildung die Versicherungsaufsichtsbehörde aus Vorsichts- und Sicherheitsgründen anordnet, wie auch der Gutachter am Schluß seines Gutachtens betont. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß die Deckungsrückstellung als solche nicht abzugsfähig ist.

3. Wenn auch nach den Ausführungen zu 2) die Dekkungsrückstellung als solche nicht abgezogen werden kann, so muß doch berücksichtigt werden, daß die Klägerin die Verpflichtung hat, die laufenden Haftpflichtund Unfallrenten zu zahlen: Diese rechtlich und wirtschaftlich am Stichtag bestehende Verpflichtung ist eine echte Betriebsschuld im Sinne des § 103 Abs. 1 BewG. Sie ist nach den Ausführungen oben zu 1) im Rahmen dieser Vorschrift und nicht nach § 103 Abs. 2 BewG i. V. m. § 53 BewDV abzuziehen. Deshalb kommt es auf die Ausführungen des FG, daß die umstrittene Rückstellung der Leistungserbringung aus laufenden Versicherungen diene und daß sie in der von der Klägerin gebildeten Höhe auch erforderlich sei, nicht an. Ebenso sind die Ausführungen des Gutachters zur Frage der Erforderlichkeit nicht entscheidungserheblich.

4. Die Bewertung von Betriebsschulden ist in § 109 Abs. 1 BewG geregelt. Danach sind sie mit dem Teilwert im Sinne des § 10 BewG zu bewerten. Es handelt sich um Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen. Der Senat hat in den Urteilen vom 26. August 1955 III 133 und 134/55 S (BFHE 61, 207, BStBl III 1955, 278) und vom 30. März 1962 III 358/61 U unter I (BFHE 74, 624, BStBl III 1962, 232) und seitdem in ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 10. Mai 1972 III R 83/71 unter 4., BFHE 106, 96, BStBl II 1972, 688) die Auffassung vertreten, daß Rechte und Verpflichtungen aus wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen ebenso wie Kapitalforderungen und Schulden keinen anderen Wert haben, wenn sie zu einem Betriebsvermögen gehören, als wenn sie zum sonstigen Vermögen gehören würden. Diese Wirtschaftsgüter seien deshalb nach den für sie geltenden Vorschriften des 1. Teils des Bewertungsgesetzes zu bewerten, Rechte und Verpflichtungen aus wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen also nach den §§ 13 bis 16 BewG. Der Senat hat zwar anerkannt, daß es innerhalb des Betriebsvermögens Forderungen und Schulden gibt, für die aufgrund besonderer Verbindung mit dem Betriebsvermögen diese Regel nicht gilt (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1968 III 85/65, BFHE 92, 339, BStBl II 1968, 575, betreffend Bewertung halbfertiger Arbeiten auf fremdem Grund und Boden, und vom 2. Februar 1973 III R 134/70 unter 3., BFHE 109, 57, BStBl II 1973, 472, betreffend die Verpflichtung des Unternehmens aufgrund einer typischen stillen Beteiligung an seinem Unternehmen). Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch bei den Rentenverpflichtungen nicht vor. Der Senat stimmt dem BdF zu, daß die Verpflichtung zur Zahlung einer laufenden Rente nicht deswegen "ein größeres Gewicht hat, weil sie von einem Versicherungsunternehmen als Ausfluß der Regulierung von HUK-Schäden getragen wird". Ein solcher Ausnahmefall kann auch nicht mit der Begründung angenommen werden, daß die Bildung der Rückstellung nach den versicherungsrechtlichen Vorschriften mit einem Zinssatz von 3,5 v. H. für die Klägerin bindend ist und auch bei einer Übertragung des Versicherungsbestandes an ein anderes Versicherungsunternehmen mit diesem Zinsfuß übernommen werden muß. Das könnte nur dann von Bedeutung sein, wenn es sich um den Abzug der Dekkungsrückstellung als solche handeln würde. Bei der Bewertung der Rentenlast scheiden diese Erwägungen aus. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß die Rentenverpflichtungen nach den Vorschriften der §§ 13 bis 16 BewG bewertet werden müssen. Weil es sich um lebenslängliche Nutzungen und Leistungen handelt, kommt § 14 BewG zur Anwendung, d. h. der Wert dieser Rentenverpflichtungen bestimmt sich § 14 Abs. 1 BewG grundsätzlich nach dem Lebensalter der Person, auf deren Lebenszeit sie beschränkt sind. Dabei ist der Wert der einjährigen Nutzung oder Leistung mit den Vervielfältigern des § 14 Abs. 2 BewG zu vervielfachen. Diese Vervielfältiger berücksichtigen die für die einzelnen Lebensalter geltenden Zahlen der mittleren Lebenserwartung und die Zinsen und Zwischenzinsen nach einem Zinssatz von 5,5 v. H. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß im Streitfall eine Bewertung nach § 14 Abs. 5 BewG in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift ist, wenn der gemeine Wert der gesamten Nutzung oder Leistung nachweislich geringer oder höher ist als der Kapitalwert, der sich nach § 14 Abs. 2 BewG ergibt, der nachgewiesene gemeine Wert zugrunde zu legen. Diese Vorschrift kommt nach dem Urteil des Senats vom 24. April 1970 III R 54/67 (BFHE 99, 489, BStBl II 1970, 715) nur dann zur Anwendung, wenn die Abweichung vom Kapitalwert bei dem im Einzelfall festgestellten Sachverhalt aufgrund von Erfahrungssätzen oder nach den Denkgesetzen zwingend ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt; sie könnte nur bei einzelnen Rentenverpflichtungen in Betracht kommen, nicht aber für die gesamte Rentenverpflichtung, und zwar aus den oben dargelegten Gründen auch nicht aufgrund des Umstandes, daß die Berechnung mit einem Zinsfuß von 3,5 v. H. für die Klägerin bindend ist, und einer Übertragung des Versicherungsbestandes auf einen anderen Versicherer vom Erwerber in dieser Höhe übernommen werden muß. Die Bewertung zwischen den Beteiligten bei Übertragung eines ganzen Bestandes ist nicht geeignet, einen vom Kapitalwert abweichenden gemeinen Wert zu beweisen, denn der gemeine Wert kann nur aus einem Einzelveräußerungspreis abgeleitet werden (vgl. § 9 BewG).

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war das FG-Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70744

BStBl II 1974, 159

BFHE 1974, 162

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