Leitsatz (amtlich)

Bei der Entscheidung darüber, ob die auf Grund einer Betriebs- oder Praxisübergabe von Eltern auf Kinder gezahlte Rente des Übernehmers als Sonderausgabe oder als nichtabzugsfähige Unterhaltsrente zu behandeln ist, kann ein Geschäftswert (Praxiswert) nur insoweit berücksichtigt werden, als er als Gegenleistung eindeutig feststellbar ist und von den Beteiligten als solche angesehen wurde.

 

Normenkette

EStG 1957/1958 § 10 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1957/1958 § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuer-Veranlagungen 1957 bis 1959, ob die im Zusammenhang mit der Übernahme der Kassenarztpraxis des Vaters durch den Sohn an den Vater gezahlte Leibrente als Betriebsausgabe in voller Höhe (§ 4 Abs. 4 EStG) oder als Sonderausgabe nur in Höhe des Ertragsanteils (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abzugsfähig ist.

Der Revisionsbeklagte (Stpfl.) ist, wie sein Vater, Facharzt für innere Krankheiten. Am 1. Februar 1957 schloß er, damals 35 Jahre alt, mit seinem 72jährigen Vater einen notariellen Praxisübernahmevertrag, um von der Kassenärztlichen Vereinigung in die Kassenpraxis des Vaters eingewiesen zu werden. Er verpflichtete sich in dem von der Kassenärztlichen Vereinigung anerkannten Vertrag, dem Vater, wie es dort wörtlich hieß, als "Entschädigung für die vorzeitige Aufgabe der Kassenpraxis und gleichzeitig als Entgelt für den ideellen Wert der Praxis und besonders als Beitrag für die erforderliche Altersversorgung seines Vaters" ab 1. Juli 1957 eine lebenslängliche "Altersrente" zu zahlen. Diese wurde auf 15 v. H. - nach 7 Jahren auf 10 v. H. - der Bruttoeinnahmen bemessen.

Der Stpfl. behandelte in seinen Einkommensteuer-Erklärungen die Rentenleistungen als Betriebsausgaben. Das FA ließ sie nur in Höhe des Ertragsanteiles (14 v. H.) als Sonderausgaben zum Abzug zu. Die Einsprüche des Stpfl. blieben in diesem Punkt ohne Erfolg.

Das FG gab in seiner in der Deutschen Steuer-Zeitung, Ausgabe B, 1963 S. 257, veröffentlichten Entscheidung der Berufung des Stpfl. statt.

Das FA beantragt mit seiner Rb. die Aufhebung der Vorentscheidung. Es führt aus, daß eine betriebliche Versorgungsrente nur in Ausnahmefällen angenommen werden könne, nämlich wenn das Vorliegen privater Gründe auszuschließen sei. Ein solcher Fall sei hier, wo es sich um ein Verwandtschaftsverhältnis ersten Grades handle, nicht gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG.

1. Der Auffassung des FG, daß die an den Vater gezahlte Rente betrieblicher Natur sei, kann nicht zugestimmt werden.

Die Rechtsprechung betonte wiederholt, daß eine schwer widerlegbare Vermutung für die familiäre und außerbetriebliche Begründung einer Rente im Rahmen von unentgeltlichen Betriebs- oder Praxisübergaben spricht (vgl. BFH-Urteile IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422; IV 190/62 vom 3. August 1966, BFH 86, 807, BStBl III 1966, 679). Allerdings steht der Annahme einer betrieblichen Versorgungsrente nicht entgegen, daß auch gewisse private Beweggründe eine Rolle spielen. Es ist nicht erforderlich, daß, wie das FA meint, mitwirkende private Beweggründe gänzlich ausgeschlossen seien. Es kommt darauf an, ob die betrieblichen oder die privaten Beweggründe so überwiegen, daß dadurch das gesamte Rechtsverhältnis wirtschaftlich geprägt wird.

Die Rentenvereinbarung erlangte nicht schon dadurch betrieblichen Charakter, daß die Versorgungszusage eine Voraussetzung für die öffentlich-rechtliche Zuweisung der Kassenpraxis an den Stpfl. darstellte. Denn der wirtschaftliche Gehalt des Übergabevorgangs ändert sich nicht, wenn die Übergabe erst durch eine behördliche oder von einer sonstigen Stelle erteilte Erlaubnis ermöglicht wird.

Es trifft zwar zu, daß Praxisübergaben mit Rentenvereinbarungen auch zwischen fremden Personen vorkommen. Es kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, daß im Streitfall die Versorgungsrente weitgehend den Versorgungsbedürfnissen des gesetzlich zum Unterhalt berechtigten Vaters diente und davon ausgegangen werden muß, daß der Stpfl. seinen Vater ohnedies hätte unterhalten müssen. Diese Leistungen verlieren ihren außerbetrieblichen, familiären Charakter nicht dadurch, daß sie im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Verzicht des Vaters auf die Kassenzulassung und mit der Übergabe der Praxis erbracht werden.

Schließlich kann die betriebliche Natur der Rente auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Rentenleistung in abgestufter Form nach der Umsatzhöhe bemessen wurde. Es spricht nicht gegen das Vorliegen einer außerbetrieblichen Versorgungsrente, daß die Rente sowohl nach den Versorgungsbedürfnissen des Rentenberechtigten als auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten bemessen wird. Solchen Erwägungen trug offensichtlich die hier zu würdigende Rentenvereinbarung Rechnung. Denn die Abstufung der Umsatzbeteiligung ist vor allem unter dem Gesichtspunkt sinnvoll, daß sich der Praxisumsatz nach der Übernahme der Praxis durch den Stpfl. mit großer Wahrscheinlichkeit erhöhte, während die Versorgungsbedürfnisse des Vaters nicht im gleichen Maße stiegen.

2. Ob die Revision des FA endgültig Erfolg haben kann, ist auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht zu beurteilen. Die Entscheidung hängt davon ab, ob eine nichtabzugsfähige Unterhaltsrente (§ 12 Nr. 2 EStG) vorliegt. Ist dies der Fall, so kommt zwar grundsätzlich kein Abzug in Frage. Da aber eine Abänderung der Steuerfestsetzung zum Nachteil der Stpfl. nicht zulässig ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), bewendet es für die Streitjahre bei dem Abzug der Beträge, die das FA in den angefochtenen Bescheiden als Sonderausgaben anerkannt hatte. Liegt dagegen keine Unterhaltsrente vor, so kommt nur eine außerbetriebliche Versorgungsrente (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) in Betracht, und zwar in der Form einer dauernden Last. Sie führt zum vollen Abzug, wie ihn das FG - unter anderem Gesichtspunkt - gestattete. Eine Leibrente scheidet deshalb aus, weil sich die laufenden Bezüge nach einem Vomhundertsatz des Umsatzes bemessen (vgl. BFH-Urteil I 379/61 U vom 27. Mai 1964, BFH 80, 1, BStBl III 1964, 475).

Rentenzahlungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte, die im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs auf den Unterhaltsverpflichteten vereinbart werden, sind im allgemeinen dann in vollem Umfang keine Sonderausgaben, wenn der Unterhaltscharakter der Renten überwiegt. Ein wesentlicher Anhaltspunkt dafür kann sein, daß der Wert des übertragenen Vermögens schon bei überschlägiger Berechnung nicht wenigstens die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung erreicht (BFH-Urteil IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, a. a. O.).

Bei der hiernach vorzunehmenden Abwägung kann u. U. die Berücksichtigung eines Geschäftswerts (Praxiswerts) in Betracht kommen. Voraussetzung ist jedoch, daß im Zeitpunkt der Betriebs- oder Praxisübergabe ein solcher Wert eindeutig vorhanden war und daher angenommen werden muß, daß sich die Beteiligten dieser Tatsache bewußt waren. Denn nach ständiger Rechtsprechung unterliegt eine an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen gezahlte Rente nur dann nicht dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 2 EStG, wenn die Rente auf Grund einer - und das heißt im Hinblick auf eine - Gegenleistung zugesagt wurde (vgl. BFH-Urteile VI 27/56 U vom 8. Februar 1957, BFH 64, 550, BStBl III 1957, 207; IV 8/62 U).

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG zu prüfen haben, ob und in welcher Höhe nach diesen Grundsätzen ein Geschäftswert berücksichtigt werden darf, was nach dem vorliegenden Sachverhalt besonders wegen des hohen Alters des Vaters nicht wahrscheinlich ist. Das FG wird weiter feststellen müssen, ob bei Praxisvergrößerungen von Internisten bei sonst gleichen Verhältnissen eine so hohe Vergütung gezahlt worden wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412864

BStBl II 1968, 264

BFHE 1968, 84

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