Leitsatz (amtlich)

1. Eine befreiende Schuldübernahme kann nicht ohne weiteres daraus entnommen werden, daß das HZA sich mit der Verpflichtung des Spediteurs zur Bezahlung der Eingangsabgabenschuld des von ihm vertretenen Importeurs einverstanden erklärt und ihm dafür Zahlungsaufschub gewährt hat.

2. Kann das HZA die Forderung gegen den Spediteur nicht durchsetzen, so verstößt die Aufforderung des Importeurs zur Zahlung der Eingangsabgaben grundsätzlich nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

 

Normenkette

AO § 120 Abs. 2; ZG § 37 Abs. 2

 

Tatbestand

Im Auftrag und in Vollmacht der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beantragte eine Speditionsfirma im November 1975 die Abfertigung eingeführter Waren zum freien Verkehr. Außerdem beantragte sie mit Sammelanrechnungsanträgen, die Eingangsabgaben – mit weiteren Abgabenbeträgen für andere Einfuhren – auf das ihr – der Speditionsfirma – bewilligte Aufschubkonto anzuschreiben. Gleichzeitig verpflichtete sie sich, die als aufgeschoben angeschriebenen Beträge spätestens am 15. Dezember 1975 an die Oberfinanzkasse ohne jede Einwendung zu zahlen. Grundlage für diese Verfahrensweise war ein Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF), nach dem ein Zahlungsaufschub auch für fremde Abgabenschulden beantragt werden kann, wenn der Aufschubnehmer zu diesem Zweck (für die Schuldübernahme) einen Anrechnungsantrag einreicht, in dem er sich verpflichtet, die auf seinem Konto anzuschreibenden Abgabenbeträge spätestens am Fälligkeitstag ohne jede Einwendung an die zuständige Zollstelle zu zahlen.

Der Speditionsfirma war ein Zahlungsaufschub bis zum Höchstbetrag von 180 000 DM bewilligt worden. In dieser Höhe war der Zahlungsaufschub durch Bankbürgschaften abgesichert. Im Einfuhrzeitpunkt war das Aufschubkonto der Speditionsfirma jedoch mit einer Belastung von mehr als 500 000 DM überzogen. Nach den eigenen Angaben des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt – HZA –) waren mehrere angeschriebene Beträge zwischen 10 926,64 DM und 361 491,39 DM, die in der Zeit vom 15. Mai 1975 bis 15. November 1975 fällig geworden waren, nicht beglichen worden.

Der Zahlungsaufschub für die Abgabenschulden der Klägerin bis zum 15. Dezember 1975 wurde auf den Zollpapieren vermerkt Daraufhin überwies die Klägerin am 5. Dezember 1975 den Abgabenbetrag an die Speditionsfirma. Diese unterließ es jedoch, das Aufschubkonto bis zum 15. Dezember 1975 auszugleichen. Mit Verfügung vom 9. Dezember 1975 widerrief das HZA den der Speditionsfirma gewährten Zahlungsaufschub und forderte diese auf, die Aufschubschulden bis zum 12. Dezember 1975 zu zahlen. Mit Rücksicht auf Fusionsverhandlungen, die die Speditionsfirma mit einer anderen Firma führte, bewilligte das HZA ihr jedoch eine formlose, jederzeit widerrufliche Stundung bis zum 15. Februar 1976, die später bis zum 15. März 1976 verlängert wurde. Nach Ablauf dieser Frist machte die Verwaltung die aufgelaufenen Aufschubschulden geltend. Dabei ging sie davon aus, daß die Sicherheitsleistung der Speditionsfirma in Höhe von 180 000 DM auf die älteren, vor dem 15. Oktober 1975 fällig gewordenen Aufschubschulden anzurechnen sei und daß für die später entstandenen Verbindlichkeiten Zahlungsaufforderungen an die von der Speditionsfirma vertretenen Importeure als Zollschuldner zu richten seien. So machte das HZA mit Zahlungsaufforderung vom 23. März 1976 gegenüber der Klägerin Eingangsabgaben in Höhe von 7 572,37 DM für die Wareneinfuhren im November 1975 geltend. Die Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Auf ihre Klage hob das Finanzgericht (FG) die Zahlungsaufforderung und die Beschwerdeentscheidung auf. In der Begründung führt es aus, die Klägerin sei zwar Schuldnerin der Eingangsabgaben geworden, da die Speditionsfirma die Zollanträge im Namen und mit Vollmacht der Klägerin gestellt habe. Die Zollschuld sei auch nicht durch Zahlung erloschen, da die Speditionsfirma den ihr von der Klägerin überwiesenen Abgabenbetrag nicht weitergeleitet habe. Die überwiegenden Argumente sprächen aber dafür, daß die Speditionsfirma die Abgabenschuld der Klägerin mit befreiender Wirkung für diese übernommen habe. Gegen die Auffassung des HZA, daß es sich um eine kumulative Schuldübernahme handele, spreche vor allem, daß die Zollstelle die nach § 37 Abs. 1 des Zollgesetzes (ZG) sofort fällig werdende Abgabenschuld gegen die Klägerin hätte geltend machen müssen, da der der Speditionsfirma gewährte Zahlungsaufschub die Fälligkeit der Abgabenschuld der Klägerin bei Annahme einer kumulativen Schuldübernahme nicht berührt habe. Es brauche aber nicht entschieden zu werden, ob es sich um eine kumulative oder privative Schuldübernahme handele. Die Inanspruchnahme der Klägerin verstoße nämlich, sofern die Speditionsfirma die Abgabenschuld nicht mit befreiender Wirkung für die Klägerin übernommen habe, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Die mit der gesetzlichen Regelung in § 37 Abs. 2 ZG nicht zu vereinbarende Gewährung des Zahlungsaufschubs an Spediteure für fremde Abgabenschulden habe eine besondere Gefährdung der Schuldner zur Folge, insofern als die Importeure die auf dem Aufschubkonto der Spediteure angeschriebenen Beträge als Auslagenersatz an die Spediteure abführen müßten, ohne daß die Abgabenschuld bereits beglichen sei. Die sich daraus ergebende besondere Gefährdung dürfe die Verwaltung nicht auf die Importeure abwälzen. Sie müsse vielmehr alles tun, um diese Gefährdung abzuwenden und zu verhindern, daß aus der gesetzlich nicht vorgesehenen Gewährung des Zahlungsaufschubs für fremde Abgabenschulden Schäden für die Abgabenschuldner entstehen könnten. Im vorliegenden Fall habe die Überwachung des Zahlungsaufschubs durch die Verwaltung offensichtlich versagt. Die Aufschubsumme, die entsprechend der von der Speditionsfirma hinterlegten Sicherheit auf 180 000 DM festgesetzt worden sei, sei beginnend mit September 1975 niemals eingehalten worden. Bereits Anfang September 1975 sei das Konto um 232 169 DM und am 23. Oktober 1975 um 491 869,40 DM überzogen gewesen. Am 23. Oktober 1975 seien zwar 216 584,08 DM überwiesen worden. Dennoch sei das Konto mit 275 285,38 DM um mehr als 150 v. H. überzogen geblieben. Bei dem Zahlungsaufschub habe es sich rechtlich um die Gewährung eines weitgehend ungesicherten Kredits gehandelt, was durch § 37 Abs. 2 ZG nicht gedeckt gewesen sei. Die seit dem 15. Mai 1975 entsprechend dem Zahlungsaufschub nicht pünktlich entrichteten Beträge hätten notfalls unter Verwertung der Sicherheiten beigetrieben werden müssen. Die Schuldbeträge hätten aber nicht monatelang über den aufgeschobenen Fälligkeitstermin hinaus offengehalten werden dürfen. Diese langfristigen Versäumnisse bei der Sicherung und Überwachung des Zahlungsaufschubs seien für den entstandenen Schaden ursächlich geworden. Die Verwaltung könne nicht Schäden, die sie durch mangelnde Sorgfalt selbst verursacht habe, auf die Klägerin als Steuerpflichtige abwälzen wollen. Der Importeur könne davon ausgehen, daß das Aufschubkonto des Spediteurs ausreichend abgesichert sei und daß sich kein Risiko wegen einer erneuten Inanspruchnahme für die Abgabenschuld ergebe, sofern diese auf dem Aufschubkonto des Spediteurs angeschrieben sei.

Das FG ließ gegen das Urteil die Revision zu.

Das HZA legte mit im wesentlichen folgender Begründung Revision ein: Bei der Schuldübernahme durch die Speditionsfirma habe zumindest den für den Abgabengläubiger handelnden Zollbehörden der Wille gefehlt, die Klägerin von ihrer Abgabenschuld zu befreien. Eine Pflicht, das Aufschubkonto der Speditionsfirma zu überwachen und bei der Überschreitung der Aufschubsumme die Bewilligung des Aufschubs zu widerrufen, habe nur gegenüber dem Abgabengläubiger, aber nicht gegenüber der Klägerin bestanden. Zahlungsaufschub für übernommene fremde Schulden werde den Spediteuren ausschließlich im Interesse ihrer Kunden eingeräumt Diese über die Regelung in § 37 Abs. 2 ZG hinausgehende Vergünstigung habe allein den Zweck, die Vorfinanzierung der Eingangsabgaben zur Überbrückung des Zeitraums zwischen der Zollabfertigung und dem Eingang des Warenerlöses auch solchen Importeuren zu erleichtern, die kein eigenes Aufschubkonto besäßen.

Das HZA beantragt das Urteil des FG aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, der vom FG angenommene Verstoß des HZA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, daß das HZA die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt habe. Das HZA habe nicht in bewußter Schädigungsmöglichkeit zu ihrem – der Klägerin – Nachteil und im Interesse der Speditionsfirma handeln dürfen. Ihre Heranziehung zur Zahlung der Abgabenschulden führe bei dem gegebenen Sachverhalt und im Hinblick auf das Vorgehen des HZA zu einem rechtlich untragbaren Ergebnis, das dem Rechtsempfinden aller billig und gerecht Denkenden widerspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Das HZA war nach den Feststellungen des FG befugt, die Klägerin zur Zahlung der Eingangsabgaben aufzufordern. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin Schuldnerin dieser Eingangsabgaben geworden ist.

Es neigt jedoch – ohne das von seinem Standpunkt aus endgültig entscheiden zu müssen – zu der Annahme, die Speditionsfirma habe die Abgabenschulden der Klägerin mit befreiender Wirkung für diese übernommen, und zwar aus der Erwägung heraus, daß der Zahlungsaufschub lediglich der Speditionsfirma habe zugute kommen können, da er nur dieser gewährt worden sei, und daß das HZA demgemäß nicht befugt gewesen sei, auch nur vorübergehend von der Zahlungsaufforderung an die Klägerin abzusehen, sofern es der Auffassung gewesen sei, diese sei Abgabenschuldnerin geblieben. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob eine befreiende Schuldübernahme durch Vertrag im Steuerrecht überhaupt möglich ist (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., AO § 120 A 6). Nach den hier zu beachtenden allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen für die Begründung einer befreienden Schuldübernahme ist nämlich im Zweifel stets anzunehmen, daß ein Schuldbeitritt und nicht eine befreiende Schuldübernahme vereinbart worden ist. Das gebietet das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers an der Erfüllung seiner Forderung, nach dem im Zweifel nicht angenommen werden kann, daß er bereit ist, einen Schuldner zu verlieren. In der Regel liegt es danach vielmehr näher, daß er einen weiteren Schuldner hinzugewinnen will (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 1977 III ZR 88/76, Der Betrieb 1978 S. 2216; Weber in Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 12. Aufl., vor § 414 Rdnr. 31). Dafür, daß das hier anders gewesen sein könnte, sind keine den Zweifel ausräumenden Gesichtspunkte erkennbar. Daß das HZA die Klägerin zunächst nicht in Anspruch genommen hat, läßt keinen Schluß zu, daß es selbst von einer privativen Schuldübernahme ausgegangen ist. Sein Verhalten ist eher dahin zu deuten, daß es sich schon nach dem Sinn und Zweck der Regelung des Zahlungaufschubs für fremde Abgabenschulden durch den BdF für befugt gehalten hat, von einer Zahlungsaufforderung an die Klägerin abzusehen. Das HZA macht geltend, daß Sinn und Zweck der Regelung des Zahlungsaufschubs für fremde Abgabenschulden darin bestanden habe, auch Importeuren die Nutzung des Zahlungsaufschubs zu ermöglichen, die kein Aufschubkonto besitzen. Es liegt nahe, daß dieses Ziel mit der Regelung des Zahlungsaufschubs für fremde Abgabenschulden angestrebt worden ist. Danach konnte das HZA schon allein aufgrund der Gewährung des Zahlungsaufschubs an die Speditionsfirma davon absehen, die Klägerin zur Zahlung aufzufordern.

Entgegen der Auffassung des FG verstößt die Zahlungsaufforderung an die Klägerin auch nicht gegen Treu und Glauben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gebieten die Grundsätze von Treu und Glauben, daß im Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch setzt (vgl. Urteil vom 18. November 1958 I 176/57 U, BFHE 68, 137, BStBl III 1959, 52). Daraus folgt, daß ein Steuerpflichtiger aus dem Verhalten einer Behörde nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann Rechte herleiten kann, wenn dieses Verhalten Anlaß zu einem bestimmten Vertrauen gibt und wenn der Steuerpflichtige auf dieses Verhalten auch tatsächlich vertraut hat. Danach hätte die Klägerin aus dem Verhalten des HZA allenfalls dann Rechte herleiten können, wenn dieses Verhalten geeignet gewesen wäre, bei der Klägerin den Eindruck zu erwecken, daß das HZA nur noch die Speditionsfirma in Anspruch nehmen werde oder daß die Klägerin etwa wegen der Sicherheitsleistung der Speditionsfirma mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen brauche, und wenn die Klägerin aufgrund des Verhaltens des HZA auch tatsächlich darauf vertraut hätte, daß sie nicht mehr in Anspruch genommen werde. Das FG begründet den Verstoß des HZA gegen Treu und Glauben im Ergebnis jedoch damit, daß dieses seine Sorgfaltspflichten bei der Überwachung des der Speditionsfirma gewährten Zahlungsaufschubs verletzt und dadurch verursacht habe, daß der Anspruch gegen die Speditionsfirma nicht mehr durchsetzbar gewesen sei. Das reicht jedoch nicht aus, um einen Verstoß gegen Treu und Glauben zu begründen Daraus ergibt sich lediglich, daß das HZA nicht mit hinreichender Sorgfalt darauf bedacht gewesen ist, rechtzeitig den Zahlungsaufschub zugunsten der Speditionsfirma einzuschränken oder die Gewährung des Zahlungsaufschubs abzulehnen und daß dadurch ein Zahlungsausfall von seiten der Speditionsfirma hätte vermieden werden können. Die Ausführungen des FG enthalten jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß das HZA die Klägerin zu einem bestimmten Vertrauen veranlaßt hat und daß die Klägerin auch tatsächlich vertraut hat.

Das FG führt zwar noch aus, der Importeur könne davon ausgehen, daß das Aufschubkonto des Spediteurs ausreichend abgesichert sei, und daß sich für den Fall, daß die Abgabenschuld auf dem Aufschubkonto des Spediteurs angeschrieben sei, kein Risiko wegen einer erneuten Inanspruchnahme für die Abgabenschuld ergeben werde. Aber auch diese Ausführungen lassen nicht erkennen, daß das Verhalten des HZA der Klägerin tatsächlich zu einem solchen Vertrauen Anlaß gegeben und die Klägerin tatsächlich auch darauf vertraut hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510566

BFHE 1981, 6

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