Leitsatz (amtlich)

Die durch einen Gesellschafter verbürgte Darlehnsgewährung unterliegt nicht der Gesellschaftsteuer, wenn die Gesellschaft die erforderlichen Mittel ohne Sicherheitsleistung eines Gesellschafters von Dritten in gleicher Weise, zu gleichen Bedingungen und unter keinem höheren Risiko hätte erlangen können.

 

Normenkette

KVStG § 3 Abs. 2, 1

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH.

Sie erhielt am 15. September 1963 ein Bankdarlehen von 300 000 DM, das ab 15. Juli 1964 in vierteljährlichen Raten von je 23 000 DM zurückzuzahlen war (Abschlußzahlung vom 15. August 1967: 24 000 DM). Für diesen Kredit verbürgte sich neben anderen ein Gesellschafter der Klägerin. Die Klägerin plante Investitionen in Höhe von 715 000 DM und hat hernach Betriebsgebäude errichtet und Lastwagen angeschafft. Dafür standen ihr 415 000 DM eigene Mittel zur Verfügung.

Das FA hat gegen die Klägerin 7 500 DM Gesellschaftsteuer festgesetzt. Diese ist der Ansicht, eine Eigenkapitalzuführung sei nicht geboten gewesen. Die Klägerin behauptet: Ihr Anlagevermögen sei unbelastet; sie verfüge über Außenstände von rund 1 Million Deutscher Mark. Sie habe das Darlehen nur benötigt, um bei ihren Lieferanten Skontoabzüge zu erreichen.

Das FG hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Es geht davon aus, daß das Anlagevermögen durch Eigenkapital gedeckt sein müsse; Art, Umfang und Wert des Anlagevermögens sowie die diesen gegenüberstehenden Passiven sind nicht festgestellt. Die Entscheidung ist darauf gestützt, daß das Darlehen Investitionszwecken gedient habe. Die Rückzahlung in Teilbeträgen hält das FG für unerheblich.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Gemäß § 3 Abs. 2 KVStG gilt als Darlehen eines Gesellschafters (einer inländischen Kapitalgesellschaft an diese) auch das Darlehen eines Dritten, wenn ein Gesellschafter dafür Sicherheit leistet. Die Gewährung eines solchen Darlehens unterliegt gemäß § 3 Abs. 1 KVStG der Gesellschaftsteuer, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt.

Das erstgenannte Merkmal (§ 3 Abs. 2 KVStG) ist erfüllt (vgl. § 765 BGB). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben indessen nicht, ob eine Eigenkapitalzuführung an die Klägerin geboten gewesen wäre und diese durch die Gewährung des Darlehens unter dem speziellen Erfordernis der Sicherheitsleistung eines Gesellschafters ersetzt worden ist. Diese Voraussetzung wäre nicht erfüllt, wenn die Klägerin die erforderlichen Mittel ohne Sicherheitsleistung eines Gesellschafters von Dritten in gleicher Weise, zu gleichen Bedingungen und unter keinem höheren Risiko hätte erlangen können. Der gegenteilige Standpunkt des Urteils des BFH II 14/60 vom 8. Mai 1963 (HFR 1963, 401 [403]) ist durch die grundlegend andere Beurteilung der "gebotenen Kapitalzuführung" in dem Urteil II 162/65 vom 3. Dezember 1969 (BFH 98, 59 [67 ff.], BStBl II 1970, 279) überholt. An der dort dargelegten Auffassung (BFH 98, 67 ff., BStBl II 1970, 283) hält der Senat fest.

Demnach kann es nicht allein darauf ankommen, ob das Darlehen für Investitionen oder zu anderen Zwecken benötigt wurde (BFH 98, 74, BStBl II 1970, 286). Vielmehr ist der damalige Stand (BFH 98, 77 ff., BStBl II 1970, 287 f.) und die vorhersehbare (BFH 98, 72 und 76 f., BStBl II 1970, 285 und 287) Entwicklung (BFH 98, 78 f., BStBl II 1970, 288) des Unternehmens im ganzen zu sehen. Denn die Regel, daß Anlagevermögen grundsätzlich durch Eigenkapital gedeckt sein müsse (Umlaufvermögen dagegen nicht), ist weder wirtschaftlich zutreffend (BFH 98, 69, BStBl II 1970, 284) noch eine unabhängig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten geltende Aussage des § 3 KVStG (BFH 98, 67, BStBl II 1970, 283). Die Betrachtung muß vielmehr von der Frage ausgehen, ob die Liquiditätserfordernisse der Gesellschaft die Zuführung von Eigenkapital verlangt hätten (BFH 98, 71, BStBl II 1970, 285), sofern diese nicht durch einen der in § 3 KVStG umschriebenen Sachverhalte ersetzt worden wäre (BFH 98, 62, BStBl II 1970, 280 f.). Ein Tilgungsdarlehen kann insoweit, als es zurückbezahlt ist, eine gebotene Eigenkapitalzuführung nicht mehr ersetzen (BFH 98, 80, BStBl II 1970, 289).

Es kommt also darauf an, ob die Klägerin, sofern sie sich nicht eines unordentlichen Geschäftsgebahrens schuldig machen wollte (BFH 98, 73, BStBl II 1970, 286), entweder sich von den Gesellschaftern echtes Eigenkapital hätte zuführen lassen (BFH 98, 62, BStBl II 1970, 280 f.) oder ihr bisheriges Geschäftsvolumen hätte einschränken oder von einer beabsichtigten Ausweitung des Geschäftsvolumens hätte absehen müssen (BFH 98, 73, BStBl II 1970, 286), falls der der Besteuerung unterworfene Sachverhalt nicht verwirklicht worden wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Kapitalbedarf im weiteren Sinne - also ohne Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital - in nahezu allen Fällen besteht, in denen die Gesellschaft ein Darlehen entgegennimmt; dieser Gesichtspunkt allein führt noch nicht zur Steuerpflicht. Vielmehr ist bei dem Darlehen (§ 3 Abs. 1 KVStG) oder der Stundung (§ 3 Abs. 3 KVStG) eines Gesellschafters maßgebend, ob - wenn das vorhandene Kapital die Erhaltung der Liquidität nicht sichert - die Gesellschaft damit rechnen kann, rechtzeitig genügend befristetes Fremdkapital Außenstehender in genügender Höhe zu annehmbaren Bedingungen zu bekommen (BFH 98, 71, BStBl II 1970, 285). Wenn und soweit damit unter dem Maßstab eines nicht unordentlichen Geschäftsgebahrens gerechnet werden darf, scheidet die Steuerpflicht aus (BFH 98, 73, BStBl II 1970, 286), wobei allerdings ein Darlehen, das nur mittels Sicherheitsleistung eines Gesellschafters zu erlangen wäre, wegen § 3 Abs. 2 KVStG außer Betracht bleiben muß.

Im vorliegenden Fall ist ein Fremd-Darlehen gewährt worden. Dieses gilt aber gemäß § 3 Abs. 2 KVStG als Darlehen eines Gesellschafters, weil ein solcher sich dafür verbürgt, also Sicherheit geleistet hat. Damit ist indessen nichts darüber ausgesagt, ob das Darlehen eine durch die Sachlage gebotene (Eigen-) Kapitalzuführung ersetzte. Entsprechend dem Falle des § 3 Abs. 1 KVStG ist daher zu prüfen, ob die Klägerin das Darlehen - von dieser Bank oder einem anderen fremden Gläubiger - auch ohne Verbürgung eines Gesellschafters hätte erhalten können.

Insoweit ist der Hinweis der Klägerin auf ihr unbelastetes Anlagevermögen beachtlich. Andererseits ist aber auch zu prüfen, ob das im damaligen Zeitpunkt etwa noch unbelastete Anlagevermögen, soweit es seinem Gegenstand nach sinnvoll belastungsfähig war (die Sicherungsübereignung beweglicher Sachen steht Grundpfandrechten nicht durchweg gleich), nach dem Unternehmens- und Finanzierungsplan (BFH 98, 78, BStBl II 1970, 288) zur Sicherheit für künftige Darlehen bestimmt war oder als notfalls noch belastbare Reserve für etwaigen künftigen Kapitalbedarf unbelastet bleiben mußte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412994

BStBl II 1972, 185

BFHE 1972, 148

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