Leitsatz (amtlich)

Enden zwei aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre in einem Kalenderjahr und bilden daher die Gewinne dieser beiden Wirtschaftsjahre das Einkommen des Kalenderjahrs, so müssen die Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften seit Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Wirtschaftsjahrs ununterbrochen vorliegen.

 

Normenkette

KStG §§ 5, 19 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften in einem Fall, in dem zwei Wirtschaftsjahre in einem Veranlagungszeitraum enden, in beiden Wirtschaftsjahren erfüllt sein müssen.

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) war bis 30. September 1961 eine GmbH mit einem Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September. Am 1. Oktober 1961 wurde sie durch formwechselnde Umwandlung eine AG. Gleichzeitig wurde das Wirtschaftsjahr unter Einschaltung eines Rumpfwirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 auf das Kalenderjahr umgestellt. Die Voraussetzungen einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG waren für das Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961, nicht aber für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 erfüllt.

Der Revisionsbeklagte (das FA) besteuerte bei der vorläufigen Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1961 das Einkommen, das aus den getrennt ermittelten Gewinnen des Wirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961 und des Rumpfwirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 bestand, nach dem Normaltarif des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG.

Einspruch und Klage, mit denen die Steuerpflichtige begehrte, auf das Ergebnis des Wirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961 den Tarif für personenbezogene Kapitalgesellschaften nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG anzuwenden, blieben ohne Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1967, 369 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG, daß die dort genannten Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften seit Beginn des Wirtschaftsjahrs ununterbrochen vorliegen müssen, sei so zu verstehen, daß die einzelnen Voraussetzungen seit Beginn des Wirtschaftsjahrs bis zum Ende des Gewinnermittlungszeitraums oder der Gewinnermittlungszeiträume vorliegen müßten, deren Gewinn in dem zu versteuernden Einkommen enthalten sei. Bei einer anderen Auslegung ergebe sich eine unzulässige Aufteilung des Einkommens.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen.

Die Steuerpflichtige rügt unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Im einzelnen führt sie aus: Dem Gesetz könne nur entnommen werden, daß die Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften seit Beginn des Wirtschaftsjahrs ununterbrochen bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs, nicht bis zum Ende des Kalenderjahrs, vorliegen müßten. Auf den Gewinn dieses Wirtschaftsjahrs sei dann der Tarif nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG anzuwenden, auch wenn im folgenden Rumpfwirtschaftsjahr, dessen Gewinn ebenfalls im Einkommen des Veranlagungszeitraums enthalten sei, die Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien. Das KStG habe in keiner Vorschrift verboten, für die Einkünfte, die in einem Kalenderjahr zu versteuern seien, verschiedene Tarife anzuwenden. § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG erlaube dies sogar, da die Vorschrift über das zeitliche Vorliegen der Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf das Wirtschaftsjahr abstelle. Die Ergebnisse des Wirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961 und des Rumpfwirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 seien nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich klar voneinander abgrenzbar und böten eine ausreichende Grundlage für die Anwendung verschiedener Steuertarife.

Die Steuerpflichtige beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung des FA und den Körperschaftsteuerbescheid 1961 aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1961 dergestalt festzusetzen, daß sie für das Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961 nach dem Tarif des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG besteuert wird und nur für den Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 der Körperschaftsteuerberechnung § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG zugrunde gelegt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet. Das Einkommen der Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1961 ist, auch soweit es aus dem Gewinn des Wirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961 besteht, nach dem Normaltarif des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu versteuern.

Der Tarif für personenbezogene Kapitalgesellschaften ist nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG anzuwenden auf unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften mit einem Vermögen von nicht mehr als 5 Mill. DM, bei denen seit Beginn des Wirtschaftsjahrs ununterbrochen mehrere im Gesetz aufgeführte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine dieser Voraussetzungen ist, daß bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien die Aktien auf Namen lauten müssen. Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des FG seit dem 1. Oktober 1961, dem Tage, seit dem die Steuerpflichtige als AG besteht, nicht erfüllt, da die Aktien der Steuerpflichtigen auf den Inhaber lauten. Das wirkt sich entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen nicht nur auf die Versteuerung des Gewinns des Rumpfwirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961, sondern auf die Versteuerung des ganzen Einkommens des Veranlagungszeitraums 1961 aus. Dieses Einkommen besteht aus dem Gewinn des Wirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1960 bis 30. September 1961 und dem Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahrs vom 1. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961. Denn beide Wirtschaftsjahre enden im Kalenderjahr 1961 (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KStG).

Richtig ist, daß § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG mit den Worten „bei denen seit Beginn des Wirtschaftsjahrs ununterbrochen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind” auf das Wirtschaftsjahr und nicht auf das Kalenderjahr abstellt. Daher ist der Tarif nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG auch anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft während des Kalenderjahrs neu gegründet wird und mit einem Rumpfwirtschaftsjahr bis 31. Dezember beginnt. § 21 KStDV, der als Voraussetzung für die Anwendung des Schachtelprivilegs eine Dauer der Beteiligung von mindestens 12 Monaten vorschreibt, kann nicht auf die Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG erstreckt werden. Wenn im Kalenderjahr zwei Wirtschaftsjahre enden und das zu versteuernde Einkommen daher aus den Gewinnen beider Wirtschaftsjahre besteht, müssen nach Ansicht des FG die besonderen Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften während der Dauer beider Wirtschaftsjahre ununterbrochen erfüllt sein. Diese Auffassung stellt dem Gesetz entsprechend auf das Wirtschaftsjahr und nicht auf das Kalenderjahr ab. Sie berücksichtigt nur die Tatsache, daß nicht der Gewinn eines Wirtschaftsjahrs, sondern die Gewinne zweier Wirtschaftsjahre im Einkommen des Kalenderjahrs enthalten sind. In diesem Fall hält es die Steuerpflichtige für richtig, daß für jedes der beiden Wirtschaftsjahre geprüft wird, ob die Voraussetzungen für personenbezogene Kapitalgesellschaften ununterbrochen vorgelegen haben und daß, wenn die Frage für ein Wirtschaftsjahr zu bejahen und für das andere zu verneinen ist, auf die Gewinne der beiden Wirtschaftsjahre verschiedene Tarife angewandt werden. Diese Aufteilung des Einkommens steht im Widerspruch zu dem gesetzlichen Gebot, daß sich die Körperschaftsteuer nach dem Einkommen bemißt, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahrs bezogen hat (§ 5 KStG), und daß auf dieses Einkommen ein bestimmter Steuersatz anzuwenden ist (§ 19 KStG). Nach diesen Vorschriften stellt das Einkommen eine Einheit dar und darf ohne besondere gesetzliche Erlaubnis nicht in seine Bestandteile zerlegt werden. Darin allein, daß § 19 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KStG auf das Wirtschaftsjahr abstellt, kann keine Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit des Einkommens erblickt werden. Denn die Vorschrift ist nicht so zu verstehen, daß zwingend auf das einzelne Wirtschaftsjahr abzustellen sei, sondern auf das Wirtschaftsjahr und nicht auf das Kalenderjahr. Der Singular „des Wirtschaftsjahrs” erklärt sich daraus, daß das Gesetz von dem Normalfall ausgeht, daß der Gewinn eines einzigen Wirtschaftsjahrs im Einkommen des Kalenderjahrs enthalten ist. Daraus ergibt sich zwanglos die Folgerung, daß für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Gewinne zweier zusammenhängender Wirtschaftsjahre das Einkommen bilden, die Vorschrift wie folgt zu lesen ist: „und bei denen seit Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Wirtschaftsjahrs ununterbrochen die folgenden Voraussetzungen vorliegen”.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557501

BStBl II 1970, 788

BFHE 1971, 36

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