IAB und Sonderabschreibung bei Betriebsaufgabe

Die Nutzungsvoraussetzungen des § 7g EStG sind im Fall der Aufgabe des Betriebs im Jahr nach der Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsguts erfüllt, auch wenn das Wirtschaftsgut im Aufgabejahr nicht für ein volles Kalenderjahr, sondern lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahrs betrieblich genutzt wird (gegen BMF-Schreiben vom 20.11.2013, BStBl I 2013, 1493, Rz 36, 37, 58).

Hintergrund: Anschaffung in 2014 und Betriebsaufgabe im Lauf des Folgejahrs

Die X betrieb im Streitjahr 2014 ein gewerbliches Einzelunternehmen mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. In ihrer Gewinnermittlung für 2012 hatte sie einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) als Betriebsausgabe abgezogen (40 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten eines PKW). Im Mai 2014 erwarb sie den PKW. Im Juli 2015 gab sie ihren Betrieb auf.

Das FA vertrat die Auffassung, der IAB sei rückgängig zu machen, weil der Betrieb vor dem Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahres aufgegeben worden sei. Der PKW sei damit vor Ablauf der Mindestnutzungsdauer aus dem Betrieb ausgeschieden.

X wandte ein, im Rahmen des § 7g EStG sei auch ein Rumpfwirtschaftsjahr als vollgültiges Wirtschaftsjahr anzusehen. Sie habe den PKW bis Ende des Rumpfwirtschaftsjahrs 2015 ausschließlich betrieblich genutzt.

Das FG gab der Klage statt. Die Betriebsaufgabe sei nicht als Verletzung der Nutzungsfrist anzusehen. Das Wirtschaftsjahr 2015 habe mit der Betriebsaufgabe im Juli  2015 vorzeitig geendet. Bis dahin habe die betriebliche Nutzung vorgelegen. Das Rumpfwirtschaftsjahr sei ein vollständiges Wirtschaftsjahr.

Entscheidung: Die Nutzung in einem Rumpfwirtschaftsjahr genügt

Der BFH teilt die Auffassung des FG. Die Nutzungsvoraussetzung ist in Fällen der Betriebsaufgabe im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung auch dann erfüllt, wenn das Wirtschaftsgut nicht für ein volles Kalenderjahr betrieblich genutzt wird.

Rumpfwirtschafsjahr als volles Wirtschaftsjahr

Bei Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn – wie hier die X – durch Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln, ist zwar das Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG). Dieser Grundsatz wird aber durch § 8b EStDV ergänzt. Danach umfasst das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von zwölf Monaten (§ 8b Satz 1 EStDV). Nach § 8b Satz 2 EStDV darf es aber in bestimmten Fällen – wie hier der Betriebsaufgabe - einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen (Rumpfwirtschaftsjahr). Trotz des Wortlauts "darf" wird die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahrs in den genannten Fällen als zwingend angesehen (vgl. zur unentgeltlichen Betriebsübergabe BFH vom 22.11.2018 - VI R 50/16, BStBl II 2019, 313, Rz. 33). Die durch § 8b EStDV ergänzten Definitionen des § 4a EStG stehen im selben Abschnitt des EStG wie § 7g EStG. Es gibt daher nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass der gesetzlich definierte Begriff des "Wirtschaftsjahrs" innerhalb der durch eine amtliche Überschrift gebildeten und zusammengefassten Normgruppe der §§ 4 bis 7i EStG mit unterschiedlichen Inhalten zu füllen sein könnte.

Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung

Die Heranziehung des § 8b EStDV für den Begriff des Wirtschaftsjahres entspricht zudem der Rechtsprechung zur früheren Ansparabschreibung und zum Gewinnzuschlag nach § 7g EStG a.F. Diese gilt hinsichtlich der Heranziehung des § 8b EStDV unverändert auch für den IAB fort. Dem Gesetzgeber war die Rechtsprechung zum Begriff des Wirtschaftsjahrs im Rahmen des § 7g EStG a.F. bekannt. Er hat aber davon abgesehen, die Nutzung über einen Zeitraum von vollen zwölf Monaten vorauszusetzen. Auch der grundsätzliche Normzweck des § 7g EStG ist unverändert geblieben.

Zurückverweisung an das FG

Der BFH musste die Sache aus 2 Gründen an das FG zurückverweisen: Zum einen war der Tenor des FG-Urteils zu unbestimmt. Es hatte die Berechnung des neu festzustellenden Gewinns nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen, ohne die hierfür erforderlichen Berechnungsgrundlagen anzugeben. Zum anderen hat sich das FG lediglich mit der zeitlichen Komponente der Nutzungsvoraussetzung befasst. Es fehlen Feststellungen dazu, ob X den PKW im Nutzungszeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt hat.

Hinweis: Abweichende BMF-Auffassung

Die Auffassung des BFH entspricht der weitgehenden Schrifttumsmeinung. Der BFH widerspricht allerdings der Verwaltungsauffassung in dem BMF-Schreiben v. 20.11.2013, BStBl I 2013, 1493, Rz. 37. Danach liegt eine schädliche Verwendung vor, wenn das Wirtschaftsgut vor dem Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung/Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs aus dem begünstigten Betrieb ausscheidet. Allein schon aufgrund der Wortauslegung ist der BFH-Auffassung zuzustimmen. Wie dagegen der gedachte Fall zu behandeln wäre, dass das Wirtschaftsgut am 30.12. angeschafft und der Betrieb am 2.1. des Folgejahres aufgegeben wird, wurde vom BFH ausdrücklich offen gelassen.

BFH Urteil vom 28.07.2021 - X R 30/19 (veröffentlicht am 28.10.2021)

Alle am 28.10.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



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