Kostentragung bei Einholung eines Verkehrswertgutachtens für Zwecke der Grundsteuer
Hintergrund: Nachweis eines niedrigen Grundstückswerts nach § 38 Abs. 4 LGrStG BW
Ein anderer (niedrigerer) Wert des Grundstücks kann auf Antrag angesetzt werden, wenn der durch ein qualifiziertes Gutachten nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens zum Zeitpunkt der Hauptfeststellung mehr als 30 Prozent von dem nach dem sog. modifizierten Bodenwertmodell (= Grundstücksfläche x Bodenrichtwert) ermittelten Wert abweicht.
Sachverhalt: Kostenentscheidung des Finanzgerichts nach Erledigung der Hauptsache
- Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks. Das Grundstück hat eine Fläche von 4.013 qm und befindet sich in einer Bodenrichtwertzone, für die der Bodenrichtwert vom zuständigen Gutachterausschuss auf den 1.1.2022 auf 150 EUR/qm festgestellt wurde. Mit Grundsteuerwertbescheid stellte das Finanzamt (FA), den Grundsteuerwert auf 601.900 EUR fest.
- Gegen den Grundsteuerwertbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Er trug vor, laut städtebaulichem Vertrag sei nur eine Teilfläche von 2.064 qm des Grundstücks zu Bauland umgewandelt worden. Die Restfläche von 1.949 qm sei im Vertrag als „unbebaubare Grünfläche” ausgewiesen. Deshalb könnten auch nur 2.064 qm als Bauland angesetzt werden. Zum Nachweis legte er den entsprechenden „städtebaulichen Vertrag“ vor.
- Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Bei dem Grundstück handle es sich insgesamt um Grundvermögen. Im Übrigen wies es den Kläger bereits während des Einspruchsverfahrens auf die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Wertes gemäß § 38 Abs. 4 LGrStG hin.
- Der Kläger erhob daraufhin Klage beim FG Baden-Württemberg. Dieses wies den Kläger darauf hin, dass die Bodenrichtwerte im Grundsatz verbindlich seien und der Kläger ein Gutachten nach § 38 Abs. 4 LGrStG in Auftrag geben könne. Das Gericht hole kein Gutachten ein.
- Daraufhin beauftragte der Kläger den zuständigen Gutachterausschuss mit der Erstellung eines Gutachtens. Im Gutachten wurde der Verkehrswert des Grund und Bodens mit 355.000 EUR eingeschätzt. Dabei wurde eine Teilfläche von 2.178 qm mit 150 EUR/qm und die Restfläche von 1.835 qm mit 15 EUR/qm für Freizeit- und Gartenlandfläche bewertet.
- Das FA erkannte das Gutachten als Nachweis im Sinne des § 38 Abs. 4 LGrStG an und setzte den Grundsteuerwert auf 355.000 EUR herab. Die Beteiligten erklärten hierauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Der Kläger beantragte nun, die Kosten des Verfahrens einschließlich der Sachverständigenkosten dem Finanzamt aufzuerlegen. Das FA beantragte demgegenüber, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Der Kläger sei im Einspruchsverfahren wiederholt auf das Erfordernis eines Gutachtens nach § 38 Abs. 4 LGrStG hingewiesen worden.
Entscheidung: Kostenentscheidung nach billigem Ermessen gem. § 138 Abs. 1 FGO
Holt der Steuerpflichtige erst während des finanzgerichtlichen Verfahrens als Nachweis nach § 38 Abs. 4 LGrStG BW ein Gutachten ein, erkennt das Finanzamt das Gutachten als Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwerts an, setzt es den Grundsteuerwert sowie den Grundsteuermessbetrag entsprechend dem Gutachten herab und erklären die Beteiligten hierauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, so ist die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen.
Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens im Urteilsfall dem Finanzamt aufzuerlegen
Auch wenn der Steuerpflichtige das Gutachten bereits während des Verwaltungsverfahrens einholen hätte können und sollen, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens dem Finanzamt aufzuerlegen, wenn die vom Steuerpflichtigen durch den niedrigeren Grundsteuerwert im sechsjährigen Hauptveranlagungszeitraum erzielte Grundsteuerersparnis die Kosten des Gutachtens um mehr als das Doppelte übersteigt, wenn der vom Finanzamt zunächst angesetzte Grundsteuerwert zu einer erheblichen Überbewertung geführt hätte und die die Ursache des niedrigeren tatsächlichen Werts des Grundstücks (nur eingeschränkte Bebaubarkeit der Immobilie) schon während des Verwaltungsverfahrens offenkundig war.
Aus Nachweispflicht folgt nicht stets Pflicht zur Kostentragung
Es erscheint aus der im Streitfall vor Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG maßgeblichen Sicht des Steuerpflichtigen nicht ermessensgerecht, wenn aus seiner Nachweispflicht nach § 38 Abs. 4 LGrStG stets und automatisch eine Pflicht zur Tragung der Kosten des Nachweises gemäß § 137 Satz 1 FGO folgen würde, die keine Rücksicht auf die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der im Einzelfall entstehenden Kosten nimmt und dadurch geeignet wäre, den Steuerpflichtigen von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuschrecken und dazu zu bewegen, eine Überbewertung seines Grundstücks im Sinne des § 38 Abs. 4 Satz 1 LGrStG hinzunehmen.
FG Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.10.2025, 8 K 626/24.
Hinweis: Verhältnis der Gutachterkosten zur Steuerersparnis
Durch die im Urteilsfall erfolgte Änderung des angefochtenen Grundsteuerwert- und des Grundsteuermessbescheids reduzierte sich die jährliche Grundsteuer – bei einem Hebesatz der berechtigten Gemeinde von derzeit 270 % – um 606,63 EUR. Bezogen auf den Zeitraum, in dem dieser Grundsteuerwert der Besteuerung zugrunde gelegt wird, nämlich von 1.1.2025 bis 1.1.2029 zuzüglich zweier Jahre, also insgesamt sechs Jahre beim ersten Hauptveranlagungszeitraum, beträgt die Verringerung der Steuerlast 3.639,80 EUR. Dem standen im Urteilsfall 1.514,28 EUR an Kosten für das Gutachten gegenüber.
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