Festsetzungsfrist beginnt erst mit Erklärungseinreichung
Grundsätzliches
Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Abweichend von diesem Grundsatz verschiebt sich der Beginn der Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist. Dann beginnt die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige eingereicht wird (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Vom BFH zu klärende Frage
Der BFH musste nunmehr u.a. über die Frage entscheiden, ob bereits die Anzeige einer Schenkung gegenüber dem Finanzamt oder erst die sodann eingereichte Steuererklärung zum Beginn der Festsetzungsfrist führt.
Sachverhalt: Schenkungsanzeige in 2014 – Erklärungseinreichung 2015 – Steuerbescheid 2019
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter einer Immobilienverwaltungsgesellschaft (GmbH).
- Der Kläger erhielt im September 2014 von seiner Mutter einen Geldbetrag i.H.v. 4 Mio. EUR mit der Auflage, den zugewandten Geldbetrag nach Abzug der voraussichtlich fälligen Schenkungsteuer als Eigenkapital in die GmbH einzubringen, damit diese ein bebautes Grundstück erwirbt.
- Ein bebautes Grundstück wurde durch die GmbH erworben und der Kaufpreis wurde am 30.12.2014 gezahlt. Der Kläger hatte zuvor einen Betrag von 3,7 Mio. EUR auf das Konto der GmbH eingezahlt und 300.000 EUR zur Begleichung der Schenkungsteuer zurückbehalten.
- Der Kläger zeigte die Schenkung im Dezember 2014 beim Finanzamt an und ging von einer „mittelbaren Anteilsschenkung“ aus. Zugleich erklärte er eine Vorschenkung i.H.v. 400.000 EUR.
- Anfang 2015 reichte der Kläger die vom Finanzamt angeforderte Schenkungsteuererklärung ein. Der Erklärung war eine Anlage zur "Grundbesitzbewertung" beigefügt, wonach der Grundbesitzwert für das von der GmbH erworbene Grundstück mit rd. 1,5 Mio. EUR ermittelt wurde.
- Das Finanzamt setzte die Schenkungsteuer entsprechend unter Vorbehalt der Nachprüfung fest.
- Im März 2019 teilte das Finanzamt dem Kläger mit, dass der ursprüngliche Schenkungsteuerbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig sei.
- Im August 2019 wurde eine erneute Schenkungsteuererklärung eingereicht. Dabei wird eine weitere Geldschenkung in Höhe von 300.000 EUR angezeigt. Diese bezieht sich auf den Teil der Barschenkung der Mutter, die für die Zahlung der Schenkungsteuer zurückbehalten wurde.
- Das Finanzamt setzte entsprechend Schenkungsteuer Ende 2019 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.
- Das Finanzamt änderte Anfang 2020 den angefochtenen Bescheid und berücksichtigte einen vom Betriebsstättenfinanzamt der GmbH auf den 31.12.2014 festgestellten Grundbesitzwert.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, aufgrund der im Jahr 2014 erfolgten Anzeige der Schenkung sei bei Erlass des Schenkungsteuerbescheides 2019 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Dem folgte das Finanzamt nicht.
Das FG Münster verneinte den Eintritt der Festsetzungsverjährung (FG Münster, v. 24.11.2022, 3 K 3384/20 Erb).
Entscheidung: Keine Festsetzungsverjährung eingetreten
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH begründet dies im Wesentlichen wie folgt:
- Die vierjährige Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 Alt. 1 AO). Bei einer Schenkung unter Lebenden entsteht die Schenkungsteuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
- Abweichend davon beginnt die Festsetzungsfrist erst dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, indem die Erklärung, die Anmeldung oder die Anzeige eingereicht beziehungsweise erstattet wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
- Zwar wird nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Anlaufhemmung alternativ durch die Einreichung der Steuererklärung beziehungsweise Steueranmeldung oder durch die Erstattung der Anzeige beendet.
- Nach Auffassung des BFH soll der Zeitpunkt der ordnungsgemäß erstatteten Anzeige (§ 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG) nicht maßgeblich für den Beginn der Festsetzungsverjährung sein, wenn das Finanzamt aufgrund der Anzeige eine Steuererklärung anfordert.
- Für den Streitfall begann die Festsetzungsfrist damit mit Ablauf des Jahres 2015, so dass sie erst 2019 endete und die Schenkungsteuer 2019 noch festgesetzt werden konnte.
- Auch materiell-rechtlich wurde der Schenkungsteuerbescheid nicht beanstandet.
Praxisfolgen
Gerade mit Blick auf den bevorstehenden Jahreswechsel kommt auch der Festsetzungsverjährung eine große Bedeutung zu. Durch die Einreichung von Erklärungen noch 2025 wird erreicht, dass die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahresendes 2025 beginnt.
Die Rezensionsentscheidung ist über das Verfahrensrecht hinaus auch materiell-rechtlich bedeutsam. Als Schenkung gilt nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt; die vom Finanzamt durchgeführte Substanzermittlung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG hat der BFH nicht beanstandet. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine Schenkung; sie soll im wesentlichen Besteuerungslücken bei disquotalen Einlagen schließen. Der BFH hat hierzu jüngst in einem AdV-Verfahren entschieden, dass eine Werterhöhung der Anteile von Mitgesellschaftern durch Einzahlungszuordnung zum jeweils leistenden Gesellschafter verhindert werden kann (BFH, Beschluss v. 6.6.2025, II B 43/24 (AdV), BFH/NV 2025, 1232).
BFH, Urteil v. 27.8.2025, II R 1/23; veröffentlicht am 27.11.2025
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