BFH

Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG auf Besitz-Personengesellschaften in Schenkungsfällen


 Auslegung des § 50i EStG

§ 50i Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des KroatienAnpG setzt als modifizierte Rechtsgrundverweisung auf Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift eine Übertragung oder Überführung des betreffenden Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft voraus.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG gelten dann, wenn Wirtschaftsgüter vor dem 29.6.2013 Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft geworden sind, die deswegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, weil der Steuerpflichtige sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt, die Sätze 1 und 3 der Vorschrift sinngemäß.

§ 50i Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile im Sinne des § 17 EStG, die vor dem 29.6.2013 in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt worden sind und bei denen im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung eine Besteuerung der stillen Reserven unterblieben ist, Folgendes an:

  • Der Gewinn aus der späteren Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter, den ein Steuerpflichtiger erzielt, der im Sinne eines DBA in einem anderen Vertragsstaat ansässig ist, ist ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen dieses DBA zu versteuern.
  • Nach § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG erstreckt sich die Versteuerung – ebenfalls ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen eines DBA – auch auf laufende Einkünfte aus der Beteiligung an der Personengesellschaft, auf die die in Satz 1 genannten Wirtschaftsgüter oder Anteile übertragen oder überführt wurden. § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG ist hinsichtlich der laufenden Einkünfte aus Beteiligungen an der Personengesellschaft in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 48 Satz 2 EStG).

Sachverhalt: Drittstaaten-Dividende

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine im Streitjahr 2015 von der S Ltd. an den Kläger ausgeschüttete Dividende in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) der Besteuerung unterliegt. Der vom BFH zu beurteilende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Der Kläger lebt und arbeitet in den Vereinigten Staaten von Amerika (Vereinigte Staaten). Er hat in Deutschland keine Wohnung inne und hält sich dort allenfalls kurzfristig auf.
  • Der Kläger ist als Kommanditist an der A GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Im Streitjahr betrug seine Beteiligung an Vermögen und Gewinn der KG 14 %. Weitere Kommanditisten der KG sind X und Y sowie B und C. Die KG hat ihren Sitz in Deutschland. Ihre Geschäfte werden durch die ebenfalls im Inland ansässige Komplementärin, die V GmbH, geführt.
  • An der V GmbH waren zu jeweils 50 % der Kläger und B beteiligt; Geschäftsführer waren bis Dezember 2015 X und B, danach allein B.
  • Die KG verpachtete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen Anlagevermögen an die inländische Z GmbH (Betriebsunternehmen). Eine weitere gewerbliche Tätigkeit – neben der Verpachtung des Anlagevermögens – übte sie nicht aus.
  • Ursprünglich war X alleiniger Anteilseigner der Z GmbH. Zudem hielt er jedenfalls im Jahr 2008 sämtliche Anteile an der S Ltd., die in seiner Sonderbilanz bei der KG bilanziert wurden. Die S Ltd. hat ihren Sitz in der Republik Singapur (Singapur).
  • Im Jahr 2010 übertrug X durch Schenkungs- und Abtretungsverträge jeweils 24 % seiner Anteile am Stammkapital der Z GmbH sowie der damit verbundenen Stimmrechte sowie jeweils 50 % seiner Anteile an der S Ltd. unentgeltlich auf den Kläger und B.
  • Mit der Übertragung wurden die vormals im Sonderbetriebsvermögen des X bei der KG bilanzierten Anteile an der S Ltd. nunmehr jeweils in Höhe der Hälfte des Buchwerts im Sonderbetriebsvermögen des Klägers und des B bei der KG bilanziert.
  • Im Übertragungszeitpunkt war der Kläger bereits nach dem DBA-USA in den Vereinigten Staaten steuerlich ansässig.
  • Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG für 2010 wurde, wie von der KG erklärt, die Übertragung der Anteile an der Z GmbH und an der S Ltd. als eine Übertragung zu Buchwerten nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr.  EStG behandelt. Das FA schloss sich dieser Würdigung im Nachgang einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 an. Daher wurde der Bescheid der KG über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 nur im Hinblick auf andere Punkte geändert. Der zuvor bestehende Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Der Änderungsbescheid wurde nicht angefochten.
  • Im Jahr 2012 übertrug X mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag jeweils weitere 25 % der Geschäftsanteile der Z GmbH unentgeltlich auf den Kläger und B, wobei er das mit diesen Anteilen verbundene Recht zur Stimmrechtsausübung zurückbehielt.
  • Im Streitjahr schüttete die S Ltd. eine Dividende an den Kläger aus. Diese Dividende wurde im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG für das Streitjahr 2015 zunächst nicht (als Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen) berücksichtigt. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
  • Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, der Anteil des Klägers an der S Ltd. sei nach § 50i Abs. 1 EStG steuerverhaftet, weshalb die im Streitjahr zugeflossenen Dividenden als laufende Beteiligungserträge in Deutschland zu versteuern seien.
  • Dementsprechend änderte das FA mit Bescheid vom 26.2.2020 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG für das Streitjahr und erhöhte die dem Kläger zuzurechnenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb um Sonderbetriebseinnahmen in entsprechender Höhe.

Die dagegen mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage blieb erfolglos. Das FG hat sie als unbegründet abgewiesen. Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG für 2015 vom 26.2.2020 dahingehend zu ändern, dass der für den Kläger festgestellte Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen auf 0 EUR herabgesetzt wird.

Entscheidung: Verweisung in § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG ist modifizierte Rechtsgrundverweisung

Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil hält in materiell-rechtlicher Hinsicht der rechtlichen Prüfung nicht stand. Ob eine Besteuerung in Deutschland in Bezug auf die von der S Ltd. gezahlte Dividende auf § 50i Abs. 1 EStG gestützt werden kann, kann auf der Grundlage der bislang vorliegenden tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.

Zur näheren Begründung führen die Richter u.a. aus:

  • Die von § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG angeordnete sinngemäße Geltung des Satzes 1 bedeutet, dass – entgegen der Sichtweise des FG – sämtliche in diesem Satz genannten Tatbestandsmerkmale auch bei der Prüfung des Satzes 4 erfüllt sein müssen (modifizierte Rechtsgrundverweisung); eine Modifikation erfolgt lediglich insoweit, als dass die Übertragung oder Überführung eines in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Wirtschaftsguts nicht in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft erfolgen muss, sondern in das Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft oder eines Besitz-Einzelunternehmens im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.
  • Die Übertragung oder Überführung eines in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Wirtschaftsguts muss jedoch – abweichend von der Rechtsansicht des FG – "von außen" in das Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft vorgenommen worden sein; maßgeblicher Anknüpfungszeitpunkt für die Prüfung, ob eine Übertragung oder Überführung im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG stattgefunden hat, ist daher der Zeitpunkt, zu dem das Wirtschaftsgut erstmals in das (Sonder-)Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft gelangt ist. Ein Transfer von Wirtschaftsgütern innerhalb des Betriebsvermögens derselben Personengesellschaft zwischen ihrem Gesamthands- und ihrem Sonderbetriebsvermögen oder zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen ist keine (weitere) Überführung "in" das Betriebsvermögen der Personengesellschaft.
  • Durch die (unentgeltliche) Übertragung der Anteile an der S Ltd. auf den Kläger sind die Anteile nicht "von außen" in das Betriebsvermögen der KG überführt worden. Die Überführung erfolgte nach den Feststellungen des FG aus dem Sonderbetriebsvermögen des X bei der KG. Durch diesen Transfer von Sonderbetriebsvermögen innerhalb der KG kann der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG nicht verwirklicht worden sein.
  • Eine Übertragung oder Überführung kann nur dann ohne Aufdeckung stiller Reserven im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG erfolgt sein, wenn das maßgebliche Wirtschaftsgut überhaupt über stille Reserven verfügt hat. Hieran fehlt es insbesondere, wenn die Herstellung oder der entgeltliche Erwerb des Wirtschaftsguts mit dem Zeitpunkt, zu dem es Betriebsvermögen der Personengesellschaft geworden ist, zusammenfällt.
  • Ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG, das ohne Aufdeckung stiller Reserven in ein Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft übertragen worden ist, bleibt nach § 50i EStG steuerverhaftet, wenn es im Wege der Schenkung ohne Aufdeckung stiller Reserven und ohne Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft zivilrechtlich auf eine andere Person übertragen wird; die Rechtsfolgen des § 50i Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG können in diesem Fall auch erstmals bei dem Rechtsnachfolger eintreten.
  • Da § 50i Abs. 1 EStG an das Unterlassen der Besteuerung stiller Reserven im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung anknüpft, ist für die Prüfung, ob die Anteile die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllen, auf die jeweils im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung gültige Fassung des § 17 EStG abzustellen.
  • Die Vorentscheidung beruht auf einer abweichenden rechtlichen Beurteilung und ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen lassen sich weder sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG bejahen noch ist die Anwendung der Vorschrift – wie vom Kläger vertreten – ausgeschlossen.

BFH, Urteil v. 16.7.2025, I R 13/22; veröffentlicht am 11.12.2025

Alle am 11.12.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


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