Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung der Rechtswidrigkeit einer außer Kraft getretenen verbindlichen Zolltarifauskunft

 

Leitsatz (NV)

1. Tritt eine verbindliche Zolltarifauskunft vor Klageerhebung außer Kraft, so kann - nur - die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO beantragt werden.

2. Zur Frage des berechtigten Interesses an der Feststellung (1.) und zur Möglichkeit nachträglichen Übergangs auf Feststellungsklage.

 

Normenkette

FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 67 Abs. 1; ZG § 23 Abs. 3

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin die verbindlichen Zolltarifauskünfte (vZTA) . . . vom 30. Juli 1987, in denen sie aus Glas und unedlem Metall bestehende ,,Pflanzhäuser" dreier Modelle als mechanisch gefertigte Glaswaren zum Ausschmücken von Wohnungen der Tarifnr. 70.13 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zuwies. Die Einsprüche der Klägerin, mit denen diese die Anwendung der Tarifnr. 83.06 GZT (u. a. Ziergegenstände zur Innenausstattung) anstrebte, wurden zurückgewiesen (Einspruchsentscheidungen vom 3. Dezember 1987). Mit ihren durch Schriften vom 11. Januar 1988 erhobenen Klagen beantragte die Klägerin, die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und die OFD zu verpflichten, neue vZTA mit Zuweisung der Waren zu Tarifnr. 83.06 GZT zu erteilen.

Die OFD hat die Streitigkeiten in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil die vZTA infolge der Tarifrechtsänderungen zum 1. Januar 1988 außer Kraft getreten seien.

Die Klägerin hat sich dieser Erklärung nicht angeschlossen. Sie meint, jedenfalls bis zum 31. Dezember 1987 komme es darauf an, ob die vZTA richtig oder falsch gewesen seien. Sie - Klägerin - habe die Zölle nach der von ihr für richtig gehaltenen Tarifierung abgerechnet.

 

Entscheidungsgründe

Über die Klagen wird gemeinsam entschieden (§ 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie sind abzuweisen, nachdem die angefochtenen vZTA vor Erhebung der Klagen, nämlich mit Ablauf des Jahres 1987, außer Kraft getreten sind, denn damit ist ein Erledigungsfall eingetreten, ein Rechtsschutzinteresse für die Klagebegehren nicht mehr gegeben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, 335, BStBl II 1986, 21). Daß die vZTA außer Kraft getreten sind, ergibt sich daraus, daß die in ihnen angewendeten Rechtsvorschriften des GZT (Verordnung [EWG] Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den GZT, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 172/1, in der zuletzt geltenden Fassung) geändert - aufgehoben - worden sind (§ 23 Abs. 3 des Zollgesetzes; Art. 16, Art. 17 Satz 2 der Verordnung [EWG] Nr. 2658/ 87 - VO Nr. 2658/87 - des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den GZT, ABlEG L 256/1). Nunmehr gilt ein neues System kombinierter Warennomenklatur als Bestandteil des neuen GZT (Art. 4 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3 und Anhang I VO Nr. 2658/87), ein System, das sich nach Anlage und Aufbau von dem GZT vollständig unterscheidet, teils auch durch neue materiell-rechtliche Auffächerungen (so in den Positionen 7013 und 8306 der Kombinierten Nomenklatur, die den Tarifnrn. 70.13 und 83.06 GZT entsprechen).

Nachdem die vZTA außer Kraft getreten sind, hätte eine Sachentscheidung nur aufgrund eines (zulässigen) Feststellungsantrags i. S. von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO getroffen werden können. Einem solchen Antrag steht nicht entgegen, daß die Erledigung - hier auch hinsichtlich der Weigerung, vZTA im Sinne der Tarifauffassung der Klägerin zu erteilen - schon vor Klageerhebung eingetreten ist (BFH-Urteile vom 7. August 1979 VII R 14/77, BFHE 128, 346 f., BStBl II 1979, 708; vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518 f., BStBl II 1984, 790, und vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23 f., BStBl II 1986, 435; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 100 Anm. 41; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 5821, jeweils mit Hinweisen, auch auf Gegenstimmen; Kühn/ Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl. 1987, § 100 FGO Bem. 1 e). Ein Feststellungsantrag kommt auch nach Außerkrafttreten einer vZTA in Betracht (Senat, Urteil vom 17. Januar 1978 VII K 7/76, BFHE 124, 150). Die Klägerin hat indessen einen solchen Antrag nicht gestellt. In dem Hinweis, zumindest bis zum Ablauf des Jahres 1987 sei es auf die Rechtmäßigkeit der ihr erteilten vZTA angekommen, kann ein Feststellungsbegehren noch nicht gesehen werden, denn damit will die Klägerin nur erklären, daß nach ihrer Ansicht die Zolltarifrechtsänderungen keine Erledigung bewirkt haben. Dem Vorbringen der Klägerin könnte im übrigen auch nicht entnommen werden, daß sie ein für einen Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erforderliches Interesse hat. Hinsichtlich der Anforderungen an die Geltendmachung eines Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer außer Kraft getretenen vZTA verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 124, 150, 152 sowie auf das Urteil vom 29. April 1980 VII K 5/77 (BFHE 130, 568, 570, BStBl II 1980, 593; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 1986 VIII R 123/86, BFHE 148, 426, 428, BStBl II 1987, 248; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Anm. 42). Der Umstand, daß die Klägerin - wie sie vorträgt - Zölle ,,abgerechnet" hat, die bei Anwendung der Tarifnr. 83.06 GZT auf eingeführte ,,Pflanzhäuser" entfallen, ist für sich allein nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung zu begründen.

Ob die Klägerin noch nachträglich auf Fortsetzungsfeststellungsklagen übergehen könnte, erscheint fraglich, da - wie ausgeführt - die (ursprünglichen) Klagen unzulässig sind (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Anm. 10, mit Hinweisen). Der Senat hat jedoch keine Veranlassung, hierüber schon jetzt zu entscheiden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 67

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