Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigtes Interesse für Fortsetzungsfeststellungsklage wegen verbindlicher Zolltarifauskunft

 

Leitsatz (NV)

1. Wird nach Erledigung der angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskunft unter Hinweis auf künftige Einfuhren Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben, so ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zu verneinen, wenn nicht dargetan ist, daß zolltariflich gleiche Waren eingeführt werden sollen.

2. Zur zolltariflichen Gleichartigkeit von Mineralien als Sammlungsstücke.

 

Normenkette

FGO § 100 Abs. 1 S. 4; ZG § 23 Abs. 2-3; GZT Tarifnr. 99.05

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte dem Kläger, der einen Fachhandel mit Mineralien betreibt, die verbindlichen Zolltarifauskünfte (vZTA) . . . über ,,Fluorit X CaF

2 (Flußspat)" und . . . über ,,Quarzkristallaggregat (Selution Quarz SiO2 )". Sie wies diese Mineralien nicht, wie vom Kläger für richtig gehalten, der Tarifnr. 99.05 des Gemeinsamen Zolltarifs - GZT - (mineralogische Sammlungsstücke) zu, sondern sprach sie trotz ihrer anerkannten Besonderheiten (Schönheit; Sammlerwert) als Flußspat der Tarifstelle 25.31 A bzw. Quarz der Tarifnr. 25.06 an. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Verpflichtungsklagen, mit denen er sein Tarifierungsbegehren, auch gestützt auf von ihm vorgelegte Begutachtungen, weiterverfolgte. Nach Außerkrafttreten der vZTA infolge der Zolltarifrechtsänderungen am 1. Januar 1988 ging der Kläger in beiden Verfahren zur Fortsetzungsfeststellungsklage über. Er führt dazu aus, der neue Zolltarif enthalte in der Position 9705 eine weitgehend gleichlautende Definition mineralogischer Sammlungsstücke. Er - Kläger - beabsichtigte auch weiterhin, besonders wertvolle und einmalige mineralogische Sammlungsstücke einzuführen, die in ihrer Einzigartigkeit und ihrem Wert den tarifierten Stücken entsprächen. Eine verbindliche Auslegung des Begriffs ,,Sammlungsstück" für den mineralogischen Bereich und eine verbindliche Zuweisung des Flußspats und des Kristallaggregats sei für ihn - Kläger - daher weiter von erheblichem Interesse. Dies gelte insbesondere, nachdem der erkennende Senat durch Urteil vom 20. Oktober 1987 VII K 16, 21-23/87 (BFHE 151, 266; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1988, 74 mit Anmerkung) wissenschaftlich einmalige Fossilien entsprechend ihrer stofflichen Beschaffenheit tarifiert habe. Der vorgelegte Flußspat sei im Vergleich zu gewöhnlichen Fluoriten ganz besonders selten, das Kristallaggregat sogar einmalig. Einen ausdrücklichen Antrag hat der Kläger nicht gestellt. Sinngemäß beantragt er festzustellen, daß die beiden erledigten vZTA rechtswidrig gewesen sind. Er regt an, wegen der Tarifierung eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einzuholen.

Die OFD, die zunächst die Abweisung der Klagen aus Sachgründen beantragt hatte, hat die Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Über die Klagen wird gemeinsam entschieden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie sind unzulässig, weil das für die vom Kläger nunmehr, nach Erledigung der angefochtenen vZTA, begehrte Feststellung erforderliche berechtigte Interesse (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) fehlt.

Die angefochtenen vZTA sind mit Ablauf des Jahres 1987 außer Kraft getreten. Dies ergibt sich daraus, daß die in ihnen angewendeten Rechtsvorschriften des GZT (Verordnung [EWG] Nr. 950/68 - VO Nr. 950/68 - des Rates vom 28. Juni 1968 über den GZT, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 172/1, in der zuletzt geltenden Fassung) geändert - aufgehoben - worden sind (§ 23 Abs. 3 des Zollgesetzes - ZG -; Art. 16, Art. 17 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 - VO Nr. 2658/87 - des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den GZT, ABlEG Nr. L 256/1). Damit haben sich die vZTA im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erledigt (Senat, Urteil vom 17. Januar 1978 VII K 7/76, BFHE 124, 150, 152). Davon gehen - zutreffend - auch die Parteien aus.

Daß der Kläger ursprünglich in erster Linie einen Verpflichtungsanspruch verfolgte, steht der Zulässigkeit des Übergangs zur Feststellungsklage nicht entgegen (Senat, Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, 506, BStBl II 1976, 459). Zulässigkeitsvoraussetzung ist jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, das anzuerkennen ist, wenn es durch die Sachlage aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeler Sicht gerechtfertigt ist (Senat, Urteil vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, 570, BStBl II 1980, 593; Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Mai 1985 IV R 172/83, BFHE 143, 506, 508, BStBl II 1985, 579). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.

Eine verbindliche Zolltarifauskunft entfaltet die ihr eigentümliche Wirkung nur für ,,die tariflich gleiche Ware" (§ 23 Abs. 2 Satz 1 ZG), d. h. für Waren der in der Auskunft im einzelnen beschriebenen Art und Beschaffenheit (Senat, Urteil vom 31. Januar 1978 VII R 12/77, BFHE 124, 401, 406). Diese Funktion der verbindlichen Zolltarifauskunft ist auch zu beachten, wenn nach ihrer Erledigung ihre Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll (zu den Anforderungen an die Fortsetzungsfeststellungsklage Senat in BFHE 130, 568, 570, BStBl II 1980, 593), weil künftig ,,entsprechende" Waren eingeführt werden sollen. Ein derart begründetes Interesse des Feststellungsklägers kann als berechtigt nur gelten, wenn es sich dabei um zolltariflich gleichartige Waren handelt. Fehlt die Gleichartigkeit, so ist die begehrte Feststellung nicht geeignet, zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu führen, was indessen für die Anerkennung eines berechtigten Interesses im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO vorausgesetzt wird (vgl. Gräber / von Groll, FGO, 2. Aufl. 1987, § 100 Anm. 42).

Für die Streitfälle kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger künftig Waren einführen wird, die den in den erledigten vZTA angesprochenen Stücken zolltariflich gleich sind. Dies liegt auf der Hand, wenn die Tarifauffassung des Klägers zuträfe, die Mineralien also Sammlungsstücke im Sinne der Tarifnr. 99.05 GZT (jetzt Position 9705 der Kombinierten Nomenklatur) wären. Denn Sammlungsstücke müssen (verhältnismäßig) selten sein; daraus folgt notwendig, daß die zolltarifliche Behandlung eines Sammlungsstücks keine Schlüsse auf die Tarifierung anderer, ähnlich erscheinender Stücke zuläßt (Senat in BFHE 151, 266, 269). Aber auch wenn die Mineralien nicht im strengen Sinne selten sind - mit der Folge, daß die Tarifnr. 99.05 ausscheidet und die Zuweisung zu einem Stoff-Kapitel in Betracht zu ziehen ist -, wären solche Schlüsse kaum möglich. Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt sich, daß die tarifierten Stücke jeweils für sich Besonderheiten aufweisen, die sie deutlich von vertretbaren Sachen (,,gewöhnliche" Fluorite oder Quarze) unterscheiden. Schon dadurch erscheint es grundsätzlich ausgeschlossen, tariflich (genau) gleiche Waren, d. h. Waren der in den vZTA im einzelnen beschriebenen Art, vorzulegen. Die Tarifierung von Mineralien hängt von den Merkmalen der einzelnen Stücke ab, von ihrer genauen stofflichen Beschaffenheit, dem Grad einer Bearbeitung usw. Rückschlüsse auf andere Stücke sind, soweit überhaupt, nur mit größter Vorsicht zulässig. Sie könnten allenfalls in Betracht kommen, wenn genau bestimmte Mineralien etwa eines Fundorts in größerer Menge auf den Markt gebracht werden sollen. Derartiges hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Seine auf Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne abgestellte Begründung läßt vielmehr erkennen, daß er die Mineralien für besonders selten oder einmalig hält, auch wenn er diese Seltenheit oder Einmaligkeit durch den Hinweis wieder in Frage stellt, von ihm künftig einzuführende Stücke würden ,,in ihrer Einzigartigkeit" und ihrem Wert den beiden tarifierten Mineralien entsprechen.

Da aus diesen Gründen über die Fortsetzungsfeststellungsklagen nicht in der Sache entschieden werden kann, braucht auf die Anregung des Klägers, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415693

BFH/NV 1988, 748

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