Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Erwerb eines Betriebes i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG

 

Leitsatz (NV)

Ein Betrieb i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG wird erworben, wenn die zu übertragenden Wirtschaftsgüter unmittelbar vor dem Übertragungsakt bei dem Veräußerer einen Betrieb i. S. eines selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens bildeten. Der Betrieb muß als solcher auf den Erwerber übergehen. Er muß von dem Erwerber fortgeführt werden können. Darauf, ob der Erwerber den Betrieb tatsächlich als solchen fortführt oder ob er ihn in einem anderen Betrieb aufgehen läßt, kommt es nicht an.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 1973 bis 1977 einen Schuheinzelhandel in A. Ende 1972 erwarb sie das Schuhhaus ,,K" in B und führte es unter Beibehaltung des Firmennamens als Zweigniederlassung ihres Schuheinzelhandels in A. fort. Als Kaufpreis zahlte sie u. a. eine Leibrente.

Nach einer Außenprüfung setzte das FA die Rentenzahlungen dem Gewinn gemäß § 8 Nr. 2 GewStG und die Rentenverbindlichkeit dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG wieder hinzu. Einspruch, Klage und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 8 Nr. 2 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb u. a. Renten und dauernde Lasten wieder hinzugerechnet, die mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) wirtschaftlich zusammenhängen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt wurden. Aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG ergibt sich eine entsprechende Hinzurechnungsfolge zum festgesetzten Einheitswert des gewerblichen Betriebes für die Verbindlichkeiten, auf die die Renten und dauernden Lasten i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG zurückzuführen sind, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen wurden. Zu diesen Rechtsfolgen hat das Finanzgericht (FG) in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin zum 1. Januar 1973 das Schuhhaus K käuflich erworben hat, wobei der Kaufpreis teilweise in einer Einmalzahlung und teilweise in einer Kaufpreisrente (Leibrente) bestand. Die Klägerin hat das Schuhhaus unter Beibehaltung seines Firmennamens als weitere Zweigniederlassung fortgeführt. Da bezüglich dieser tatsächlichen Feststellungen keine Revisionsrügen erhoben wurden, ist der erkennende Senat an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Aus ihnen ergibt sich, daß das FG für den Streitfall Hinzurechungen gemäß §§ 8 Nr. 2 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zutreffend bejaht hat.

2. Die von der Klägerin gezahlte Rente stellt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG als eine Leibrente dar. Leibrenten bzw. die ihnen zugrunde liegenden Verpflichtungen fallen typischerweise unter §§ 8 Nr. 2 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es im Streitfall auch nicht an einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines Betriebes. Unter dem Begriff ,,Erwerb" ist der Vorgang der Anschaffung in der Form der entgeltlichen Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (hier:) über einen Betrieb (Teilbetrieb) von einem Dritten auf den Steuerpflichtigen zu verstehen. Der Begriff erfordert schon bei wortgetreuer Auslegung einen Betrieb (Teilbetrieb), der zumindest unmittelbar vor der Vollziehung des Übertragungsaktes existent war. Ein Betrieb wird i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG dann erworben, wenn die zu übertragenden Wirtschaftsgüter unmittelbar vor dem Übertragungsakt bei dem Veräußerer einen Betrieb i. S. eines selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens bildeten. Der Betrieb muß als solcher auf den Erwerber übergehen. Er muß von dem Erwerber fortgeführt werden können. In diesem Sinne beziehen sich die Begriffe ,,Veräußerung" und ,,Erwerb" eines Betriebes auf denselben Übertragungsakt, wobei der Begriff ,,Veräußerung" den Vorgang aus der Sicht des Veräußerers und der Begriff ,,Erwerb" den Vorgang aus der Sicht des Erwerbers beleuchtet. Darauf, ob der Erwerber den Betrieb als solchen tatsächlich fortführt oder ihn in einem anderen Betrieb aufgehen läßt, kommt es nicht an (vgl. für den Begriff ,,Veräußerung": Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 16 EStG Anm. 106; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 16 Anm. 8). Ebenso ist es unerheblich, ob der bisherige Betriebsinhaber über den Zeitpunkt der Übertragung hinaus in dem Betrieb arbeitet. Der Betriebsinhaber ist kein Wirtschaftsgut des zu erwerbenden Betriebes (Teilbetriebes). Die Auffassung des Senats entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteile vom 6. Februar 1962 I 197/61 S, BFHE 74, 506, BStBl III 1962, 190; vom 13. Januar 1966 IV 76/63, BFHE 84, 461, BStBl III 1966, 168; vom 22. November 1972 I R 124/70, BFHE 108, 202, BStBl II 1973, 403), die auf einer Wortinterpretation des Begriffs ,,Erwerb" beruht und nur Selbstverständliches wiedergibt.

Die Klägerin vergleicht den Streitfall zu Unrecht mit dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 12. September 1979 I R 146/76 (BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51) zugrunde liegt. Dieses BFH-Urteil betrifft die Gründung eines Teilbetriebes und nicht den Erwerb eines Betriebes. Die Gründung und der Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) sind selbständig nebeneinander stehende Tatbestandsvoraussetzungen, die nicht miteinander vermengt werden dürfen. Für die Gründung eines Teilbetriebes ist es selbstverständlich, daß derselbe vor dem Gründungszeitpunkt noch nicht bestanden haben kann. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Forderung, auch beim Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) müsse derselbe unverändert vom Erwerber fortgeführt werden. Vielmehr schließen sich die Gründung und der Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) tatbestandsmäßig wechselseitig aus. Gerade deshalb ist aber davon auszugehen, daß der Gesetzgeber an beide Tatbestände unabhängig voneinander die Rechtsfolgen der §§ 8 Nr. 2 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG anknüpfen wollte.

Die Auffassung des Senats entspricht auch dem Sinn der Vorschriften. Diese wollen - wie schon vom FG eingehend dargelegt - den objektiven Gewerbeertrag ermitteln, der sich ergibt, wenn man den Gewinn des Betriebes losgelöst von seinen besonderen Beziehungen zum Betriebsinhaber ermittelt. Die Rentenzahlungen sind ein Aufwand, der nur auf den besonderen Umstand zurückzuführen ist, daß die Klägerin das Schuhhaus entgeltlich erworben hat. Die Rentenzahlungen sind kein Aufwand, der mit dem Betrieb eines Schuhhauses an sich zusammenhängt. Dies wird deutlich, wenn man an den Betrieb in der Zeit vor dem 1. Januar 1973 denkt. Damals mußte der Veräußerer keine Rentenzahlungen entrichten. Es ist gerade der Sinn der §§ 8 Nr. 2 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG, solche persönlichen Verpflichtungen des Betriebsinhabers aus der Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals zu eliminieren.

4. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die Rentenzahlungen bei der Gewinnermittlung abgesetzt worden. Außerdem hat die Rentenverpflichtung den Einheitswert des gewerblichen Betriebes gemindert. Dann aber sind die vom FG bestätigten Hinzurechnungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415403

BFH/NV 1988, 326

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