Entscheidungsstichwort (Thema)

Verknüpfung eines Zurechnungsbescheides mit der Art und Wertfortschreibung

 

Leitsatz (NV)

Hebt das FG eine Art- und Wertfortschreibung auf, so darf es auch die damit verbundene Zurechnungsfortschreibung nicht bestehen lassen.

Es gibt keine Rechtsprechungstendenz, wonach ein Einfamilienhaus mit dem gewerblichen oder freiberuflichen Anbau grundsätzlich eine wirtschaftliche Einheit bildet.

 

Normenkette

BewG § 2 Abs. 1, § 70 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer zu je 1/2 eines Grundstücks, das seit 1963 mit einem Einfamilienhaus bebaut ist; sie bewohnen dieses Haus selbst. Ab 1965 errichteten sie einen unterkellerten eingeschossigen Anbau, der zunächst im Rohbau blieb.

Im August 1983 vermieteten die Kläger den Anbau mit Ausnahme eines Raumes im Keller an einen . . .arzt zum Betrieb einer Praxis. Diese wurde Ende 1983 in eingeschränktem Umfang errichtet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in dem Anbau eine selbständige wirtschaftliche Einheit und bewertete diese zum 1. Januar 1984 durch Nachfeststellung als Geschäftsgrundstück mit einem Einheitswert von 49 500 DM.

Mit ihrem Einspruch machten die Kläger vergeblich geltend, der Anbau sei zum 1. Januar 1984 noch nicht fertiggestellt gewesen und sei keine besondere wirtschaftliche Einheit. Zumindest sei er zu hoch bewertet worden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob die Artfeststellung und die Wertfeststellung zum 1. Januar 1984 auf.

Der Bescheid zum 1. Januar 1984 sei die Zusammenfassung dreier Bescheide, nämlich über Artfeststellung, Wertfeststellung und Zurechnung.

Nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden sei der Zurechnungsbescheid.

Der angefochtene Artfeststellungsbescheid sei rechtswidrig.

Zwar sei der Anbau am 1. Januar 1984 entgegen der Ansicht der Kläger fertiggestellt gewesen. Er sei aber entgegen der Auffassung des FA keine selbständige wirtschaftliche Einheit und habe daher zum 1. Januar 1984 nicht selbständig bewertet werden dürfen.

Damit sei auch die Wertfeststellung hinfällig.

Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 543 veröffentlicht.

Mit seiner Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG-Urteil muß aufgehoben werden, weil das FG zu Unrecht den Zurechnungsbescheid zum 1. Januar 1984 hat bestehen lassen und weil der festgestellte Sachverhalt die Entscheidung nicht trägt.

a) Das FG hat den Bescheid des FA zum 1. Januar 1984 als die Zusammenfassung dreier Bescheide, nämlich über Art- und Wertfeststellung sowie über die Zurechnung angesehen und (nur) die beiden erstgenannten Bescheide aufgehoben. Diese Auffassung über die formal-rechtliche Natur des Bescheides entspricht zwar der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 13. November 1981 III R 116/78, BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88). Das FG hat aber übersehen, daß der Zurechnungsbescheid nach Aufhebung der Art- und der Wertfeststellung ebenfalls nicht mehr fortbestehen konnte. War der Anbau nach Ansicht des FG keine besondere wirtschaftliche Einheit, so gab es demnach auch keine solche Einheit, die den Klägern hätte zugerechnet werden können. Das FG hätte daher den Zurechnungsbescheid allein nicht bestehen lassen dürfen.

b) Darüber hinaus enthält das angefochtene Urteil nicht die zur Entscheidung des Falles notwendigen Tatsachenfeststellungen. Diese lassen offen, ob der Anbau und das Wohnhaus eine wirtschaftliche Einheit i. S. des § 70 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) bilden.

Irgendeine Rechtsprechungstendenz, Einfamilienhäuser mit gewerblich oder freiberuflich genutzten Anbauten grundsätzlich als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen, gibt es entgegen der Ansicht des FG nicht. Was als wirtschaftliche Einheit anzusehen ist, bestimmt sich vielmehr gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 1 Satz 4 BewG angeführten Merkmale und damit nach objektiven und subjektiven Merkmalen (BFH-Urteil vom 25. Februar 1983 III R 71/82, BFHE 138, 468, BStBl II 1983, 552).

Ein solches (für eine wirtschaftliche Einheit sprechendes) objektives Merkmal sieht das FG darin, daß der Anbau und das Wohnhaus auf nur einem Grundstück im Rechtssinne stehen. Das ist aber kein brauchbarer Maßstab; denn ein bewertungsrechtliches Grundstück i. S. des § 70 Abs. 1 BewG kann auch in einem Teil eines Flurstückes bestehen (BFHE 138, 468, BStBl II 1983, 552). Zwar weist das FG außerdem darauf hin, daß die Eingänge in die Gebäudeteile nebeneinander liegen und nur über einen gemeinsamen Zugang über das Grundstück erreicht werden können. Dies verlange den Inhabern der Gebäudeteile ein Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme ab, die insbesondere die Veräußerbarkeit des Einfamilienhauses nach heutiger, fortentwickelter Verkehrsauffassung erschwere, weil dessen Wohncharakter durch den Publikumsverkehr der benachbarten Arztpraxis beeinträchtigt werde. Nebeneinander liegende Hauseingänge sind jedoch für Reihenhäuser oder Doppelhäuser nichts außergewöhnliches. Gerechtfertigt wäre daher die Ansicht des FG nur dann, wenn in dieser Gegend (örtliche Gewohnheit) solche verdichtete Bauweise nicht üblich ist, der Bewohner eines Hauses also den unmittelbar benachbarten Eingang eines fremden Gebäudes nicht in Kauf nehmen würde. In dieser Hinsicht fehlen aber tatsächliche Feststellungen des FG.

Schließlich fehlen auch in dem angefochtenen Urteil Ausführungen zu den eingangs genannten subjektiven Merkmalen, insbesondere zur Zweckbestimmung und der sich hieraus möglicherweise ergebenden wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 4 BewG). Zwar ist es möglich, daß hier solche Merkmale nicht vorliegen. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Urteils ergibt sich das jedoch nicht.

2. Die Sache muß daher zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen sowie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung der Sache an das FG zurückverwiesen werden. Diesem Gericht wird auch die Kostenentscheidung übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden (§ 90 Abs. 2, § 121 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416023

BFH/NV 1990, 15

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