Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulagenbegünstigung von Schaftmaschinen, die mit Webmaschinen verbunden sind

 

Leitsatz (NV)

Elektronische Schaftmaschinen, die an Webmaschinen eingesetzt werden, behalten wegen ihrer (im Streitfall) losen Verbindung mit den Webmaschinen, ihrer unterschiedlichen tatsächlichen Nutzungsdauer, ihrer Austauschbarkeit und wegen des Bestehens eines eigenen Marktes ihre selbständige Bewertbarkeit und sind daher mögliches Objekt einer Förderung durch Investitionszulagen.

 

Normenkette

InvZulG 1982/1986 § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine im ehemaligen Zonenrandgebiet belegene Kammgarnweberei, in der sie Stoffe für Damenoberbekleidung herstellt. Im Jahre 1985 schaffte sie eine elektronisch gesteuerte Schaftmaschine vom Typ X an, im Jahre 1987 56 solche Maschinen. Die Investitionen standen im Zusammenhang mit einer grundlegenden Rationalisierung des Betriebs. Die (neuen) Schaftmaschinen wurden mit den bereits vorhandenen, z. T. schon im Jahre 1984 angeschafften Webmaschinen der Klägerin verbunden. Zu diesem Zweck wurden jeweils die alten, mechanisch betriebenen Schaftmaschinen abgeschraubt und die seitlich neben die Webmaschinen gesetzten neuen Schaftmaschinen angeschraubt sowie die Elektroleitungen der Web- und der neuen Schaftmaschinen miteinander verdrahtet.

Die Klägerin machte in ihren Anträgen auf Investitionszulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1982/1986) für die Jahre 1985 und 1987 (Streitjahre) u. a. die Anschaffungskosten der neuen Schaftmaschinen geltend. Die nach § 2 Abs. 1 InvZulG 1982/1986 erforderliche Bescheinigung des Bundesamts für Wirtschaft lag vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gewährte die Zulagen zunächst durch Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (§ 164 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Schaftmaschinen hätten nach der Verbindung mit den Webmaschinen ihre selbständige Bewertbarkeit verloren und seien daher nicht mehr mögliches Objekt einer Begünstigung. Es änderte die Bescheide und forderte die auf die Anschaffungskosten der Schaftmaschinen entfallenden Zulagen zurück. Außerdem setzte es Zinsen fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage ab. Es führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 460 veröffentlichten Urteil u. a. aus, es läge zwar eine nur lose Verbindung vor, die jederzeit wieder gelöst werden könnte; dies falle gegenüber den anderen, hier zu beachtenden, Kriterien jedoch nicht ins Gewicht. Schaft- und Webmaschinen dienten einem einheitlichen Zweck und seien technisch so aufeinander abgestimmt, daß keine der Maschinen für sich genommen ein Produkt herstellen könnte. Eine Schaftmaschine habe eine derart dienende Funktion, daß eine Webmaschine für sich allein betrachtet als negativ geprägt erscheine. Die Tatsache, daß auch einfache Exzentermaschinen oder Jacquardmaschinen an den Webmaschinen verwendet werden könnten, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen; im Betrieb der Klägerin würden im Hinblick auf die von ihr produzierten Stoffe ausschließlich Schaftmaschinen verwendet. Angesichts der betrieblichen Gegebenheiten müsse davon ausgegangen werden, daß die Verbindung der Schaftmaschinen mit den Webmaschinen auf Dauer angelegt sei. Auch aus den vorgelegten Prospekten sei zu ersehen, daß eine Schaftmaschine nur das räumlich ausgelagerte Herzstück der Webmaschine sei.

Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese eine Verletzung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1982/1986 rügt. Zur Begründung trägt sie vor, es komme bei der Entscheidung der Frage, ob ein eigenständiges Wirtschaftsgut vorliege, nicht auf dessen Nutzungsfähigkeit, sondern auf dessen Bewertbarkeit an. Die nur lose Verbindung zwischen Schaft- und Webmaschinen spreche für eine selbständige Bewertbarkeit. Darüber hinaus habe das FG zu Unrecht unterstellt, die Maschinen seien dauerhaft verbunden. Aus dem FG-Urteil gehe vielmehr hervor, daß die Schaftmaschinen an bereits vorhandenen Webmaschinen eingesetzt worden seien. Außerdem wichen die Nutzungszeiten voneinander ab. Weiterhin beweise der gesonderte Verkauf von Schaftmaschinen einerseits und Webmaschinen andererseits, daß keine dauerhafte Verbindung eingetreten sei. Das Argument des FG, die Maschinen seien technisch aufeinander abgestimmt und könnten für sich betrachtet kein Produkt herstellen, gehe fehl. Die selbständige Bewertbarkeit ergebe sich aus der Kombinationsmöglichkeit von Webmaschinen mit verschiedenen Typen von Schaftmaschinen bzw. Exzentern oder Jacquardmaschinen. Zu Unrecht habe das FG aus der Unvollständigkeit einer Webmaschine deren negatives Gepräge abgeleitet. Gerade bei Schaft- und Webmaschinen sei kein solches Gepräge gegeben, da für beide Maschinentypen ein Markt bestehe. Dies zeige auch der Streitfall. Die Klägerin habe die früher genutzten mechanischen Schaftmaschinen durch elektronische ersetzt, ohne die Webmaschinen zur gleichen Zeit generell zu erneuern. Die alten Maschinen seien am Markt für ca. ... DM je Exemplar veräußert worden.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Investitionszulagen unter Einbeziehung der Anschaffungskosten für die Schaftmaschinen festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Zur Begründung führt es u. a. aus, eine möglicherweise unterschiedliche Abnutzung von Schaftmaschinen einerseits und Webmaschinen andererseits bedeute nicht, daß es sich um jeweils selbständige Wirtschaftsgüter handele. Vielmehr weise die in Abstimmung mit den jeweiligen Wirtschaftszweigen aufgestellte sog. AfA-Tabelle des Bundesministeriums der Finanzen (AfA-Tabelle) in der Tabellenliste Nr. 56 (Gewerbliche Erzeugung und Aufbereitung von Spinnstoffen, Spinnerei, Weberei) unter den laufenden Nrn. 6.9 und 6.10 "Automatische Webmaschinen (auch mit Schaftmaschinen ... )" ebenso wie unter der Nr. 6.14 "Jacquardmaschinen" die gleiche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von sieben Jahren aus.

Ein Ersatz der Schaftmaschine durch einfache Exzenter- oder Jacquardmaschinen sei eine nur theoretische Möglichkeit. Das FG habe sich bei der Prüfung eines etwaigen negativen Gepräges von Schaft- und Webmaschinen zu Recht von der Verkehrsanschauung leiten lassen. Die Verkehrsfähigkeit der Schaftmaschinen und/oder der Webmaschinen sei ohne Bedeutung. Bei einer Bejahung der selbständigen Bewertbarkeit der Schaftmaschinen sei es schwierig, diese Eigenschaft z. B. auch einem Kfz-Motor abzusprechen.

Schließlich könne die Verbindung zwischen den Webmaschinen und den (neuen) Schaftmaschinen nicht als lediglich "lose" beurteilt werden. Für eine Verbindung der beiden Maschinen seien mehrtägige Montagearbeiten erforderlich, die zudem nur speziell geschulte Fachleute ausführen könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Festsetzung der Investitionszulagen sowie der Rückforderungszinsen in der von der Klägerin begehrten Höhe (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht die selbständige Bewertbarkeit und damit die Zulagenbegünstigung der neuen Schaftmaschinen verneint.

1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1982/1986 war u. a. die Anschaffung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen durch die sog. Regionalzulage begünstigt.

Ein neues bewegliches Wirtschaftsgut, das bestimmungsgemäß mit einem anderen Wirtschaftsgut verbunden oder gemeinsam mit diesem genutzt wird, ist nur dann mögliches Objekt einer Förderung durch Investitionszulagen, wenn es weiterhin selbständig bewertbar ist, d. h., wenn es nach der Verkehrsanschauung in seiner Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist (Senatsurteil vom 28. September 1990 III R 77/89, BFHE 164, 156, BStBl II 1991, 361). Die Verkehrsanschauung wird dabei durch mehrere Kriterien bestimmt. Neben dem Zweck, den zwei oder mehrere bewegliche Sachen gemeinsam zu erfüllen haben, sind vor allem von Bedeutung: Die Festigkeit einer etwaigen Verbindung (§ 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --), der Zeitraum, auf den eine solche Verbindung oder die gemeinsame Nutzung angelegt ist, sowie das äußere Erscheinungsbild. Ist letzteres dadurch bestimmt, daß die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig erscheinen oder daß gar ein Gegenstand ohne den/die anderen ein negatives Gepräge hat, ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen (Urteil in BFHE 164, 156, BStBl II 1991, 361; s. aber auch das Senatsurteil vom 28. September 1990 III R 178/86, BFHE 162, 177, BStBl II 1991, 187). Die selbständige Nutzungsfähigkeit der verbundenen oder gemeinsam genutzten Wirtschaftsgüter ist allerdings kein Kriterium bei der Beurteilung der selbständigen Bewertbarkeit (vgl. § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --; s. insbesondere auch das Senatsurteil vom 3. Juli 1987 III R 147/86, BFHE 150, 490, BStBl II 1987, 787).

2. Das FG hat die dargelegten Grundsätze rechtsfehlerhaft auf den Streitfall angewandt. Es hat in erster Linie darauf abgestellt, daß die Schaftmaschinen einerseits und die Webmaschinen andererseits nicht selbständig nutzungsfähig sind. Hieraus hat es den Schluß gezogen, die Webmaschinen hätten ohne die dazugehörenden Schaftmaschinen ein "negatives Gepräge" im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des erkennenden Senats. Das FG hat zu Unrecht aus der fehlenden selbständigen Nutzbarkeit auch eine fehlende selbständige Bewertbarkeit abgeleitet. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben.

3. Die Sache ist spruchreif. Bei Anwendung der oben dargestellten Verkehrsanschauungs-Kriterien und Rechtsgrundsätze auf den vom FG festgestellten Sachverhalt sind die von der Klägerin angeschafften Schaftmaschinen auch nach der Verbindung mit den Webmaschinen selbständige Wirtschaftsgüter geblieben.

a) Die Schaft- und Webmaschinen sind nach den Feststellungen des FG nur "lose" miteinander verbunden. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Das FA kann mit dem Einwand, für eine Verbindung der beiden Maschinen seien mehrtägige fachmännische Montagearbeiten erforderlich, nicht mehr -- auch nicht im Rahmen einer sog. Gegenrüge -- gehört werden. Eine entsprechende Aufklärung hätte bereits im FG-Verfahren verlangt werden müssen (s. hierzu z. B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 42, m. w. N.). Denn auch das FG hatte den Grad der Festigkeit der Verbindung zu prüfen und hat ihn auch geprüft. Außerdem hatte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Oktober 1992 an das FG mitgeteilt, daß für die Verbindung der beiden Maschinen lediglich wenige Schrauben und eine Verdrahtung von Elektroleitungen erforderlich seien. Dem ist das FA im weiteren FG-Verfahren nicht entgegengetreten.

Ungeachtet dessen neigt der Senat dazu, daß der Aufwand für eine Verbindung in Fällen wie dem vorliegenden auch ins Verhältnis zur Größe und zur speziellen Eigenart und/oder Beschaffenheit der betreffenden Gegenstände zu setzen ist.

b) Weiter haben beide Maschinengruppen eine unterschiedliche tatsächliche Nutzungsdauer. Dies folgt schon daraus, daß die Webmaschinen z. T. bereits im Jahre 1984 angeschafft worden waren, die Schaftmaschinen -- mit einer Ausnahme -- aber erst im Jahre 1987 erworben wurden. Der Hinweis des FA auf die sog. AfA-Tabelle ist insoweit unbehelflich.

c) Außerdem können an den Webmaschinen nicht nur die neu angeschafften elektronischen Schaftmaschinen, sondern auch Exzenter- oder Jacquardmaschinen ein gesetzt werden. Die Schaftmaschinen sind innerhalb des Betriebs austauschbar; sie können aber auch mit Webmaschinen in anderen Betrieben kombiniert werden. Eine auf Dauer angelegte Verbindung ist daher zu verneinen. Sowohl Schaft- als auch Webmaschinen können auch nach einer Trennung noch sinnvoll verwendet werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 156, BStBl II 1991, 361, Abschn. II, Nr. 2 a der Entscheidungsgründe).

d) Darüber hinaus besteht nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin für Schaftmaschinen ein eigener Markt; sie sind im Geschäftsverkehr selbständige Handelsobjekte (vgl. Senatsurteil in BFHE 150, 490, BStBl II 1987, 787). Weder Schaft- noch Webmaschinen erscheinen demnach bei einer isolierten Betrachtung unvollständig oder gar negativ geprägt. Eine Vergleichbarkeit zwischen den hier zu beurteilenden Schaftmaschinen und Kfz-Motoren besteht nach Auffassung des Senats schon deswegen nicht, weil es nicht üblich ist, etwa Karosserien und Motoren von verschiedenen Herstellern zu erwerben und dann selbst (im eigenen Betrieb) zu einem fahrbereiten Kfz zusammenzufügen. Hingegen gibt es -- auch nach dem eigenen Vortrag des FA -- spezielle Hersteller sowohl für Webmaschinen als auch für Schaftmaschinen; beide Maschinen werden dann, wie auch im Streitfall, individuell im jeweiligen Betrieb zusammengefügt.

4. Die Aufwendungen für die Schaftmaschinen sind nach den vorstehenden Ausführungen in die Bemessungsgrundlagen zur Gewährung der Investitionszulagen einzubeziehen. Es ergeben sich festzusetzende Investitionszulagen in folgender Höhe: ...

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 707

NWB 1997, 2029

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