Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Gewerbetreibender nach den Vorschriften des LAG einen Anspruch auf Erstattung der Zinsen eines Aufbaudarlehens, weil er später die Hauptentschädigung erhalten hat, so sind die erstatteten Zinsen, die früher als Betriebsausgaben abgezogen worden waren, im Jahre der Erstattung nicht gemäß § 3 Ziff. 7 EStG als Teil der Hauptentschädigung steuerfrei. Sie sind dem Gewinn des Unternehmens zuzurechnen.

 

Normenkette

LAG § 258 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 2 Abs. 2, § 2/3/2, § 3 Ziff. 7, § 15/2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist eine OHG, deren Gesellschafter Eheleute sind. Die Ehefrau ist Vertriebene und konnte darum ein Aufbaudarlehen des Lastenausgleichsfonds von 8.000 DM in Anspruch nehmen. Bis Ende 1961 zahlte die Stpfl. für dieses Darlehen insgesamt 1.018,17 DM an Zinsen; das Darlehen wurde bis auf 3.825,62 DM getilgt. Im Streitjahr 1962 erhielt die Ehefrau die Hauptentschädigung nach dem LAG von 4.816,61 DM ausbezahlt, die größtenteils auf einem ererbten Entschädigungsanspruch beruhte. In den 4.816,61 DM waren Zinsen mit 936,72 DM enthalten. Das Finanzamt (FA) rechnete in der einheitlichen Feststellung des Gewinns für 1962 diesen Betrag dem Gewinn der Stpfl. zu.

Demgegenüber ist die Stpfl. der Auffassung, die 936,72 DM seien gemäß § 258 Abs. 1 Nr. 2 LAG in Verbindung mit § 3 Ziff. 7 EStG steuerfrei, weil sie ein Teil der Hauptentschädigung seien. In § 258 Abs. 1 Nr. 2 LAG werde bestimmt, daß Zinsen des Aufbaudarlehens der Hauptentschädigung "zuzuschlagen" seien. Daraus ergebe sich, daß es sich um Vorauszahlungen auf die Hauptentschädigung handele.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Nach der Auffassung des Finanzgerichts (FG), dessen Entscheidung in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 475 veröffentlicht ist, müssen Zinsen für ein Aufbaudarlehen nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Grundsätzen behandelt werden. Die Rückgängigmachung einer früheren Betriebsausgabe führe zu einer Betriebseinnahme. Nach § 3 Ziff. 7 EStG seien zwar die Ausgleichsleistungen nach dem LAG frei, die zurückgewährten Zinsen gehörten jedoch nicht zu den Ausgleichsleistungen.

Mit der Revision rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung von § 3 Ziff. 7 EStG in Verbindung mit § 258 LAG. Sie verbleibt dabei, daß hier nicht nachträgliche Zinseinkünfte vorlägen, da nach § 258 Abs. 1 Nr. 2 LAG die gezahlten Zinsen für das Aufbaudarlehen nur mit den Zinsen für den Hauptanspruch "verrechnet" worden seien.

Der Bundesminister der Finanzen, der auf Ersuchen des Senats gemäß § 122 Abs. 2 FGO (§ 287 Ziff. 2 AO a. F.) dem Verfahren beigetreten war, billigt die Vorentscheidung, weil sie mit den Bestimmungen des LAG in Einklang stehe und auch ertragsteuerlichen Grundsätzen entspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß Ausgleichsleistungen nach dem LAG gemäß § 3 Ziff. 7 EStG steuerfrei sind. Zu den Lastenausgleichsleistungen gehören gemäß § 251 Abs. 1 LAG der Grundbetrag der Hauptentschädigung und der Zinszuschlag ab 1. Januar 1953 von 1 v. H. für jedes angefangene Vierteljahr (Abschn. 6 Ziff. 4 Abs. 2 EStR 1962). Hat der Geschädigte jedoch zuvor ein Aufbaudarlehen erhalten, so gilt gemäß § 258 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 LAG der Anspruch auf die Hauptentschädigung in Höhe des Darlehensbetrags als erfüllt; die Darlehensverbindlichkeit gilt insoweit als nicht entstanden. Die Erfüllung tritt auch ein, wenn, wie im Streitfalle, der Darlehnsnehmer die Hauptentschädigung geerbt hat (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts V C 70/62 vom 27. Februar 1963, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 15 S. 324).

Die Zinsen für ein Aufbaudarlehen wären allerdings nach § 3 Ziff. 7 EStG nicht nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Grundsätzen zu behandeln (vgl. Urteil des RFH VI A 1354/30 vom 27. August 1930, RStBl 1931, 20; Urteile des BFH VI 22/61 S vom 13. Dezember 1963, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 78 S. 477. - BFH 78, 477 -, BStBl III 1964, 184, und VI 346/61 U vom 30. Oktober 1964, BFH 81, 188, BStBl III 1965, 67), wenn sie zu den steuerfreien Ausgleichsleistungen nach dem LAG gehörten. Der Senat tritt indessen der Rechtsauslegung des Bundesministers der Finanzen bei, die auch in Abschn. 6 Ziff. 4 Abs. 2 EStR 1962 und in der Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vom 6. Februar 1957 (Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe B - Eildienst - 1957 S. 148) zum Ausdruck kommt, daß die verrechneten Zinsen nicht Bestandteil der Hauptentschädigung sind, sondern eine ungerechtfertigte Bereicherung des Lastenausgleichsfonds ausgleichen sollen (vgl. Urteile des BFH I 158/55 U vom 31. Juli 1956, BFH 63, 319, BStBl III 1956, 320; I 185/56 U vom 30. Oktober 1956, BFH 64, 13, BStBl III 1957, 5).

Der Auffassung der Stpfl., diese Auslegung widerspreche dem Wortlaut und dem Sinn des § 258 Abs. 1 Nr. 2 LAG, tritt der Senat nicht bei. Das LAG regelt die Bemessung der Hauptentschädigung in seinem III. Abschnitt; es setzt für Schadensbeträge in RM einen Grundbetrag der Hauptentschädigung (§ 246 LAG) sowie bestimmte Zuschläge (§ 248 und § 249 a LAG) und Kürzungen (§ 249 LAG) fest. Der sich ergebende Endgrundbetrag (§ 250 Abs. 2 LAG) einschließlich eines Zinszuschlags ab 1. Januar 1953 (§ 250 Abs. 3 LAG) ist der Auszahlungsbetrag der Hauptentschädigung (§ 251 Abs. 1 LAG). § 251 Abs. 1 LAG bestimmt, daß der Anspruch auf die Hauptentschädigung vorbehaltlich der §§ 278 a, 283 und 283 a LAG in Höhe des Betrags erfüllt wird, der sich durch Zurechnung des Zinszuschlags zum zuerkannten Endgrundbetrag ergibt (Auszahlungsbetrag). Zu Recht weist der Bundesminister der Finanzen darauf hin, die Verweisung auf die angeführten Vorschriften bedeute, daß Leistungen an Unterhaltshilfe und Entschädigungsrenten auf die Hauptentschädigung anzurechnen sind, daß also die errechnete Hauptentschädigung insoweit noch Veränderungen unterliegen kann. Eine Verweisung auf § 258 LAG fehlt indessen. Hieraus ergibt sich, daß zwar geleistete Unterhaltshilfe und Entschädigungsrenten die Höhe der Hauptentschädigung beeinflussen, daß indessen ein gewährtes Aufbaudarlehen den Hauptentschädigungsanspruch eines Anspruchsberechtigten der Höhe nach nicht verändert, d. h. weder verringert noch vergrößert. Durch § 258 Abs. 1 Nr. 2 LAG werden mithin die von der öffentlichen Hand zurückzuzahlenden Zins- und Tilgungsbeträge nicht Bestandteil der Hauptentschädigung in dem Sinne, daß sie die zugunsten des Anspruchsberechtigten unter Beachtung der Vorschriften des III. Abschnitts des LAG errechnete Hauptentschädigung vergrößern; die genannte Vorschrift ist vielmehr lediglich ein Zahlungsmodus für den zur Zurückzahlung verpflichteten Fiskus, der die Rückzahlung in der Weise vornimmt, daß er den geschuldeten Betrag einer aus anderem Rechtsgrund geschuldeten Leistung, nämlich der Hauptentschädigung, bei der Erfüllung zuschlägt. Sinn der Verrechnung ist es, den Lastenausgleichsfonds nicht mit der sofortigen Erstattung der Zinsbeträge zu belasten (Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, § 258 Anm. 4). Die der Hauptentschädidung zugeschlagenen Zinsen, die auf das frühere Aufbaudarlehen gezahlt worden sind, sind demnach nicht Teil der Hauptentschädigung selbst, sondern bleiben erstattete, früher geleistete Zinsen und fallen als solche nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 7 EStG.

Die Höhe der Steuerbefreiung gemäß § 3 Ziff. 7 EStG kann im übrigen nicht davon abhängig sein, ob ein Steuerpflichtiger ein Aufbaudarlehen erhalten hat oder nicht, wie es der Fall sein würde, wenn man der Auffassung der Stpfl. folgen wollte. Von zwei Steuerpflichtigen, die beide eine Hauptentschädigung in der gleichen Höhe erhalten, wäre der, dem bereits vorher ein Aufbaudarlehen gewährt worden ist, steuerlich besser gestellt als der Anspruchsberechtigte, bei dem das nicht der Fall ist, weil die Darlehnszinsen zusätzlich als steuerfreie Einkünfte erfaßt werden müßten. Eine solche Wirkung würde dem § 3 Ziff. 7 EStG nicht gerecht.

Im Streitfall gelten also die allgemeinen Grundsätze über die Behandlung gezahlter und später erstatteter Zinsen. Danach sind Zinsen, die bei ihrer Zahlung als Betriebsausgaben abgezogen wurden, bei späterer Erstattung als Betriebseinnahmen zu behandeln (Urteil des RFH VI A 1354/30, a. a. O.; Urteile des BFH VI 22/61 S, a. a. O.; VI 346/61 U, a. a. O.). Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen ist der Erstattungsanspruch zur Zeit seiner Entstehung zu aktivieren, wenn die Erstattung (Auszahlung) nicht unmittelbar anschließend vorgenommen wird. Die Wiederaufrollung der Veranlagungen jener Jahre, in denen die Zinsen als Betriebsausgaben abgesetzt wurden, ist nicht möglich, weil weder die Voraussetzungen des § 222 AO noch die des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG gegeben sind (Urteil des Senats VI 346/61 U, a. a. O.). Der Anspruch auf Erstattung der auf das frühere Aufbaudarlehen geleisteten Zinsen entsteht erst mit der Zuerkennung der Hauptentschädigung. An den Bilanzstichtagen während der Laufzeit des Darlehens bestand eine Darlehnsverpflichtung. Der rückwirkende Wegfall dieser Verpflichtung ist bilanzmäßig erst von dem Zeitpunkt ab zu berücksichtigen, in dem er bekanntgeworden ist, d. h. mit der Zuerkennung der Hauptentschädigung.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 501

BFHE 1966, 346

BFHE 86, 346

StRK, EStG:3 R 67

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