Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Hausratsentschädigungen nach §§ 293 ff. LAG, die ein heimatvertriebener Steuerpflichtiger erhält, mindern die außergewöhnlichen Belastungen im Sinne von § 33 EStG, die diesem Steuerpflichtigen im gleichen Jahr durch die Wiederbeschaffung verlorenen Hausrats entstehen.

Ausgaben, die ein heimatvertriebener Steuerpflichtiger für die Erneuerung und Verschönerung einer seit mehreren Jahren benutzten Wohnung macht, sind in der Regel für ihn keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne von § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG § 3 Ziff. 6, § 3/7, § 12 Nr. 1, § 33; LAG § 293

 

Tatbestand

Der Bf. ist Heimatvertriebener und hat durch die Vertreibung seinen Hausrat verloren. Bei der Veranlagung für 1955 beantragte er Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung gemäß § 33 EStG, weil er Hausrat wiederbeschafft und die Wohnung instandgesetzt hatte. Die Ausgaben für Hausrat betrugen 1.342 DM. Im gleichen Jahr hat der Bf. eine Hausratsentschädigung nach dem LAG von 550 DM ausgezahlt erhalten. Für die früheren Jahre hatte er insbesondere auf Grund von § 33 a EStG 1950/1953 Steuerermäßigung wegen des Verlustes an Hausrat erhalten. Die Kosten der Instandsetzung der Wohnung, die der Bf. seit November 1951 innehatte, betrugen 620 DM.

Die Vorinstanzen erkannten zwar die 1.342 DM als Wiederbeschaffungskosten an, kürzten sie jedoch um die Hausratsentschädigung von 550 DM. Die Instandsetzungskosten berücksichtigten sie nicht. Das Urteil des Finanzgerichts stützte sich auf die Entscheidung des Senats VI 90/60 S vom 23. September 1960 (BStBl 1960 III S. 488, Slg. Bd. 71 S. 637) und führte aus: Die Vorschrift des § 33 EStG sei ab 1955 auf Wiederbeschaffungen von Hausrat nur noch in Ausnahmefällen anwendbar. Das Einkommen des Bf. habe in den Jahren 1951 bis 1954 im Durchschnitt rund 12.000 DM betragen; die Freibeträge nach § 33 a EStG alter Fassung hätten sich früher steuermindern ausgewirkt. Im Streitjahr habe der Bf. ein Einkommen von 15.600 DM gehabt. Allerdings sei er in den Vorjahren durch den Aufbau seiner Steuerberater-Praxis belastet gewesen; die Hausratanschaffungen hätten deshalb zurücktreten müssen. Darum seien die Wiederbeschaffungskosten ausnahmsweise noch zu berücksichtigen. Sie seien jedoch um die 550 DM zu kürzen. Eine Belastung liege nicht vor, soweit Aufwendungen eines Steuerpflichtigen von dritter Seite ersetzt werden. Die Kosten für die Instandsetzung der Wohnung fielen aber nicht unter § 33 EStG. Der Bf. habe die Wohnung bereits seit dem Jahre 1951 gehabt. Die aufgewandten Kosten hätten der Beseitigung des üblichen Verschleißes und der Anpassung der Wohnung an die Lebensbedürfnisse des Bf. gedient.

Der Bf. rügt mit der Rb. unrichtige Rechtsanwendung und führt aus, die Hausratsentschädigung dürfe wegen ihrer in § 3 Ziff. 6 EStG 1955 angeordneten Steuerfreiheit nicht abgezogen werden. Ihre Anrechnung verstoße auch gegen den Billigkeitsgedanken des § 33 EStG. Zudem seien die 550 DM durch seine früheren Aufwendungen längst verbraucht. Die im Jahre 1951 bezogene Wohnung habe der Wohnung, die er vor der Vertreibung hatte, nicht entsprochen. Die Ausstattung sei so unzulänglich gewesen, daß seine Aufwendungen eigentlich nur der erstmaligen Instandsetzung der Wohnung gedient hätten. Der Bf. rügt als wesentlichen Verfahrensmangel, daß das Finanzgericht die für den Zustand der Wohnung benannten Zeugen nicht vernommen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

I. - Das Finanzgericht geht hinsichtlich der Wiederbeschaffung des Hausrats zutreffend von der Entscheidung des Senats VI 90/60 S (a. a. O.) aus. Danach ist bei Steuerpflichtigen, die die Pauschbeträge des früheren § 33 a EStG steuerwirksam in Anspruch genommen haben, gleichwohl für die Zeit nach dem 31. Dezember 1954 die Anwendung des § 33 EStG zwar nicht ohne weiteres ausgeschlossen, ist jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt. Auf Grund seiner tatsächlichen Feststellungen konnte das Finanzgericht annehmen, daß beim Bf. ein solcher Ausnahmetatbestand gegeben sei. Das Finanzamt erhebt hiergegen keine Einwendungen, so daß der Senat keine Veranlassung sieht, dieser Frage näher nachzugehen.

Mit Recht hat aber das Finanzgericht ausgeführt, daß es bei der Anwendung des § 33 EStG zu beachten ist, ob ein Steuerpflichtiger aus dem gleichen Anlaß, der ihn zu seinen Aufwendungen zwingt, von dritter Seite eine Entschädigung, Beihilfe oder dergleichen erhält. Denn soweit die Zuwendungen von dritter Seite reichen, ist er durch seine Ausgabe nicht mehr belastet. Das gilt auch für erhaltene Hausratsentschädigungen nach §§ 293 ff. LAG. Dieser Gedanke ist bereits in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 376/51 S vom 16. Oktober 1952 (BStBl 1952 III S. 298, S. 303 unter III/1, Slg. Bd. 56 S. 773) angeklungen. Der Senat hat diese Rechtsauffassung in der Entscheidung VI 297/57 vom 16. Januar 1959 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 96) ausdrücklich bestätigt.

Der Bf. beruft sich darauf, daß solche Hausratsentschädigungen gemäß § 3 Ziff. 6 EStG 1955 nicht der Einkommensteuer unterliegen. Dieser Einwand greift aber nicht durch. Das Finanzgericht hat nicht die Hausratsentschädigung - entgegen dem Gesetz - der Einkommensteuer unterworfen, sondern es hat nur berücksichtigt, daß durch die Entschädigung die wirtschaftliche Belastung des Bf. gemindert worden ist. Der Senat hat ausgesprochen, daß auf Krankheitskosten die Ersatzleistungen einer Krankenkasse anzurechnen sind, obwohl auch sie in § 3 Ziff. 1 EStG für steuerfrei erklärt sind. Desgleichen ist im Urteil VI 106/55 U vom 19. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 329, Slg. Bd. 65 S. 250) entschieden worden, daß von anderer Seite wegen Krankheit gewährte Unterstützungen trotz der Befreiungsvorschrift in § 3 Ziff. 10 EStG die nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Belastungen mindern. Dieselben Grundsätze gelten für § 3 Ziff. 6 EStG.

Unerheblich ist, wie die 550 DM behandelt worden wären, wenn der Bf. sie bereits in den Jahren der Anwendbarkeit von § 33 a EStG 1950/1953 erhalten hätte. Die Freibeträge nach § 33 a EStG alter Fassung waren Pauschbeträge, auf die ein Rechtsanspruch bestand, ohne daß es darauf ankam, ob Aufwendungen für Wiederbeschaffung in dem betreffenden Jahr gemacht worden waren.

II. - Auch hinsichtlich der Kosten der Wohnungsinstandsetzung ist die Vorentscheidung frei von Rechtsirrtum. Solche Aufwendungen werden grundsätzlich nicht über § 33 EStG berücksichtigt, weil es sich um typische und allgemeine Kosten der Lebenshaltung handelt, denen also das Merkmal der Außergewöhnlichkeit fehlt. Dabei ist unerheblich, ob es sich um Kosten der Wohnungsbeschaffung oder um spätere Aufwendungen für die Verschönerung und Instandsetzung handelt. Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Flüchtlingen, die zur Behebung der ärgsten Not und um eine familiengerechte Unterkunft zu finden, Räume herrichten, kann eine andere Beurteilung geboten sein, wie der Senat in der Grundsatzentscheidung VI 200/59 S vom 20. Mai 1960 (BStBl 1960 III S. 310, Slg. Bd. 71 S. 164) dargelegt hat. So liegt aber der Streitfall nicht. Der Bf. hat seit November 1951 eine Neubauwohnung. Es mag sein, daß damals das Baumaterial schlechter war als im Jahre 1955. Das Finanzgericht hat festgestellt, daß die Wohnung den billigerweise zu stellenden Anforderungen des Bf. entspricht. Da der Bf. die Wohnung bereits über vier Jahre bewohnt hatte und sie weiter benutzen wollte, entsprach es der Lebenserfahrung, daß die Ausgaben des Bf. in erster Linie zur Beseitigung von verbrauchsbedingten Mängeln sowie der Verschönerung und Modernisierung dienten. Unter diesen Umständen bedeutet es keinen wesentlichen Verfahrensmangel, wenn das Finanzgericht von der Vernehmung der benannten Zeugen abgesehen hat. In diesem Zusammenhang ist übrigens auch von Bedeutung, daß der Bf. durch seine Aufwendungen den Gegenwert erhalten hat, daß seine Wohnung verbessert wurde, sein Aufwand also nicht verloren ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411161

BStBl III 1964, 301

BFHE 1964, 189

BFHE 79, 189

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