Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung aufgrund betrieblicher Übung nicht steuerfrei nach § 3 Nr. 13 EStG

 

Leitsatz (NV)

Zahlungen, die die Arbeitgeberin (Deutsche Bundespost) deshalb leistet, weil der Arbeitnehmer darauf wegen langjähriger rechtsgrundloser Leistung von Trennungsgeld einen Rechtsanspruch aufgrund betrieblicher Übung erworben hat, sind nicht nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei.

 

Normenkette

EStG § 3 Nrn. 13, 16

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist italienischer Staatsangehöriger. Er war von 1962 bis 1985 bei der Deutschen Bundespost beschäftigt. Seine Ehefrau war in Italien geblieben. Im Streitjahr 1984 erhielt er von seiner Arbeitgeberin eine als Trennungsentschädigung bezeichnete Nachzahlung für die Jahre 1977 bis 1983 in Höhe von ca. 15000 DM. Diese Nachzahlung wurde von der Arbeitgeberin nicht der Lohnsteuer unterworfen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte die Nachzahlung zunächst im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1984 als steuerpflichtigen Arbeitslohn. In der Einspruchsentscheidung verteilte er sie auf drei Jahre (1981 bis 1983), was zur Ermäßigung der Einkommensteuerschuld 1984 gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegenüber der ursprünglich festgesetzten Einkommensteuer führte.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger, die Nachzahlung gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei zu belassen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Die Nachzahlung sei gemäß § 3 Nr. 13 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung steuerfrei. Zu den Reise- und Umzugskostenvergütungen gehörten auch Zahlungen, die einem Arbeitnehmer aufgrund einer beruflich bedingten doppelten Haushaltsführung gewährt werden könnten (vgl. § 22 Bundesreisekostengesetz). Die im Streitfall geleistete Zahlung habe auf dem Erlaß des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 20. Mai 1983 (322-6 A 6347-0/5) beruht. Durch diesen Erlaß sei die Gewährung von Trennungsentschädigung an ausländische Arbeitnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllten, angeordnet worden. Die Anordnung sei Folge eines arbeitsrechtlichen Musterverfahrens gewesen, das durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 7. September 1982 abgeschlossen worden sei. Das BAG habe entschieden, daß ausländische Arbeitnehmer aus den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die ihren Familienwohnsitz im Ausland beibehalten und über einen bestimmten Zeitraum Trennungsentschädigung erhalten hätten, einen Anspruch auf Fortzahlung dieser Trennungsentschädigung hätten, obgleich sie nicht umzugsbereit gewesen seien. Hintergrund für die Zahlung sei demnach ein vom Arbeitgeber fehlerhafterweise anerkannter Anspruch auf Trennungsentschädigung nach dem Tarifvertrag für Arbeiter der Deutschen Bundespost. Bei diesem Trennungsgeld handele es sich um eine Vergütung, die, obgleich bisher im Gesetzestext nicht ausdrücklich genannt, steuerfrei belassen worden sei.

§ 3 Nr. 13 EStG knüpfte lediglich an die tatsächliche Leistungsgewährung an und setze nicht voraus, daß die gezahlten Vergütungen nach den entsprechenden leistungsrechtlichen Bestimmungen gewährt würden. Die Auffassung des FA, die Zahlung müsse ihren Rechtsgrund in den entsprechenden Reisekostengesetzen selbst haben, werde vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Dem von § 3 Nr. 13 EStG verfolgten Vereinfachungszweck widerspräche ein den Finanzbehörden eingeräumtes eigenes Prüfungsrecht. Entscheidend sei, daß der öffentliche Arbeitgeber überzeugt sei, einen Anspruch des Arbeitnehmers aus diesen Gesetzen zu erfüllen. Ein aufgrund betrieblicher Übung entstandener Anspruch, der aus früheren fortlaufenden Zahlungen resultiere, verliere diese Eigenschaft nicht, obgleich er seinen Rechtsgrund nicht unmittelbar im Gesetz finde. Ebenso wie die fehlerhafte Zahlung im Einzelfall müsse die auf der Rechtsgrundlage einer betrieblichen Übung durch eine fehlerhafte Zahlung gewährte Vergütung steuerfrei bleiben.

Die Steuerfreiheit sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß teilweise in den Vorjahren antragsgemäß Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Klägers berücksichtigt worden seien. § 3c EStG begründe ein Werbungskostenabzugsverbot für Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Wortlaut und Sinn der Vorschrift ließen keine Umkehr des Prinzips in dem Sinn zu, daß der vom Veranlagungszeitraum abweichende Zufluß steuerfreier Einnahmen wegen des Werbungskostenabzugsverbots dann zur Aufhebung der Steuerfreiheit führe, wenn der Steuerpflichtige in einem früheren Zeitraum den Werbungskostenabzug für diese Aufwendungen geltend gemacht habe.

Eine Versteuerung könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der negativen Werbungskosten erfolgen. Durch das Rechtsinstitut der sog. negativen Werbungskosten könne nicht eine vom Gesetzgeber ausdrücklich steuerbefreite Einnahme rückwirkend steuerpflichtig gemacht werden.

Das FA ringt mit seiner Revision eine Verletzung des § 3 Nr. 13 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Bei den an den Kläger von seiner Arbeitgeberin im Streitjahr geleisteten Nachzahlungen handelt es sich um andere Bezüge und Vorteile für seine Beschäftigung im öffentlichen Dienst und nicht um Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dieser Arbeitslohn ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht steuerbefreit.

Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 13 EStG sind nicht erfüllt. Nach der für das Streitjahr 1984 gültigen Fassung dieser Vorschrift sind steuerbefreit die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen und Umzugskostenvergütungen. Die Zahlungen der Arbeitgeberin des Klägers, der Deutschen Bundespost, sind zwar solche aus öffentlichen Kassen. Bei den Nachzahlungen handelte es sich jedoch weder um Reise- noch Umzugskostenvergütungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob Trennungsgeld überhaupt zu den nach dieser Vorschrift befreiten Umzugskosten gehören kann. Denn dem im Jahre 1962 in die Bundesrepublik gezogenen Kläger hat für die Jahre ab 1977 nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen ein Anspruch auf Trennungsgeld nicht mehr zugestanden. Dies ergibt sich auch aus dem vom FG in Bezug genommenen Urteil des BAG, das in einem mit dem Streitfall vergleichbaren Musterverfahren ergangen und in dem festgestellt ist, daß der Bundesrechnungshof die zuvor erfolgte Zahlung von Trennungsgeld wegen Fehlens einer Rechtsgrundlage gerade beanstandet hatte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die Arbeitgeberin hat dem Kläger mit den Nachzahlungen auch keine Reise- oder Umzugskosten erstatten wollen. Sie hat die Zahlungen vielmehr erkennbar ausschließlich deshalb an den Kläger geleistet, weil das BAG in dem Musterverfahren entschieden hatte, daß die ausländischen Arbeitnehmer aus den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wegen der langjährigen rechtsgrundlosen Zahlung des sog. Trennungsgeldes einen Anspruch auf diese Zahlung aufgrund betrieblicher Übung erworben hatten. Die tatsächliche betriebliche Übung gestaltet nach den Feststellungen des BAG in dem vom FG in Bezug genommenen Urteil durch eine an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichtete konkludente Gesamtzusage die einzelnen Arbeitsverhältnisse. Aus ihr erwachsen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Eine auf einer derartigen Grundlage erbrachte Zahlung ist entgegen der Auffassung des FG keine Reise- oder Umzugskostenvergütung i.S. des § 3 Nr. 13 EStG.

Dieses Verständnis des § 3 Nr. 13 EStG führt nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gegenüber den Arbeitnehmern im privaten Dienst. Denn nach § 3 Nr. 16 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung waren ebenfalls nur Reise- und Umzugskosten, nicht aber Zahlungen der vorliegenden Art an die im privaten Dienst angestellten Personen steuerbefreit gewesen.

Abgesehen davon, daß darüber nicht im vorliegenden Verfahren entschieden werden könnte, besteht auch unter Billigkeitsgesichtspunkten (vgl. § 163 der Abgabenordnung - AO 1977 -) kein Anlaß, die Zahlungen (teilweise) steuerfrei zu belassen. Denn überwiegend sind in den Jahren, auf die sich die Nachzahlungen bezogen haben, Mehraufwendungen des Klägers wegen doppelter Haushaltsführung antragsgemäß als Werbungskosten anerkannt worden. Soweit Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht steuermindernd berücksichtigt worden sind, hat der Kläger nicht behauptet, dies sei im Hinblick auf das bei den Arbeitsgerichten anhängige Musterverfahren und die im Zusammenhang damit zu erwartenden künftigen Nachzahlungen unterblieben.

Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da das FA die Zahlungen zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn erfaßt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419989

BFH/NV 1994, 857

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