Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlender Beweisbeschluß; Parteivernahme als Beweismittel; Bewußtsein der Unentgeltlichkeit

 

Leitsatz (NV)

1. Das Fehlen eines förmlichen Beweisbeschlusses gehört zu den Umständen, derentwegen eine Rüge gemäß § 155 FGO i. V. m. § 295 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen sein kann.

2. Auch wenn den Aussagen bei einer Parteieinvernahme grundsätzlich mit Vorsicht zu begegnen ist, tritt dieses Beweismittel nicht hinter in andere Richtung weisende Indizien zurück, sondern steht gleichrangig neben den anderen Beweismitteln.

3. Der Teilvollzug eines unwirksamen Testaments kann das Bewußtsein der Unentgeltlichkeit ausschließen.

 

Normenkette

FGO § 155; ZPO § 295 Abs. 1, § 561 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Vater der Klin. ist 1946 verstorben. Kraft Gesetzes wurde er beerbt von der Mutter der Klin. zu 1/4 und von der Klin. zu 3/4. Ein früher errichtetes Testament des Vaters der Klin., in dem dessen Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt gewesen war, war im Hinblick auf die glückliche Heimkehr des Vaters nach dem Krieg zerrissen worden.

In dem Nachlaß des Vaters befand sich Grundbesitz. Die Einkünfte daraus wurden bis zur Volljährigkeit der Klin. deren Mutter zugerechnet. Einen ihr im Hinblick auf den Eintritt der Volljährigkeit übersandten Vordruck zur ESt-Erklärung 1951 sandte die Klin. unter dem 13. August 1952 an das FA X mit dem Zusatz zurück, daß vereinbarungsgemäß Einkünfte aus den Grundstücken die Mutter zu versteuern habe, weil sie vorläufig damit einverstanden sei, daß ihre Mutter den ,,Nießbrauch" aus diesen Grundstücken besitze. Bis einschließlich 1956 rechnete das FA X die gesamten Einkünfte der Mutter zu. Nachdem diese mitgeteilt hatte, ihr Anteil habe sich um monatlich . . . DM verringert, weil sie diesen Betrag an die Klin. abführe, verteilte das FA abweichend von dem Antrag der Mutter die Einkünfte nach den Eigentumsverhältnissen. In dem anschließenden Rechtsstreit hob der BFH mit Urteil vom 8. Februar 1963 diesen Bescheid auf und führte aus, daß die Einkünfte der Mutter allein zuzurechnen seien, weil die Ernstlichkeit der Vereinbarung über die Überlassung der Nutzungen an die Mutter nicht zu bezweifeln sei.

Im Jahre 1969 unterrichtete das FA X das beklagte Finanzamt über den Sachverhalt. Dieses ging davon aus, daß die Klin. die Einkünfte an dem ererbten Grundstücksanteil der Mutter freigebig überlassen habe, als sie am 24. Juni 1951 volljährig geworden sei, und setzte gegen die inzwischen verstorbene und von der Klin. allein beerbte Mutter der Klin. mit Bescheid vom 8. September 1969 Schenkungsteuer in Höhe von . . . DM fest. Auf die Klage, mit der die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt wurde, hat das FG im ersten Rechtszug den angefochtenen Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung mit der Begründung aufgehoben, der Geltendmachung des Steueranspruchs stehe Verwirkung entgegen. Dieses finanzgerichtliche Urteil hat der BFH mit Urteil vom 1. Oktober 1980 aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Auch im zweiten Rechtszug hat das FG dem Klagebegehren entsprochen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es bestehe zwar kein Zweifel am Vorliegen des objektiven Tatbestandes der Bereicherung der Mutter auf Kosten der Klin.; doch habe die Klin., wie sich aus ihrer glaubhaften, zumindest nicht zu widerlegenden Aussage im Rahmen der Parteivernehmung ergebe, nicht das Bewußtsein gehabt, freigebig zu handeln, sich eines Vermögensgegenstandes an die Mutter zu begeben. Auch der Vermerk auf dem Vordruck zur EStG-Erklärung 1951 rechtfertige keine andere Beurteilung, weil die Klin. bei der Parteivernehmung unwiderlegbar ausgeführt habe, daß diese Erklärung nur von ihrer Mutter allein und nur auf deren eigene Veranlassung abgegeben worden sei. Dies habe ihr Prozeßbevollmächtigter, der seit Jahren die Verhältnisse kenne, bestätigt.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt einen Verfahrensverstoß, den es darin sieht, daß das Urteil auf der Vernehmung der Klin. als Partei beruhe, während mangels Beweisbeschlusses und eines Beschlusses über die Beeidigung nur eine Anhörung als Partei in der mündlichen Verhandlung stattgefunden habe. Es sei nicht auszuschließen, daß die Klin. bei einer Parteivernehmung eine andere Aussage gemacht und daraufhin das Gericht eine andere Entscheidung getroffen hätte. Außerdem verstoße die Beweiswürdigung gegen den klaren Inhalt der Akten, insbesondere gegen den Inhalt des BFH-Urteils vom 8. Februar 1963. Außerdem habe das Gericht den Grundsatz verletzt, daß Parteivernehmungen mit größter Zurückhaltung zu begegnen sei, wenn es der Parteivernehmung ein größeres Gewicht beimesse als der schriftlichen Erklärung der Klin. vom 13. August 1952.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Ausweislich der - dem Revisionsgericht zugänglichen (§ 155 FGO i. V. m. § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO) - Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 1981 und der Anlage hierzu, fand in dieser, in der das FA vertreten war, Beweisaufnahme statt. Wenn es auch an einem förmlichen Beweisbeschluß mangelt, so sind doch die bei einer Parteivernehmung zu beachtenden Förmlichkeiten, insbesondere die Belehrung über das Zeugnis- und Eidesverweigerungsrecht, gewahrt. Der Vertreter des FA hat aktiv bei der Aussage zur Sache mitgewirkt. Unter diesen Umständen ist die Behauptung des FA, daß von der Klin., weil sie nicht als Partei vernommen worden sei, im Wege der Parteivernehmung eine andere Aussage möglicherweise erwartet werden könnte, unschlüssig. Mit der Rüge des fehlenden Beweisbeschlusses ist das FA gemäß § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO ausgeschlossen.

2. Auch die Rüge des Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten bei der Beweiswürdigung ist unbegründet. Die Entscheidung des BFH vom 8. Februar 1963 ist von der Überlegung getragen, daß in Fällen, in denen Erben sich alsbald nach dem Erbfall auf eine dem wahren Willen des Erblassers entsprechende Verteilung der Einkünfte einigen, keine Einkommensverwendung vorliege. Eine solche Vereinbarung gelte auch grundsätzlich ein für allemal, wobei hinzutrete, daß sowohl das damals beklagte FA als auch die Beteiligten seit Jahren die Mutter als Alleinberechtigte behandelt haben. Diesen Ausführungen widerspricht es nicht, wenn das FG das Bewußtsein freigebigen Handelns aufgrund der Parteieinvernahme der Klin. verneint. Denn der - erbschaftsteuerrechtlich beachtliche (vgl. das Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 II R 16/80, BFHE 134, 181, BStBl II 1982, 28) - Teilvollzug eines unwirksamen Testaments kann das Bewußtsein der Unentgeltlichkeit ausschließen. Insofern besteht zwischen dem vom FA erwähnten Akteninhalt und der angefochtenen Entscheidung keine Wertungsdiskrepanz.

3. Soweit das FG aufgrund der von ihm für glaubhaft bestätigt und als unwiderlegbar angesehenen Aussage der Klin. die indizielle Beweiswirkung des Vermerks auf dem Vordruck der ESt-Erklärung 1951 verneint hat, läßt die angefochtene Entscheidung keinen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Beweiswürdigung erkennen. Es ist zwar zutreffend, daß grundsätzlich den aufgrund Parteieinvernahme gemachten Aussagen mit Vorsicht zu begegnen ist; jedoch tritt dieses Beweismittel nicht als ungeeignet hinter alle in andere Richtung gehenden Indizien zurück, sondern steht gleichwertig neben den anderen Beweismitteln.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 99

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