Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit einer Feststellung nach §180 Abs. 5 AO 1977

 

Leitsatz (NV)

Stellt das FA im Rahmen eines Feststellungsbescheides nicht abzugsfähige Verluste "für Zwecke des Progressionsvorbehalts bzw. des §2 AIG" fest, so ist diese Feststellung nicht nichtig.

 

Normenkette

AO 1977 § 125; EStG § 15a; AuslInvG § 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1984 zusammen mit anderen im Inland ansässigen Personen u. a. an der X I Ltd. Partnership (kurz: X I) und an der X II Ltd. Partnership (kurz: X II) mit Sitz in den USA beteiligt. Die Rechtsstellung des Klägers entsprach der eines Kommanditisten deutschen Rechts.

Im Jahr 1984 bezog der Kläger aus der Beteiligung an der X II einen Gewinnanteil von 41 110 DM. Von dem aus der X I insgesamt erzielten Verlust entfiel auf den Kläger ein Verlustanteil von 69 281 DM.

Im Rahmen des die Beteiligung an der X I betreffenden Gewinnfeststellungsbescheids stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) u. a. den auf den Kläger entfallenden Verlust als verrechenbaren Verlust i. S. des §15 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. Zusammen mit den Verlusten aus den Vorjahren ergab sich insgesamt ein nichtabzugsfähiger Verlust in Höhe von 162 081 DM. Diese Feststellung wurde "für Zwecke des Progressionsvorbehalts bzw. des §2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG)" getroffen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 20. März 1990 beantragte der Kläger, die Feststellung in Sachen X I "insoweit ersatzlos aufzuheben, als der Zugang eines verrechenbaren Verlustes von 69 281 DM und damit insgesamt ein verrechenbarer Verlust in Höhe von 162 081 DM gemäß §15 a Abs. 4 EStG festgestellt" worden sei. Eine solche Feststellung sei für gewerbliche Verluste aus Betrieben bzw. Betriebsstätten in Ländern, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen bestehe, unzulässig. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Einspruch und Klage ein. Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des §15 a Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 Nr. 3 EStG und beantragt, das Urteil des FG und den Verwaltungsakt vom 25. April 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 1991 ersatzlos aufzuheben und die Nichtigkeit des nach §15 a Abs. 4 EStG über §15 a Abs. 5 Nr. 3 EStG ergangenen Feststellungsbescheids 1984 festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen. Der Feststellungsbescheid 1984 vom 11. Juni 1986, in dem einheitlich und gesondert nicht verrechenbare Verluste nach §15 a EStG "für Zwecke des Progressionsvorbehalts bzw. §2 AIG" festgestellt wurden, ist nicht nichtig.

Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Mangel leidet und dies bei verstärkter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§125 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes i. S. des §15 a EStG für Zwecke des Progressionsvorbehalts (§32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG, Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. Oktober 1993 I R 32/93, BFHE 172, 385, BStBl II 1994, 113, m. w. N.) oder eines Betriebsstättenverlustes i. S. des §2 Abs. 1 AIG erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, daß die für die Veranlagung von Mitunternehmern bedeutsamen Feststellungen in einem einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid zu treffen sind. Dazu gehören Feststellungen zu §15 a EStG (BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 IV R 19/88, BFHE 157, 181, BStBl II 1989, 1018; BFH-Beschluß vom 19. Mai 1987 VIII B 104/85, BFHE 150, 514, BStBl II 1988, 5) und zu §2 Abs. 1 AIG (BFH-Urteile vom 21. August 1990 VIII R 271/84, BFHE 162, 256, BStBl II 1991, 126; vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566; vom 30. April 1991 VIII R 68/86, BFHE 165, 46, BStBl II 1991, 873; BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1989 IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570; BFH-Urteile vom 16. November 1989 IV R 143/85, BFHE 159, 60, BStBl II 1990, 204; vom 5. Juni 1986 IV R 338/84, BFHE 146, 452, BStBl II 1986, 661). Auch der X. Senat hat dies ausdrücklich angesprochen (Urteil vom 20. September 1989 X R 180/87, BFHE 158, 368, BStBl II 1990, 112 unter Nr. 3). Diese Rechtsprechung entspricht dem Grundsatz, daß das Betriebsstättenfinanzamt über größere Sachnähe als die einzelnen für die Mitunternehmer zuständigen Veranlagungsfinanzämter verfügt. Außerdem sind die Feststellungsgrundlagen bei mehreren Feststellungsbeteiligten einheitlich festzustellen (§179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

Die Feststellung verrechenbarer Verluste zum Zwecke des §2 Abs. 1 AIG bzw. §32 b EStG ist nicht deswegen nichtig, weil sie -- wie der Kläger meint -- ins Leere geht. Die Entscheidung, ob abzugsfähige oder (nur) verrechenbare Verluste vorliegen, ist auch in den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger mehrere Betriebsstätten im Ausland hat, materiell rechtserheblich und für die Veranlagungsfinanzämter bindend (§182 Abs. 1 AO 1977). Gemäß §2 Abs. 1 AIG (heute §2 a Abs. 3 EStG) kann auf Antrag des Steuerpflichtigen ein Verlust, der sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes bei diesen Einkünften ergibt und nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes vom Steuerpflichtigen ausgeglichen oder abgezogen werden könnte, wenn die Einkünfte nicht von der Einkommensteuer zu befreien wären, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte in dort bezeichnetem Umfang abgezogen werden. Als verrechenbar festgestellte Einkünfte können aber, wie §15 a Abs. 2 EStG zu entnehmen ist, nur mit Gewinnen verrechnet werden, die dem Gesellschafter in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an derselben Gesellschaft entstehen. Entsprechendes gilt für §32 b EStG. Die angegriffene Feststellung geht daher nicht ins Leere, auch wenn dem Kläger im Veranlagungsverfahren 1984 der Abzug der Betriebsstättenverluste der X I bzw. dessen Berücksichtigung bei Ermittlung des Steuersatzeinkommens versagt wird.

Ein Bescheid des Inhalts, daß für Zwecke des Progressionsvorbehalts bzw. §2 AIG ein verrechenbarer Verlust in Höhe von 69 281 DM festgestellt wird, ist auch inhaltlich bestimmt i. S. des §119 Abs. 1 AO 1977 und daher vollziehbar. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des II. Senats des BFH (vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 77, BStBl II 1996, 162), weil im Streitfall der festgestellte Betrag unter Angabe des jeweiligen Feststellungsbeteiligten beziffert ist.

Der Feststellungsbescheid ist auch nicht deswegen nichtig, weil er nicht über seine Rechtsfolgen informiert. Diese ergeben sich aus dem Gesetz (hier insbesondere §182 Abs. 1 AO 1977; §2 AIG, §15 a EStG). Im übrigen hat das FA den Zweck der Feststellung im Bescheid genannt.

Im Grunde wendet sich der Kläger mit seiner Klage gegen die Rechtsfolgen, die sich aus der Feststellung verrechenbarer Verluste ergeben. Diese beruhen aber auf Gesetz (§15 a Abs. 2 EStG) und sind daher zwingend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66362

BFH/NV 1998, 680

DStZ 1998, 592

HFR 1998, 540

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