Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung für einen privatrechtlichen Grundstückserwerb zur Vermeidung einer Umlegung

 

Leitsatz (NV)

Eine (förmliche) Umlegung wird nur dann durch einen privatrechtlichen Grundstückserwerb ,,vermieden", wenn letzterer den in § 45 Abs. 1 BBauG umschriebenen Umlegungszweck erfüllt und wenn ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan vorliegt.

 

Normenkette

BBauG § 45; GrEStBBauG NW § 1 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

I. Der Kläger schloß am 2. September 1981 mit der Gemeinde einen notariell beurkundeten Grundstückstauschvertrag. Er gab ein ihm gehörendes Grundstück hin und erhielt dafür von der Gemeinde anderen Grundbesitz.

Als Ausgleich für den Mehrwert des erhaltenen Grundbesitzes sollte der Kläger an die Gemeinde 1 Mio. DM zahlen.

Anlaß zu diesem Tauschvertrag war der Umstand gewesen, daß der Kläger auf dem hingegebenen Grundbesitz ein Geschäft betrieb und das betreffende Gebiet nach den Vorstellungen der Gemeinde auf lange Sicht zu einem reinen Wohngebiet werden sollte. Der entsprechende Bebauungsplan wurde am 20. Oktober 1982 vom zuständigen Regierungspräsidenten genehmigt. Diese Genehmigung und die Mitteilung, daß der Bebauungsplan eingesehen werden könne, wurden entsprechend § 12 des Bundesbaugesetzes (BBauG) am 29. November 1982 öffentlich bekanntgemacht.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach einer Gegenleistung von X DM. Diese Gegenleistung wird in dem Steuerbescheid als ,,Wert des Tauschgrundstücks zuzüglich Barzahlung" bezeichnet.

Mit dem Einspruch begehrte der Kläger Steuerbefreiuung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Grunderwerb nach dem Bundesbaugesetz vom 25. Juni 1962 (GrEStBBauG). Er legte eine Bescheinigung des Umlegungsausschusses der Gemeinde vor, wonach der Tauschvertrag eine Umlegung vermieden habe.

Das FA wies den Einspruch zurück mit der Begründung, es habe mit Schreiben vom 16. März und 18. April 1982 vergeblich bei dem Bevollmächtigten des Klägers Unterlagen (Ablichtungen einer auszugsweisen Abzeichnung der Flurkarte sowie einer Kopie des Bebauungsplanes) zur Bearbeitung des Einspruchs angefordert. Auch zu einer telefonisch angekündigten Unterredung sei der Kläger nicht gekommen.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Grunderwerbsteuer herab. Der Grundstückserwerb des Klägers sei insoweit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBBauG steuerfrei, als der Wert des erworbenen Grundstückes demjenigen des hingegebenen Grundstückes entspreche. Soweit der Kläger den Mehrwert des erhaltenen Grundstückes durch Bezahlung ausgeglichen habe, müsse daher Grunderwerbsteuer erhoben werden. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 32 veröffentlicht.

Mit der Revision begehrt das FA sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Entgegen der Ansicht des FG ist der Erwerb des Klägers durch den Tauschvertrag vom 2. September 1981 nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBBauG steuerfrei.

a) Zweifelhaft ist schon, ob mit dem Grundstückserwerb eine Umlegung - d. h. ein Verfahren zur Neuordnung von Grundstücken - vermieden wurde. Das Umlegungsverfahren hat gemäß § 45 Abs. 1 BBauG den Zweck, ,,nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen" zu lassen (vgl. dazu das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. September 1985 II R 79/82, BFH / NV 1986, 366). Ob im vorliegenden Fall dieses Ziel verfolgt wurde, ist nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt offen. Das FG-Urteil bezieht sich auf den Schriftwechsel zwischen dem Berichterstatter des Gerichts und dem Umlegungsausschuß der Gemeinde. Dieser Umlegungsausschuß hatte zwar zunächst mit Schreiben vom 20. August 1984 dem FG erklärt, daß ,,die planungsrechtlichen Festsetzungen (Geh-, Fahr- und Leitungsrechte, Stellplätze, überbaubare Grundstücksflächen) von den Grenzen des Grundstücks . . . durchschnitten (würden). Nur eine Neugestaltung (Umlegung) der Grenzen würde eine bebauungsplangemäße Nutzung ermöglichen. Durch den Vollzug des vorliegenden Tauschvertrages erhielt die Stadt ein Grundstück, das sie für eine privatrechtliche Umlegung (Tausch) verwenden kann". In einem weiteren Schreiben des Ausschusses vom 24. September 1984 an das FG heißt es jedoch: ,,Nicht einmal Teile des fraglichen Grundstückes sind im Bebauungsplan als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen . . . Nach Auskunft des Liegenschaftsamtes gedenkt die Stadt, das erworbene Grundstück im Tauschwege (privatrechtliche Umlegung) zur Realisierung des Bebauungsplanes einzusetzen. Entsprechende Verhandlungen konnten noch nicht zum Abschluß gebracht werden." Diese Auskünfte sagen nach Ansicht des Senats nichts darüber, ob und inwieweit in dem betreffenden Gebiet bestehende Grundstücksgrenzen geändert werden sollten, so daß von einer geplanten Neuordnung i. S. des § 45 Abs. 1 BBauG gesprochen werden könnte.

b) Der Senat braucht auf diese Zweifel nicht weiter einzugehen. Denn die Steuerbefreiung scheitert auch daran, daß bei Abschluß des Tauschvertrages vom 2. September 1981 kein rechtsverbindlicher Bebauungsplan für das - nach Vortrag des Klägers für die Umlegung vorgesehene - Gebiet vorlag. Dieser Bebauungsplan wurde erst am 29. November 1982 entsprechend § 12 BBauG bekanntgemacht und damit rechtsverbindlich. Ein privatrechtlicher Grundstückserwerb kann eine Umlegung nur dann vermeiden, wenn diese im Zeitpunkt des Erwerbes formell und materiell möglich wäre (BFH-Urteil vom 30. Januar 1980 II R 44/77, BFHE 130, 185, BStBl II 1980, 362). Ein (förmliches) Umlegungsverfahren - also der Abschluß dieses Verfahrens mit seinen rechtlichen Wirkungen gemäß § 72 BBauG - setzt aber einen (rechtsverbindlichen) Bebauungsplan i. S. des § 30 BBauG voraus (§ 45 Abs. 1 BBauG). Vorher kann das Umlegungsverfahren allenfalls eingeleitet, aber nicht abgeschlossen werden (§ 45 Abs. 2 BBauG).

An der vorgenannten Entscheidung hält der Senat fest. Es ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich, ob und inwieweit schon vor Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplanes Art und Umfang einer zu erwartenden Umlegung feststehen. Denn die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 BBauG vorliegen, ist mit der für die Besteuerung notwendigen Sicherheit erst dann möglich, wenn ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan vorliegt. (Daß in dieser Hinsicht selbst nach Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplanes noch Schwierigkeiten bestehen können, zeigen die Ausführungen oben unter II 1 a der Urteilsgründe.) Diese Auffassung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStBBauG. Die Vorschrift konnte nur dann eingreifen, wenn im Zeitpunkt des Erwerbes rechtsverbindlich feststand, daß und ggf. welche Umlegung stattfinden müßte, falls sie nicht durch freiwillige Maßnahmen vermieden würde. Denn die genannte Vorschrift sah - anders als z. B. § 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau - keine (materiell) vorläufige Steuerbefreiung und spätere Nacherhebung der Steuer vor und knüpfte daher nicht (für eine vorläufige Steuerbefreiung) an künftige, später zu überprüfende Ereignisse an.

2. Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414892

BFH/NV 1988, 462

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