Leitsatz (amtlich)

Methyltertiärbutyläther mit geringen Verunreinigungen an Kohlenwasserstoffen ist kein steuerpflichtiges Mineralöl.

 

Orientierungssatz

Ausführungen zum Sinn und Zweck sowie zur Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 2 Nr. 6 MinöStG.

 

Normenkette

MinöStG § 1 Abs. 2 Nr. 6

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.10.1984; Aktenzeichen IV 51/81 VM)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der X-GmbH. Die GmbH ließ im September 1977 vier Schiffspartien Methyltertiärbutyläther (MTB) zur Einfuhr abfertigen. Mit Steuerbescheid vom 19.Dezember 1978 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.Februar 1981 forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) mit Bezug auf die eingeführten Waren Mineralölsteuer in Höhe von rd. 1,7 Mio DM mit der Begründung nach, MTB sei nach § 1 Abs.2 Nr.6 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) ein steuerpflichtiges Mineralöl. Die Klage hatte Erfolg (Urteil vom 24.Oktober 1984 IV 51/81 VM, Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 198).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des HZA ist nicht begründet. Das Finanzgericht (FG) hat ohne Rechtsirrtum entschieden, daß MTB mit geringen Verunreinigungen aus Kohlenwasserstoffen kein Mineralöl i.S. des MinöStG ist.

Nach § 1 Abs.1 MinöStG unterliegt Mineralöl der Mineralölsteuer. Was unter Mineralöl i.S. des MinöStG zu verstehen ist, bestimmt § 1 Abs.2 MinöStG. In Nr.6 dieser Vorschrift heißt es, daß Mineralöle im Sinne dieses Gesetzes sind "Kraftstoffe anderer als der unter 1 bis 4 genannten Nummern des Zolltarifs (Neufassung ab 1.1.1988: als der unter den Nummern 1 bis 4 genannten Positionen und Unterpositionen des Zolltarifs), ganz oder teilweise aus Kohlenwasserstoffen". Zu Recht hat das FG entschieden, daß das eingeführte MTB nicht "ganz oder teilweise aus Kohlenwasserstoffen" i.S. des § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG besteht.

Nach der genannten Vorschrift sind nicht alle Kraftstoffe (zum Begriff vgl. Senatsurteil vom 5.Mai 1982 VII R 96/78, BFHE 136, 319) als Mineralöl der Besteuerung unterworfen, sondern nur solche, die "ganz oder teilweise aus Kohlenwasserstoffen" bestehen. Dieser Wortlaut spricht dafür, daß nur Kraftstoffe gemeint sind mit einem nicht völlig unbedeutenden Anteil an Kohlenwasserstoffen. Denn die Vorschrift geht zunächst von Waren aus, die "ganz" aus Kohlenwasserstoffen bestehen, um dann auch Waren "teilweise" aus Kohlenwasserstoffen miteinzubeziehen. Diese Wortauslegung --die für sich allerdings nicht zwingend ist-- wird durch die Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck bestätigt.

§ 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG bezweckt die Einbeziehung von "Ersatzkraftstoffen" in die Mineralölbesteuerung (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, 5.Aufl., § 1 MinöStG Anm.37, 38). Der Mineralölsteuer unterliegen in erster Linie die in § 1 Abs.2 Nrn.1 bis 5 MinöStG genannten Produkte, die alle im wesentlichen Kohlenwasserstoffe sind. Es gibt aber Stoffe anderer Beschaffenheit, die die in den Nrn.1 bis 5 genannten Produkte als Kraftstoffe ersetzen können. Es liegt auf der Hand, daß die Verwendung solcher Stoffe in größerem Umfang als Kraftstoff das Mineralölsteueraufkommen beeinträchtigen und unter Umständen den Wettbewerb verzerren kann. Dem soll die Einbeziehung der genannten Substitutionsprodukte in die Mineralölbesteuerung entgegenwirken.

Diesen Zweck würde eine Regelung voll erfüllen, die Kraftstoffe gleich welcher Beschaffenheit --also auch ohne Anteil an Kohlenwasserstoffen-- der Mineralölsteuer unterwerfen würde. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber aber gerade nicht getroffen. Er hat vielmehr in Nr.6 des § 1 Abs.2 MinöStG die Besteuerung von Ersatzkraftstoffen begrenzt auf solche, die ganz oder teilweise aus Kohlenwasserstoffen bestehen. Damit hat der Gesetzgeber die Regelung der Nrn.1 bis 5 wenigstens im Ansatz fortgeschrieben, wonach im wesentlichen nur aus Kohlenwasserstoffen bestehende Waren (also die eigentlichen Mineralöle) der "Mineralöl"-Steuer unterworfen werden sollen. Nicht steuerpflichtig sollen also Waren sein, die zwar als Kraftstoffe verwendet werden können, aber aus anderen chemischen Verbindungen als Kohlenwasserstoffen oder aus anderen chemische Elementen bestehen, wie z.B. Sauerstoff, Wasserstoff und bestimmte Festtreibstoffe. Zu dieser Einschränkung mag den Gesetzgeber die Tatsache bewogen haben, daß es anderenfalls in Anbetracht der Vielfalt der als Kraftstoffe in Betracht kommenden chemischen Produkte ohne Kohlenwasserstoffe zu einer fast uferlosen und durch die Verwaltung nicht mehr praktizierbaren Ausweitung der Besteuerung gekommen wäre. Ferner mag die Überlegung eine Rolle gespielt haben, daß die genannten Kraftstoffe ohne Anteile an Kohlenwasserstoffen praktisch (noch) keine große Rolle spielen.

Aus dieser Zielrichtung der Regelung des § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG lassen sich Schlüsse für die Auslegung ziehen. Die Einschränkung auf Kraftstoffe mit Anteilen an Kohlenwasserstoffen hat nur Sinn, wenn diese Anteile von Relevanz für die Verwendung als Kraftstoff sind. Spuren an Kohlenwasserstoffen, die nur Verunreinigungen sind, genügen diesen Anforderungen nicht (vgl. auch Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 1 MinöStG Anm.37).

Der Senat sieht sich in dieser Auslegung durch sein Urteil vom 26.Juli 1977 VII R 90/75 (BFHE 123, 250, 260) bestärkt. Dort ging es um die Frage, ob Diisobutylen (DI) --nach damaligem Recht kein Mineralöl i.S. des MinöStG-- dadurch zum "mineralölhaltigen" Kraftstoff i.S. des § 1 Abs.1 Nr.6 MinöStG in der damals geltenden Fassung wurde, daß es in einen Tank gefüllt wurde, der noch einen aus Benzin bestehenden sog. toten (d.h. bei normaler Entleerung nicht erfaßbaren) Bestand enthielt. Der Senat vertrat unter Rückgriff auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise die Auffassung, ein Tank mit einem toten Bestand sei steuerrechtlich leer und daher stelle die Vermischung von DI mit dem toten Bestand keine Herstellung von mineralölhaltigen Kraftstoffen dar.

Die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG bestätigt die Auffassung des Senats.

Die Vorläufervorschrift ist durch das Gesetz über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl vom 20.Dezember 1963 (BGBl I 1963, 995, 999) in das MinöStG eingefügt worden. Danach waren Mineralöle im Sinne des Gesetzes "mineralölhaltige Kraftstoffe anderer als der unter 1 bis 4 genannten Nummern des Zolltarifs". Diese Änderung war, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt, "nötig geworden, weil in zunehmendem Maße Nichtmineralöle den Kraftstoffen beigemischt worden sind (in manchen Fällen bis 15 v.H.). Wenn diese Entwicklung anhält und sich etwa noch ausweitet, könnte unter Umständen das Steueraufkommen spürbar beeinträchtigt werden" (BTDrucks IV/1473 S.12/13). Der (historische) Gesetzgeber wollte also in die Mineralölbesteuerung Produkte einbeziehen, die im wesentlichen aus Kohlenwasserstoffen bestehen, denen aber Nichtmineralöle beigemischt worden sind. Auch das Wort "mineralölhaltig" weist in diese Richtung.

Diese Änderung reichte aber offenbar nicht aus, wiederum neu als Kraftstoffe in den Verkehr gebrachte Erzeugnisse zu belasten, die überhaupt keine Anteile mehr damals steuerpflichtiger Mineralöle enthielten (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 1 MinöStG Anm.38). Durch das Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 20.Dezember 1968 (BGBl I 1968, 1391) erhielt § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG die Fassung, die im wesentlichen auch heute noch gilt. Diese Änderung wurde damals auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in das MinöStG mit der Begründung aufgenommen, es habe sich inzwischen ergeben, daß mit der früheren Regelung noch nicht alle Substitutionsmöglichkeiten ausgeschlossen seien; die Generalklausel solle daher durch eine weitere Fassung ersetzt werden (vgl. schriftlichen Bericht des Finanzausschusses in BTDrucks V/3346 --neu--). Es ging also offenbar darum, sich von der Bindung an den Begriff "Mineralöl" (in "mineralölhaltige") zu befreien. Die grundsätzliche Bindung der Besteuerung an das Vorhandensein von Anteilen von Kohlenwasserstoffen in der betreffenden Ware sollte aber offensichtlich erhalten bleiben. Daraus läßt sich schließen, daß auch der Gesetzgeber des Änderungsgesetzes von 1968 nicht z.B. Kraftstoffe mit wirtschaftlich unbedeutenden Verunreinigungen an Kohlenwasserstoffen mit der Mineralölsteuer belegen wollte.

Das HZA beruft sich zu Unrecht für seine Gegenauffassung auf das Senatsurteil in BFHE 136, 319, 331. Für den Senat ging es in diesem Urteil allein darum, ob es für den Begriff "Kraftstoff" i.S. des § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG auf die Eignung oder die Bestimmung der Ware zum Kraftstoff ankommt. In diesem Zusammenhang steht der Satz: "Denn durch § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, alle Ersatzkraftstoffe schon vom Zeitpunkt ihrer technologischen Entstehung an als Mineralöle zu behandeln ...". Darin ist entgegen der Auffassung des HZA nicht die Aussage enthalten, daß grundsätzlich alle Ersatzkraftstoffe der Besteuerung zu unterziehen sind. Der Senat brauchte nämlich in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die einschränkende Regelung einzugehen, daß nur Ersatzkraftstoffe als Mineralöle zu behandeln sind, die ganz oder teilweise aus Kohlenwasserstoffen bestehen. Zu der Frage, welche Bedeutung der Bestandteil an Kohlenwasserstoffen im Kraftstoff haben muß, hat der Senat in diesem Urteil offensichtlich nicht Stellung genommen.

Nach den durch die Revision nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) Feststellungen des FG bestand die eingeführte Ware zu 0,05 bis 0,8 Gewichtshundertteilen aus Kohlenwasserstoffen; dieser Bestandteil war das Ergebnis herstellungsbedingter Verunreinigungen. Der Kohlenwasserstoffgehalt der eingeführten Ware war also für ihre Verwendung als Kraftstoff ohne jede Bedeutung. Solche Waren sollten durch § 1 Abs.2 Nr.6 MinöStG in der Auslegung des Senats der Mineralölbesteuerung nicht unterworfen werden. Das FG hat daher die dem entgegenstehenden angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62217

BFHE 154, 295

BFHE 1989, 295

BB 1988, 1881-1881 (L1)

HFR 1988, 641 (LT)

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