Leitsatz (amtlich)

1. Der Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung steuerbegünstigter Eigentumswohnungen ist gemäß § 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG Bremen 1961 steuerfrei, wenn die anrechenbare Grundfläche des Gebäudes zu mehr als 66 2/3 % steuerbegünstigte Wohnfläche enthält (Anschluß an BFHE 123, 191).

2. Eine "Veräußerung im Zustand der Bebauung" im Sinne des § 4 Abs. 1 letzter Satz GrESWG Bremen 1961 liegt nicht vor, wenn der Verkäufer das Gebäude vereinbarungsgemäß nach dem Verkauf fertigstellt.

 

Normenkette

GrESWG Bremen 1961 § 1 Nr. 1 Buchst. a, § 4 Abs. 1 letzter Satz

 

Tatbestand

I. Die Klägerin erwarb 1967 ein unbebautes Grundstück in B. Der Erwerb blieb steuerfrei, weil die Klägerin erklärt hatte, sie wolle auf dem Grundstück ein Gebäude mit grundsteuerbegünstigten Wohnungen errichten.

Vor der Fertigstellung des Gebäudes teilte die Klägerin das Grundstück in Miteigentumsanteile für 51 Eigentumswohnungen und 19 gewerbliche Einheiten (Teileigentum) auf. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. Juni 1968 verkaufte sie einen Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an - nicht Wohnzwekken dienenden - Räumen an die V-GmbH.

Durch Steuerbescheid vom 30. September 1968 erhob das beklagte Finanzamt gemäß § 4 des Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer i. d. F. vom 19. Dezember 1961 - GrESWG - (Gesetzblatt 1961 S. 243 - GBl 1961, 243 -) nachträglich Grunderwerbsteuer (einschließlich Zuschlag gemäß § 4 Abs. 3 GrESWG). Den Einspruch wies es zurück mit der Begründung, nach der Aufteilung des Grundstücks in Bruchteilseigentum (verbunden mit Sondereigentum) gelte jeder Miteigentumsanteil als selbständiges Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und müsse daher zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dienen (§ 1 Nr. 1 a GrESWG). Das veräußerte Teileigentum sei nicht für Wohnzwecke bestimmt, so daß die Klägerin insoweit den steuerbegünstigten Zweck aufgegeben habe.

Das Finanzgericht wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet.

Die Aufteilung des erworbenen Grundstücks in Wohnungseigentum und Teileigentum sowie die Veräußerung des Teileigentums durch den Vertrag vom 11. Juni 1968 haben keine Nachsteuer gemäß § 4 GrESWG ausgelöst.

1. Die Aufteilung des Grundstücks in Miteigentumsanteile zwingt entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht dazu, bei der Frage nach der Erfüllung des steuerbegünstigten Zweckes jeden Miteigentumsanteil für sich zu betrachten. Zwar trifft es zu, daß jeder derartige Anteil Gegenstand eines Erwerbsvorganges im Sinne des § 1 GrEStG sein kann. Erwerben aber mehrere Personen ein unbebautes Grundstück in Miteigentum (ohne Aufteilung in Wohnungseigentum) zwecks steuerbegünstigter Bebauung, so kann es nur darauf ankommen, ob das errichtete Haus den notwendigen Anteil an steuerbegünstigten Wohnungen enthält. Der Miteigentumsanteil ist insoweit irrelevant, denn er ist örtlich nicht abgrenzbar. Auch beim Wohnungseigentum und Teileigentum (§ 1 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -) ist diese Abgrenzung nur teilweise - nämlich hinsichtlich des Sondereigentums - möglich. Deshalb kann eine Eigentumswohnung nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des betreffenden Gebäudes "hergestellt" werden (vgl. das Urteil vom 14. September 1974 II R 112/69, BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89). Das bedeutet weiterhin, daß grundsätzlich auch bei Errichtung eines in Eigentumswohnungen aufzuteilenden Gebäudes der für die Grunderwerbsteuerbefreiung erforderliche Mindestanteil an grundsteuerbegünstigter Wohnfläche nach der anrechenbaren Grundfläche des gesamten Gebäudes und nicht der einzelnen Eigentumswohnung zu berechnen ist (Urteil vom 27. Juli 1977 II R 119/76, BFHE 123, 191, BStBl II 1977, 872). Eine Ausnahme hat der Senat bisher nur für das bayerische Landesrecht angenommen, weil Art. 1 Nr. 1 Buchst. c und Art. 1 Nr. 3 Buchst. d GrESWG Bayern 1958 auf die Errichtung der einzelnen Eigentumswohnung als steuerbegünstigten Zweck abstellten (Urteil vom 26. Mai 1976 II R 155/71, BFHE 119, 504, BStBl II 1976, 726). Vergleichbare Vorschriften enthält das GrESWG Bremen 1961 nicht. § 1 Nr. 2 Buchst. c betrifft ebenso wie der in dem Urteil II R 119/76 erwähnte § 1 Nr. 2 Buchst. c des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG) 1970 den dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Fall, daß der Erwerber das Grundstück unbebaut weiterveräußert und erst die Nacherwerber die Eigentumswohnungen errichten.

Die vom Finanzamt aufgeworfene Frage, ob unter diesen Umständen die erstmalige Veräußerung einer Eigentumswohnung in einem Gebäude mit weniger als 66 2/3 v. H. Wohnfläche grunderwerbsteuerfrei wäre, ist hier nicht zu entscheiden.

2. Die Klägerin hat auch nicht den steuerbegünstigten Zweck gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz GrESWG aufgegeben. Durch den Vertrag vom 11. Juni 1968 hat sie den Miteigentumsanteil an dem verkauften Grundstück nicht im Zustand der Bebauung weiterveräußert (§ 4 Abs. 1 letzter Satz GrESWG). Entsprechend den Feststellungen des Finanzgerichts hat sie nach Abschluß des Vertrages vom 11. Juni 1968 das Gebäude fertiggestellt. Das Finanzgericht verkennt nicht, daß es naheliegt, hier die Veräußerung einer teilweise vom Verkäufer noch herzustellenden Sache und damit den Verkauf des fertigen Teileigentums anzunehmen. Es meint jedoch, der Begriff der "Veräußerung im Zustand der Bebauung" gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz GrESWG folge anderen Auslegungsgrundsätzen. Der Gesetzgeber habe diese Regelung in die Neufassung des GrESWG vom 19. Dezember 1961 offenbar in Kenntnis des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 26. Juli 1961 II 151/59 U (BFHE 73, 571, BStBl III 1961, 473) aufgenommen. Dort habe der Bundesfinanzhof die Ansicht vertreten, § 1 Nr. 1 a GrESWG Bremen 1954 sei auch dann anwendbar, wenn der Erwerber das geplante Haus trotz Weiterveräußerung des Grundstücks selbst fertigstelle. Die Vollendung des Gebäudes durch den Verkäufer nach Weiterveräußerung des Grundstückes könne demnach - wie das Finanzgericht meint - nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers des GrESWG Bremen 1961 nur noch steuerbefreiende Wirkung haben, wenn der Nacherwerb gemäß § 1 Nr. 3 a steuerbegünstigt sei. Der Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an. Die "Veräußerung im Zustand der Bebauung" ist kein auf das Grunderwerbsteuerrecht oder gar das GrESWG beschränkter Begriff. Seine Definition ergibt sich vielmehr aus den Regeln des allgemeinen (bürgerlichen) Rechts; danach können Käufer und Verkäufer eines Grundstückes dieses auch in künftigem Zustand zum Gegenstand ihres Vertrages machen, sind also in ihren Vereinbarungen nicht an den Zustand bei Vertragsabschluß gebunden. § 4 Abs. 1 GrESWG enthält keine Legaldefinition oder Fiktion, welche diese Gestaltungsfreiheit bei Anwendung der Vorschrift ausschaltet. Demnach hat auch die Klägerin im vorliegenden Fall das Teileigentum nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 GrESWG "im Zustand der Bebauung" verkauft. Sie hat vielmehr die noch fertigzustellenden Räume verkauft und sie auch tatsächlich nach Abschluß des Veräußerungsvertrages selbst fertiggestellt.

Das Finanzgerichtsurteil, der angefochtene Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 653

BFHE 1979, 76

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