Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung eines negativen Einheitswerts einer KG bei negativem Kapitalkonto des Kommanditisten

 

Leitsatz (NV)

1. Führen Entnahmen zu einem negativen Wert des Kapitalkontos und gilt deshalb die zuvor erbrachte Einlage als nicht geleistet, so daß die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern wieder auflebt, stellt die Haftung in Höhe der Einlage eine bei der Aufteilung des Einheitswerts zu berücksichtigende wirtschaftliche Belastung dar.

2. Dient ein an die Gesellschaft rückzahlbares Darlehen weder dem Betrieb der KG noch der Beteiligung des Kommanditisten, sondern ausschließlich einem der Privatsphäre des Kommanditisten zuzurechnenden Bauvorhaben, kommt bei der Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens eine Vorabzurechnung der Darlehensverbindlichkeit als Sonderbetriebsvermögen nicht in Betracht.

 

Normenkette

AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 2; BewG §§ 3, 97 Abs. 1; HGB § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt ein Bauunternehmen. Am Stichtag war ihre alleinige persönlich haftende Gesellschafterin die mit 1 v. H. am Gewinn und Verlust beteiligte X-GmbH; einziger Kommanditist war der mit 99 v. H. am Gewinn und Verlust beteiligte Beigeladene A. mit einer eingezahlten Haft- und Pflichteinlage von 100 000 DM. Diese wird gemäß § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags auf einem festen Kapitalkonto geführt. Nach Abs. 3 dieser Regelung sind Kommanditisten im Falle ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft oder deren Liquidation oder in sonstigen Fällen nicht nachschußpflichtig, wenn ihre Einlage durch Verluste aufgezehrt oder ihr Kapitalkonto, das auch negativ werden kann, negativ geworden ist. Nach dem am 15. Dezember 1978 eingefügten § 7 a des Gesellschaftsvertrags sind die Privatkonten der Kommanditisten Darlehenskonten, die mit 6 v. H. des durchschnittlichen Standes zum Jahresanfang und Jahresende verzinst werden. Hierüber werden Entnahmen und Einlagen sowie Gewinnanteile gebucht, soweit sie nicht zum Ausgleich von Verlustvorträgen benötigt werden. Die Höhe der zulässigen Entnahmen wird jeweils durch Beschluß der Gesellschafter festgelegt, wobei Entnahmen für Steuern, die auf die Beteiligung an der Klägerin entfallen, stets zulässig sind.

Am 15. Januar 1982 beschlossen die Gesellschafter, daß der Beigeladene A. den "für ein privates Bauvorhaben" benötigten Grund und Boden sowie "erhebliche finanzielle Mittel" aus dem Betriebsvermögen der Klägerin "entnehmen" werde. Diese Entnahme, der die Gesellschafterversammlung zustimme, sei gemäß § 7 a des Gesellschaftsvertrags über das Gesellschafter darlehenskonto zu buchen. Der durch die Entnahmen auf dem Darlehenskonto entstehende Sollsaldo gelte als Darlehen, das der Beigeladene A. " ... nach Abschluß der Gesamtfinanzierung des privaten Bauvorhabens ... " zurückzahlen werde. Die Klägerin habe " ... jederzeit das Recht, den Ausgleich des Darlehenskontos mit einer Frist von drei Monaten zu verlangen".

In der auf den 31. Dezember 1982 erstellten Handelsbilanz sind unter "Kapital- und Darlehenskonten der Gesellschafter" für den Beigeladenen A. die nachstehenden Beträge ausgewiesen:

Kommanditeinlage: 100 000 DM

Darlehen, . /. 33 852,45 DM

Stand 1. Januar 1982:

-- Steuerzahlungen . /. 94 446,64 DM

-- übrige Entnahmen

(saldiert mit Einlagen) . /. 431 484,26 DM

-- Darlehenszinsen . /. 17 809,07 DM

577 592,42 DM

Gewinnanteil 1982: 9 949,18 DM

. /. 567 643,24 DM

0 DM

Der Betrag in Höhe von ./. 567 643,24 DM ist in der Handelsbilanz der Klägerin unter dem Posten "Darlehenskonten der Gesellschafter: A." aktiviert.

Mit angefochtenem Bescheid vom 4. Mai 1984 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1983 unter Korrektur des Werts der Maschinen und maschinellen Anlagen im übrigen erklärungsgemäß auf ./. 365 000 DM fest. Diesen Betrag rechnete er jedoch -- insoweit abweichend von den Angaben der Klägerin -- allein der X-GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin zu.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte die Klägerin im wesentlichen geltend, die ihrer handelsrechtlich aktivierten Forderung entsprechende Darlehensschuld des Beigeladenen A. sei diesem gemäß Abschn. 19 Satz 1 i. V. m. Abschn. 18 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1983 vorab zuzurechnen. Abweichend von den vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen liege im Streitfall kein durch Verlustverrechnung negativ gewordenes Kapitalkonto des Kommanditisten vor. Das für den Beigeladenen A. geführte Kapitalkonto sei ausweislich der Handelsbilanz zum 31. Dezember 1982 positiv gewesen. Das außerdem für ihn eingerichtete Gesellschafterdarlehenskonto sei zwar negativ, aber kein "solches" (Kapital-)Konto, weil der Beigeladene A. am Stichtag verpflichtet gewesen sei, den hierauf gebuchten und als Darlehen geltenden Debetsaldo wieder auszugleichen.

Das Finanzgericht (FG) bejahte eine gegenüber der Klägerin bestehende Verpflichtung des Beigeladenen A. zur Zahlung von 567 643 DM und verteilte den für das Betriebsvermögen der Klägerin auf ./. 365 000 DM festgestellten Einheitswert antragsgemäß dergestalt auf die Beteiligten, daß es dem Beigeladenen A. ./. 381 024 DM und der Beigeladenen X-GmbH 16 024 DM zurechnete.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aufzuheben und von dem für die Klägerin auf den 1. Januar 1983 festgestellten (negativen) Einheitswert des Betriebsvermögens von insgesamt ./. 365 000 DM dem Beigeladenen A. ein Betrag von ./. 100 000 DM sowie der Beigeladenen X-GmbH ein Betrag von ./. 265 000 DM zuzurechnen.

1. Das FG ist zutreffend zunächst davon ausgegangen, daß der für das Betriebsvermögen der Klägerin festgestellte Einheitswert auf die einzelnen Gesellschafter grundsätzlich nach dem Wertverhältnis der Mitgliedschaftsrechte unter Berücksichtigung von deren Substanz- und Ertragswert aufzuteilen und für die Ermittlung der Beteiligungsverhältnisse von den Kapitalkonten der Gesellschafter in der Handelsbilanz auszugehen ist (s. BFH-Urteile vom 24. Juni 1981 III R 49/78, BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2, und vom 11. März 1992 II R 157/87, BFHE 167, 174, BStBl II 1992, 543).

Dem FG ist ferner insoweit zuzustimmen, als es dem Beigeladenen A. einen Betrag in Höhe von ./. 100 000 DM bei der Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zugerechnet hat. Denn in den zu einem negativen Kapitalkonto führenden Entnahmen liegt -- zumindest im wirtschaftlichen Ergebnis -- eine Rückzahlung bzw. Herabminderung der Kommanditeinlage des Beigeladenen A. i. S. von § 172 Abs. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB). Dies führt dazu, daß die von dem Beigeladenen A. zuvor erbrachte Einlage als nicht geleistet gilt und die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nach § 171 Abs. 1 HGB in Höhe der (Haft-)Einlage wieder auflebt. Diese Haftung des Beigeladenen A. gegenüber den Gläubigern der Klägerin in Höhe der Einlage von 100 000 DM stellt eine bei der Aufteilung des Einheitswerts zu berücksichtigende wirtschaftliche Belastung dar (s. Senatsurteil vom 15. Februar 1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18). Insoweit kann der Revisionsantrag des FA keinen Erfolg haben.

2. Soweit das FG jedoch davon ausgegangen ist, daß das negative Kapitalkonto des Beigeladenen A. auch im übrigen dazu führt, daß dem Beigeladenen A. ein Anteil am (negativen) Einheitswert des Betriebsvermögens zugerechnet werden müsse, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das negative Kapitalkonto hat nur Auswirkungen auf die künftige Gewinnverteilung (§ 167 f. HGB); es hat jedoch keine Relevanz für den Vermögensstand am Stichtag. Denn die Verpflichtung eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto, etwaige Gewinne nachfolgender Wirtschaftsjahre zunächst zur Deckung des negativen Kapitalkontos zu verwenden, ist am jeweiligen Stichtag kein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 174, BStBl II 1992, 543, m. w. N.). Entgegen der Auffassung des FG ist es insoweit unerheblich, ob für die Entstehung eines negativen Kapitalkontos Verlustzuweisungen oder überhöhte Privatentnahmen ursächlich sind.

Auch eine Vorabzurechnung einer durch die Entnahmen des Beigeladenen A. begründeten Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin als (negatives) Sonderbetriebsvermögen scheidet aus. Dabei läßt es der Senat -- wie das FG -- dahingestellt, ob es sich insoweit um eine gesellschaftsrechtlich begründete Verpflichtung zur Rückzahlung oder um eine echte Darlehensverbindlichkeit des Beigeladenen A. gegenüber der Gesellschaft handelt, wovon die Klägerin ausgeht. Denn in keinem Fall steht die Rückzahlungsverpflichtung in einem inneren Zusammenhang mit dem Betrieb der Gesellschaft. Auch wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, daß es sich bei dieser Verbindlichkeit entsprechend dem Gesellschafterbeschluß vom 15. Januar 1982 um ein Darlehen handelt, dient dieses weder dem Betrieb der Klägerin noch der Beteiligung des Beigeladenen A., sondern ausschließlich dem Erwerb und der Errichtung des der Privatsphäre zuzurechnenden Bauvorhabens des Bei geladenen A. Stellt aber die Darlehens verbindlichkeit kein Sonderbetriebsvermögen dar, kommt im Rahmen der verhältnismäßigen, am Vermögensanteil der beteiligten Gesellschafter orientierten Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens eine vorab vorzunehmende Bereinigung um diesen Schuld posten und eine unmittelbare Zurechnung zugunsten des Beigeladenen A. nicht in Betracht.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 744

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