Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Wohnung gemäß § 75 Abs. 5 und 6 BewG

 

Leitsatz (NV)

An der nach dem BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505; BStBl II 1985, 151) erforderlichen baulichen Trennung fehlt es, wenn eine Treppe den freien Zugang zu den einzelnen Wohnräumen des Hauses eröffnet.

 

Normenkette

BewG 1965 § 75 Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines im Jahr 1980 fertiggestellten Reihenhauses mit einer Wohnfläche von 230 qm. Im Dachgeschoß befinden sich das Arbeitszimmer des Klägers und ein Appartement von 21,53 qm Wohnfläche sowie ein Sanitärraum (Dusche, Bad und WC, 6,44 qm) und ein Küchenraum (rd. 6 qm). In letzterem steht eine sog. Kompaktküche, die im Sommer 1981 eingerichtet wurde. Er wird durch ein Dachfenster belichtet und ist zum Treppenabsatz hin durch einen Vorhang abgetrennt. Zum Dachgeschoß gelangt man über eine Treppe, die im Erdgeschoß und im Obergeschoß an den Türen der weiteren Räume des Hauses vorbeiführt. Appartement, Küche und Sanitärraum sind seit 1981 vermietet.

Zum 1. Januar 1981 bewertete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) das Wohngrundstück als Einfamilienhaus. Den Antrag der Kläger, das Grundstück ab 1. Januar 1982 als Zweifamilienhaus zu bewerten, hat das FA abgelehnt.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 487 veröffentlicht.

Mit der Revision wendet das FA ein, daß es hinsichtlich des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs auf die tatsächliche Nutzung für Zwecke eines eigenen Haushalts dann nicht ankomme, wenn die objektiven Merkmale der baulichen Gestaltung zweifelsfrei für oder gegen die Annahme einer zweiten Wohnung sprächen. Im Streitfall erlaube die Lage der beiden Wohnbereiche in drei übereinander angeordneten Geschossen und der gemeinsame Zugang mit dem im Hausinneren angeordneten Treppenaufgang kein gegenüber einem Mieter geschütztes Wohnen mit eigenem Intimbereich. Auch von der Größe und Ausstattung her seien die fraglichen Räume im Dachgeschoß nicht für die Führung eines eigenen Haushalts geeignet.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung (§ 75 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -), Zweifamilienhäuser solche, die nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Für die Artfeststellung Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus ist danach entscheidend, ob eine oder zwei Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind.

a) Unter einer Wohnung ist nach ständiger Rechtsprechung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß in ihnen die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Dies erfordert das Vorhandensein bestimmter weiterer Merkmale. Der erkennende Senat hat allerdings - teilweise abweichend von der bisherigen Rechtsprechung - in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BStBl II 1985, 151) einzelne Merkmale des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs jedenfalls für die Bewertungsstichtage ab 1. Januar 1974 enger gefaßt. Danach ist für die Beurteilung der Frage, ob Räumlichkeiten den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllen, u. a. wesentlich, daß die Räume eine von anderen Wohnungen und Wohnräumen eindeutig baulich getrennte, in sich abgeschlossene Einheit darstellen. Sie müssen einen eigenen Zugang aufweisen.

b) Das Wohngrundstück der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Räume des Dachgeschosses, die nach Auffassung der Kläger eine eigenständige zweite Wohnung darstellen, bilden keine baulich getrennte, gegenüber den übrigen Wohnräumen abgeschlossene Einheit. Im Streitfall eröffnet die Treppe, die auch die Räume im Dachgeschoß erschließt, ihrerseits einen freien Zugang zu allen Wohnräumen der Hauptwohnung. Bei dieser Sachlage ist es nicht möglich, allein aufgrund der baulichen Gestaltung die einzelnen Wohnräume eindeutig zwei selbständigen Wohnungen zuzuordnen. Darüber hinaus fehlt es den Räumen im Dachgeschoß an dem erforderlichen eigenen Zugang.

Da die Bewertung als Zweifamilienhaus damit bereits am fehlenden eigenen Zugang und der mangelnden Abgeschlossenheit scheitert, war die Tatsache, daß die fraglichen Dachgeschoßräume beieinanderliegen und als Einheit vermietet waren, nicht mehr entscheidungserheblich.

2. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Kläger kann aus der baurechtlichen Genehmigung der ,,Einliegerwohnung" und deren wohnungsbaurechtlichen Behandlung für den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff nichts hergeleitet werden. Die baurechtliche Genehmigung als bauordnungsrechtliche Überprüfung der architektonischen Zielsetzung enthält keine Prüfung, ob das bewertungsrechtliche Merkmal ,,abgeschlossene räumliche Einheit" erfüllt ist. Sie kann damit keine Bindungswirkung für die bewertungsrechtliche Beurteilung entfalten. Auch die Begriffsbestimmung der Einliegerwohnung im Wohnungsbaurecht (vgl. §§ 11, 40 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WoBauG - i.d.F. vom 30. Juli 1980, BGBl I 1980, 1085, BStBl I 1980, 482, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1982, BGBl I 1982, 969, BStBl I 1982, 638) kann der bewertungsrechtlichen Auslegung des Wohnungsbegriffs nicht zugrunde gelegt werden. Gemäß § 11 des II. WoBauG ist eine Einliegerwohnung eine abgeschlossene oder nicht abgeschlossene Wohnung, die gegenüber einer Hauptwohnung von untergeordneter Bedeutung ist. Zwar spricht auch § 75 Abs. 5 Satz 3 BewG von einer zweiten Wohnung, die auch dann dem Begriff ,,Einfamilienhaus" entgegenstehe, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Der bewertungsrechtliche Begriff der ,,Wohnung von untergeordneter Bedeutung" ist jedoch nicht mit dem wohnungsbaurechtlichen Begriff der Einliegerwohnung gleichzusetzen, weil dieser umfassender ist. Eine Wohnung von untergeordneter Bedeutung kann bereits dann vorliegen, wenn nur eines von mehreren Merkmalen des Begriffs der Einliegerwohnung gemäß § 11 des II. WoBauG gegeben ist.

3. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413881

BFH/NV 1986, 12

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