Entscheidungsstichwort (Thema)

Formelle Satzungsmäßigkeit eines Meditationsvereins

 

Leitsatz (NV)

1. Nach § 60 Abs. 1 AO 1977 sind der gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zweck und die Art seiner Verwirklichung in der Satzung so weit wie möglich zu konkretisieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Steuerpflichtiger einen Zweck verfolgt, dem kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt.

2. Die Satzung muß auch zweifelsfrei erkennen lassen, daß der Steuerpflichtige ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt. Insoweit bestehende Unklarheiten gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 52, 60; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein.

Der Vereinszweck ist in § 2 der Satzung wie folgt beschrieben:

,,Der Verein erstrebt ausschließlich und unmittelbar die Förderung der Allgemeinheit durch Verbreitung der folgenden geistig-seelischen Werte: Innerer Friede, Auflösung von Spannungen, Lösung von Streß, Entwicklung geistiger Fähigkeiten, Energiezuwachs und Harmonisierung im Alltag, Bewußtseins- und Persönlichkeitsentfaltung, Förderung der Volksgesundheit.

Diese Ziele sollen erreicht werden mit Hilfe der ,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz` nach . . . aus . . . , Indien, dem Begründer der . . .

Der praktische Aspekt der ,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz` ist die ,Transzendentale Meditation`, eine einfache Technik zur Entfaltung des Bewußtseins. Sie kann von jedem Menschen, gleichgültig welcher Rasse oder welcher konfessionellen und politischen Richtung er angehört, erfolgreich ausgeführt werden . . .

Mit der Verbreitung dieser geistig-seelischen Werte durch die ,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz` in Theorie und Praxis erstrebt der Verein die unmittelbare und ausschließliche Förderung positiver Umweltwerte, insbesondere des Friedens im persönlichen, sozialen, nationalen und internationalen Bereich zur besseren Verständigung der Völker.

Der Verein wendet sich an alle, die sich durch das Wort ,geistig` (spirituell) angesprochen fühlen. Die . . . hat das Ziel, auf die essentiellen Fragen des Lebens Antwort zu geben und den Weg zur Integration der Persönlichkeit aufzuzeigen."

Dazu heißt es ergänzend in § 3 der Satzung betreffend die Tätigkeit des Vereins:

,,Der Verein verfolgt seine Ziele in Übereinstimmung mit der Satzung der übergeordneten Organisation auf Bundesebene, der . . .

Der Verein veranstaltet und unterstützt öffentliche und geschlossene Vorträge über die ,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz in Theorie und Praxis` sowie Zusammenkünfte auf regionaler Ebene. Der Verein unterhält, fördert und unterstützt Einrichtungen, die der Ausbreitung, Pflege und Vertiefung dieser Wissenschaft und ihrer praktischen Erfahrung dienen (z. B. Institute und Akademien)."

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte den Kläger zunächst für die Jahre 1975 bis 1979 wegen Förderung der Gesundheitspflege durch Meditation von der Körperschaftsteuer frei. Für die Streitjahre hingegen erließ das FA Körperschaftsteuerbescheide, in denen es die Körperschaftsteuer mit 0 DM festsetzte.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 52, 60 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Klägers als gemeinnützige Körperschaft liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts (FG) fehlt es an der formellen Satzungsmäßigkeit (§ 60 AO 1977) des Klägers.

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungszweck und der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 AO 1977 gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Nach § 60 Abs. 1 AO 1977 müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, daß aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen gegeben sind.

2. Das FG ist davon ausgegangen, daß der Kläger seine Ziele nur durch die transzendentale Meditation verwirklichen wollte. Deshalb hat es die Prüfung der formellen Satzungsmäßigkeit auf diesen Gesichtspunkt beschränkt. Nach § 2 Satz 2 seiner Satzung wollte der Kläger jedoch seine Satzungsziele mit Hilfe der ,,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz nach . . ." erreichen. Die transzendentale Meditation war nach § 2 Abs. 3 der Satzung nur der ,,praktische Aspekt der Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz". Deshalb hängt die Antwort auf die Frage, ob die Satzung des Klägers den formellen Anforderungen des § 60 Abs. 1 AO 1977 entspricht, davon ab, ob die Angabe der Verwirklichung des Satzungszweckes durch die ,,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz nach . . ." die beabsichtigte Verfolgung ausschließlich gemeinnütziger Zwecke wiedergibt. Diese Frage ist zu verneinen.

Nach § 60 Abs. 1 AO 1977 sind der gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zweck und die Art seiner beabsichtigten Verwirklichung in der Satzung festzuschreiben. Die Festschreibung hat die Funktion eines Buchnachweises. Sie soll der Finanzbehörde ermöglichen, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung leicht und einwandfrei zu überprüfen. Deshalb sind der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung so weit wie möglich zu konkretisieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Steuerpflichtiger einen Zweck verfolgt, dem kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt. Zwar reicht es aus, wenn sich der begünstigte Zweck und die Art seiner Verwirklichung durch Auslegung der Gesamtheit der Satzungsbestimmungen ergeben (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482). Dennoch muß die Satzung zweifelsfrei erkennen lassen, daß der Steuerpflichtige ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt. Insoweit bestehende Unklarheiten gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft.

Die von dem Kläger beabsichtigte Verwirklichung des Satzungszwecks ,,mit Hilfe der Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz nach . . ." läßt für sich genommen nicht erkennen, daß der Kläger ausschließlich gemeinnützige Zwecke zu verfolgen beabsichtigte. Dazu versteht der Senat die transzendentale Meditation als eine Bewegung, die die Kräfte ,,schöpferischer Intelligenz und Harmonie" im Bewußtsein erschließen will, wodurch der alltägliche Streß abgebaut werden und der Meditierende höhere Bewußtseinszustände sowie eine umfassende Steigerung seiner Lebensmöglichkeiten erreichen soll. Diese Ziele sind für sich genommen gemeinnützig (Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens). In der Öffentlichkeit wird die transzendentale Meditation aber auch in einen Zusammenhang mit ,,Jugendreligionen" und ,,Jugendsekten" gestellt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Mai 1989 7 C 2/87, BVerwGE 82, 76 ff. = Neue Juristische Wochenschrift 1989, 2272 ff. m. w. N.). Auch wenn die Begriffe ,,Jugendreligionen" und ,,Jugendsekten" keine deutlichen Konturen haben, so verbinden sich doch mit ihnen Merkmale, die typischerweise keine Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke sind. Dazu gehören u. a. die Verfolgung einer Weltverbesserungsideologie mit Totalitätsanspruch, die Anerkennung einer umstrittenen autoritären Führergestalt, das Fördern eines missionarischen Sendungsbewußtseins der Anhänger der transzendentalen Meditation, die Verfolgung fester Gruppenstrukturen und gruppenspezifischer Rituale (vgl. BTDrucks 8/2790 S. 2 ff.). Wenn deshalb der Kläger die Verwirklichung seines Satzungszweckes nur mit der Verfolgung der ,,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz nach . . ." umschreibt, dann schließt dies die Verfolgung nicht gemeinnütziger Zwecke nicht von vornherein aus. Dann aber ergeben sich die Voraussetzungen der Steuervergünstigung nicht einwandfrei aus der Satzung des Klägers.

3. Die Verfolgung ausschließlich gemeinnütziger Zwecke ergibt sich auch nicht aus der Verweisung auf die Satzung der dem Kläger übergeordneten Organisation auf Bundesebene in § 3 der Satzung. Ein solcher Verweis auf außerhalb der Satzung liegende Sachverhalte unter der Überschrift ,,Tätigkeit des Vereins" trägt zur inhaltlichen Bestimmung derselben nichts bei und ist nur geeignet, selbst im Fall einer ansonsten hinreichend konkreten Bestimmung der satzungsmäßigen Ziele die formelle Satzungsmäßigkeit zu gefährden. Denn durch eine solche Bezugnahme auf eine andere außerhalb der Satzung des Klägers liegende Regelung werden die eigenen Satzungsregelungen nur in unbestimmter Weise relativiert und eine Prüfung der steuerlichen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit ohne Heranziehung der in Bezug genommenen Satzungen der übergeordneten Organisation unmöglich gemacht (vgl. BFH vom 19. April 1989 I R 3/88, BFHE 156, 381, BStBl II 1989, 595).

4. Zwar ergibt sich aus § 3 Abs. 2 der Satzung des Klägers auch, daß dieser öffentliche und geschlossene Vorträge über die ,,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz in Theorie und Praxis" sowie Zusammenkünfte auf regionaler Ebene veranstaltet und unterstützt. Außerdem beabsichtigte der Kläger, Einrichtungen zu fördern und zu unterstützen, die der Ausbreitung, Pflege und Vertiefung dieser Wissenschaft und ihrer praktischen Erfahrung dienen. Die Bezugnahme auf die ,,Wissenschaft der Schöpferischen Intelligenz" läßt aber auch insoweit Zweifel darüber aufkommen, ob der Kläger die Verwirklichung nur gemeinnütziger Zwecke anstrebt und sich von den nicht-gemeinnützigen Zwecken distanziert, wie sie sich aus der Verbindung der transzendentalen Meditation mit den Begriffen ,,Jugendreligionen" und ,,Jugendsekten" ergeben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 695

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