Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abgrenzung des laufenden Gewinns vom Aufgabegewinn bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit

 

Leitsatz (NV)

Erlöse aus der Veräußerung von Edelmetallabfällen können Teil des begünstigten Gewinns aus der Aufgabe einer Zahnarztpraxis sein, wenn sie im Zusammenhang mit der Praxisaufgabe erzielt werden.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb lange Jahre eine Zahnarztpraxis. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1980 teilte er dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit, daß er seit dem 30. Juni 1980 keine Angestellten mehr beschäftige und die Praxis mit dem 30. September 1980 erloschen sei. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 erklärte der Kläger einen laufenden, durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelten Gewinn aus seiner Praxis in Höhe von ... DM. Dieser Erklärung war ein Jahresabschluß beigefügt, aus dem sich Einnahmen aus Verkäufen an die Firma X in Höhe von ... DM ergaben, die als laufender Ertrag erfaßt worden waren. Zur Praxisaufgabe teilte der Kläger mit, daß er die Einrichtung wegen Überalterung zum Sperrmüll gegeben habe.

Nachdem der Kläger erklärungsgemäß vorläufig veranlagt worden war, ergaben Feststellungen der Steuerfahndung, daß der Kläger am 29. Januar 1980 mehrere Posten Altedelmetalle an die Firma X verkauft und dafür Feingoldband im Wert von ... DM sowie eine Gutschrift über ... DM für Silber-, Gold-, Platin- und Paladiumabfälle von ...g erhalten hatte. Eine weitere Gutschrift über ... DM für einen Posten von ...g Amalgam/Silber hatte der Kläger als Betriebseinnahme erfaßt. Daraufhin erhöhte das FA den Gewinn des Klägers um die gutgeschriebenen Beträge von insgesamt ... DM auf ... DM und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1980.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Das Feingoldband und die Gutschrift der Firma X seien zu Recht als Betriebseinnahmen erfaßt worden, da die hingegebenen Abfälle Gegenstände des Betriebsvermögens gewesen seien, die der Kläger im Wege der Schenkung oder als zusätzliches Entgelt von den Patienten erworben habe. Diese Betriebseinnahmen seien auch zutreffend dem laufenden Gewinn und nicht dem steuerbegünstigten Aufgabegewinn zugerechnet worden, weil die Abfälle nicht im Rahmen der Aufgabe des Betriebs veräußert worden seien. Zwar könnten auch Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens zum steuerbegünstigten Aufgabegewinn gehören, dies erfordere jedoch einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Veräußerung mit der Betriebsaufgabe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368). Im Streitfall aber habe der Kläger die Abfälle lediglich der Firma zurückgeliefert, mit der er ständige Geschäftsbeziehungen unterhalten hätte. Im übrigen habe der Kläger die Gutschrift über ... DM als laufenden Gewinn verbucht, so daß unererklärlich sei, warum die zuvor erhaltenen Erlöse Teil des Betriebsaufgabegewinns seien.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er trägt vor: Zwar gehörten die während des Berufslebens angesammelten Altgoldreste zum notwendigen Betriebsvermögen eines Zahnarztes. Ihre Verwertung erfolgte jedoch nicht im Rahmen der normalen Berufstätigkeit. Daher bestehe ein Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe. Da er die Abfälle unentgeltlich erworben habe, seien bei Berechnung des Augabegewinns vom Veräußerungspreis keine Anschaffungskosten abzuziehen, weil solche nicht entstanden seien. Im übrigen seien die Edelmetallabfälle nicht zur Lieferung an die Scheideanstalt, sondern als Edelmetallvorrat gesammelt worden. Er hätte sie ohne weiteres einschmelzen lassen und als Zahngold verwenden können.

Nach seiner Auffassung sind die Edelmetallverkäufe der normalen, laufenden freiberuflichen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Übereinstimmend gehen die Beteiligten davon aus, daß die im Laufe der Berufstätigkeit vom Kläger erworbenen Altedelmetalle zum notwendigen Betriebsvermögen der Praxis gehörten und daß die Erlöse aus der Veräußerung dieser Abfälle Betriebseinnahmen sind (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607). Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen jedoch nicht den Schluß des FG, daß im Streitfall zwar eine Betriebsaufgabe vorliegt, die Einnahmen aus der Veräußerung des Altedelmetalls aber nur den laufenden Praxisgewinn des Streitjahres erhöhen.

a) Nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gehören zu den tarifbegünstigten Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch Gewinne, die bei der Aufgabe des der selbständigen Arbeit dienenden Vermögens entstehen. Zum begünstigten Aufgabegewinn gehören danach auch Gewinne aus der Einzelveräußerung von Wirtschaftsgütern, wenn sie im Rahmen der Aufgabe des Betriebs veräußert werden.

b) Auch die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens kann zu einem begünstigten Aufgabegewinn führen. Nach der Rechtsprechung des Senats erfolgt eine solche Veräußerung jedoch dann nicht im Rahmen der Betriebsaufgabe, sondern noch im Rahmen des laufenden Betriebs, wenn die bisherigen Abnehmer beliefert werden und insoweit die frühere normale Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird (Urteile vom 2. Juli 1981 IV R136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798, und vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368). So hat der BFH bei dem Räumungsverkauf eines Einzelhändlers den wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe verneint, weil die Veräußerungen an den bisherigen Kundenkreis erfolgten (vgl. BFH-Urteile vom 29. November 1988 VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602, und vom 14. November 1990 X R 145/87, BFH/NV 1991, 373), während er die Veräußerung selbsterzeugter Waren dem begünstigten Aufgabegewinn zugerechnet hat, weil es sich abweichend vom normalen Geschäftsgang um Lieferungen an Handelsvertreter gehandelt hatte, die bisher nur mit der Vermittlung des Verkaufs der Erzeugnisse an Einzelhändler betraut waren (BFH in BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368).

c) Ist danach für die Frage nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang eines Geschäfts mit der Betriebsaufgabe vor allem auf Art und Umfang der bisherigen Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen, so muß dies ganz besonders für einen Angehörigen der freien Berufe gelten. Dies folgt aus der Personenbezogenheit der selbständigen Arbeit und dem Erfordernis einer besonderen beruflichen Qualifikation. Nach Auffassung des Senats sind daher Hilfsgeschäfte, wie sie ein Zahnarzt mit der Verwertung ihm überlassener Edelmetallabfälle betreibt, jedenfalls dann keine Geschäfte im Rahmen der normalen Berufsausübung eines selbständig Tätigen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Praxisaufgabe erfolgen, denn das typische Berufsbild eines Zahnarztes wird weder durch einen Handel mit Edelmetallabfällen noch durch die Verwertung der zu Vorratszwecken gesammelten Abfälle geprägt.

Entgegen der Auffassung des FG ist daher ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe auch im Streitfall grundsätzlich möglich. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kläger nur die im Laufe seiner langjährigen Berufstätigkeit gesammelten Abfälle verwertet hat.

d) Eine Betriebsaufgabe setzt allerdings voraus, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit und äußerlich erkennbar an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder ganz oder teilweise in das Privatvermögen überführt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719; vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, 327, BStBl II 1984, 711; vom 3. Oktober 1984 I R 116/81, BFHE 142, 381, 383, BStBl II 1985, 131, und vom 26. Mai 1993 X R 101/90, BFHE 171, 468, BStBl II 1993, 710). Dies gilt grundsätzlich auch für die der Betriebsaufgabe gleichgestellte Aufgabe des Vermögens einer freiberuflichen Praxis (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG i.V.m. § 16 Abs. 3 EStG).

Allerdings kann sich aus der Personenbezogenheit freiberuflicher Betätigung und der Besonderheit, daß in aller Regel kaum nennenswertes Anlagevermögen, wie Grundbesitz vorhanden ist, dessen Verwertung Schwierigkeiten bereiten könnte, ergeben, daß der Zeitraum zwischen Beginn und Ende der Aufgabe kürzer zu bemessen ist als bei einem Gewerbetreibenden. Nach Auffassung des Senats ist jedoch auch einem Freiberufler ein Zeitraum von bis zu 6 Monaten für die Aufgabe seiner Praxis zuzugestehen. Wird dieser Zeitraum wesentlich überschritten und ist dies nicht durch das Vorliegen besonderer Verhältnisse gerechtfertigt, so ist von einer nicht begünstigten Betriebsabwicklung auszugehen.

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Im Streitfall ist das FG zwar von einer Betriebsaufgabe durch den Kläger ausgegangen, hat jedoch, von seinem Standpunkt zu Recht, keine Feststellungen dazu getroffen, ob die wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis tatsächlich in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit veräußert oder in das Privatvermögen überführt worden sind.

Das FG wird daher zunächst festzustellen haben, ob im Streitfall eine Aufgabe oder eine Abwicklung der Praxis vorgelegen hat. Falls es zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen der §§ 16 Abs. 3, 18 Abs. 3 EStG erfüllt sind, hat es den Gewinn aus der Aufgabe der Praxis festzustellen. Dieser ist nach den für die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich geltenden Grundsätzen (§ 4 Abs. 1 EStG) zu ermitteln, obwohl der Kläger seinen laufenden Gewinn durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG berechnet hat (Senatsurteil vom 16. März 1989 IV R 153/86, BFHE 156, 195, BStBl II 1989, 557; s. auch Urteil vom 17. April 1986 IV R 151/85, BFH/NV 1987, 759). Daß der Kläger bisher keine Aufgabebilanz erstellt hat, ist unschädlich. Mangels einer gesetzlichen Verpflichtung, eine Aufgabebilanz innerhalb einer bestimmten Frist aufzustellen, kann die Ermittlung des Aufgabegewinns noch nachgeholt oder im Wege der Schätzung vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 3. Juli 1991 X R 163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 540

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge