Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewertung von Anteilen an einer Organgesellschaft, die mit dem Organträger einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen hat, sind zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren die Betriebsgewinne des Organs als ihre eigenen Betriebsgewinne anzusetzen. Die Ertragsteuern sind in der Höhe zu berücksichtigen, in der sie ohne Bestehen des Ergebnisabführungsvertrags von dem Organ zu entrichten wären. Die Höhe der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen im Sinne des § 19 Abs. 3 KStG, die nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz KStG nur mit 15 v. H. zu versteuern sind, ist nach den Verhältnissen des Organs zu schätzen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 2; VStR 1963 Abschn. 77-79, 83 Abs. 2; KStG 1961 § 19 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz, Abs. 3

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Streitig ist die Bewertung der Anteile der Rechtsvorgängerin der Revisionsklägerin, einer GmbH, zum 31. Dezember 1962. An diesem Stichtag war die Revisionsklägerin die alleinige Gesellschafterin dieser GmbH, die ein Stammkapital von 1 500 000 DM hatte. Zwischen der Revisionsklägerin und dieser GmbH bestand ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hatte den gemeinen Wert der Anteile der GmbH auf den 31. Dezember 1962 zunächst durch Bescheid vom 27. August 1964 auf je 154 DM für 100 DM Nennkapital festgestellt. Dabei hatte das FA bei der Berechnung des ausschüttungsfähigen Ertrages unter Hinweis auf Abschn. 83 Abs. 2 VStR 1963 unterstellt, daß die GmbH, wenn der Ergebnisabführungsvertrag nicht bestanden hätte, einen Teil des Gewinns ausgeschüttet hätte, so daß dieser Teil nur mit 15 v. H. zur Körperschaftsteuer herangezogen worden wäre. Diesen Teil des Gewinns hatte das FA nach einer von Dahlheimer (Steuerwarte 1964 S. 124) angegebenen Formel mit 45,86 v. H. des erzielten Gewinns angesetzt. Auf den Einspruch der GmbH stellte das FA in der Einspruchsentscheidung den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1962 auf je 135 DM für 100 DM Stammkapital fest. Zu diesem Wert kam es dadurch, daß es für die Jahre 1960 und 1961, in denen ohne Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags noch Verlustvorträge von der GmbH zu tilgen gewesen wären, keine Ausschüttungen unterstellte und deshalb die Körperschaftsteuerliche Belastung voll mit 51 v. H. berücksichtigte und für das Jahr 1962, in dem die Verlustvorträge getilgt waren, eine Ausschüttung von 20 v. H. des Stammkapitals annahm und in dieser Höhe die Körperschaftsteuerbelastung nur mit 15 v. H. ansetzte. Außerdem wurde bei der Berechnung des Vermögenswertes eine Rückstellung für das Wechselobligo berücksichtigt. Die Klage, mit der die GmbH die Berücksichtigung der Körperschaftsteuerbelastung mit 51 v. H. in voller Höhe der erzielten Gewinne beantragte, hatte im ersten Rechtsgang keinen Erfolg. Der Senat hob durch Urteil vom 6. August 1971 III R 128/68 das Urteil des Finanzgerichts (FG) des ersten Rechtsgangs deswegen auf, weil das FG die damalige alleinige Gesellschafterin der GmbH, die Revisionsklägerin, nicht beigeladen hatte, und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang lud das FG die Revisionsklägerin nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren bei und wies dann erneut die Klage ab.

Die Revisionsklägerin beantragt mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, den gemeinen Wert der Anteile an der -GmbH zum 31. Dezember 1962 auf 131 v. H. festzustellen. Sie rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie greift nur noch die Berechnung des Betriebsergebnisses für 1962 an. Die Revisionklägerin ist der Meinung, daß auch für dieses Jahr die Körperschaftsteuerbelastung mit 51 v. H. anzusetzen ist. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Ausgangspunkt sei die Auslegung des Abschn. 83 Abs. 2 VStR 1963. Dieser Abschnitt könne nur so verstanden werden, daß Ertragsteuern auch von den abgeführten Ergebnissen zu berücksichtigen seien. Dieser Klarstellung habe es bedurft, weil im Fall eines Ergebnisabiührungsvertrags derartige Ertragsteuern bei der Organgesellschaft regelmäßig überhaupt nicht anfielen. Der Auffassung des FA und des FG, die Formulierung in Abschn. 83 Abs. 2 VStR 1963 gebiete eine Berücksichtigung aller Umstände, die auf die Höhe der fiktiven Ertragsteuern Einfluß haben könnten, könne nicht gefolgt werden. Das Stuttgarter Verfahren ziele zwar auf eine möglichst exakte Schätzung. Jede Schätzung habe aber ihre Grenze da, wo sie mangels konkreter Anhaltspunkte willkürlich sein müsse. In solchen Fällen müßte den Interessen des Steuerpflichtigen nach dem Urteil des BFH vom 19. Februar 1965 III 342/61 U (BFHE 82, 1, BStBl III 1965, 248, 250, linke Spalte Mitte) der Vorrang gebühren. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, ob und in welchem Umfang ohne Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags Gewinnausschüttungen vorgenommen worden wären, die zur Anwendung des ermäßigten Körperschaftsteuersatzes geführt hätten. Abschn. 78 Abs. 1 Nr. 2 VStR 1963 stelle auf die tatsächlich veranlagten Steuern und damit mittelbar auf die tatsächlich erfolgten Gewinnausschüttungen ab, nicht auf die möglichen. Es gebe eine Reihe von Umständen, welche die Entscheidung der Gesellschafter über Gewinnausschüttungen beeinflussen könnten. In diesem Zusammenhang bleibe der sehr bedeutsame Gesichtspunkt auf Rücklagenbildung zum Zwecke der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nachzutragen. Gerade in dem Konzernbereich, zu dem die GmbH gehört habe, hätten sich beachtliche Kapitalerhöhungen bei Organgesellschaften mehrfach als unerläßlich herausgestellt. Im übrigen bedürfe es nach ihrer Auffassung überhaupt keiner Motivierung für den Verzicht auf Gewinnausschüttungen. Die Auffassung des FG, daß die Typisierung im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erforderlich sei, sei nicht haltbar. Die nicht organschaftlich gebundenen Gesellschaften würden untereinander deshalb nicht gleichbehandelt, weil sie Gewinnausschüttungen in unterschiedlicher Höhe vornähmen. Eine Gleichbehandlung der Organgesellschaften mit diesen Gesellschaften könne deshalb überhaupt nicht erreicht werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, nach der bei der Feststellung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Organgesellschaft, die mit ihrem Organträger einen Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen hat, trotz dieses Ergebnisabführungsvertrages die von der Organgesellschaft erzielten Gewinne als ihre eigenen Betriebsergebnisse bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren anzusetzen sind (vgl. BFH-Urteile vom 29. März 1963 III 352/59 U, BFHE 77, 19, BStBl III 1963, 324; und vom 14. Februar 1964 III 87/60, HFR 1964, 450). An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch in den Urteilen festgehalten, in denen er entschieden hat, daß diese Betriebsgewinne auch bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes für die Anteile an dem Organträger anzuwenden sind (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1969 III 56/65, BFHE 96, 319, BStBl II 1969, 609; und vom 23. Juli 1971 III R 104/70, BFHE 103, 223, BStBl II 1972, 5). Er hält auch im Streitfall an dieser Rechtsprechung fest; gegen sie werden von der Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.

2. Der Senat hat bereits in dem Urteil III 352/59 U die schon in einem gemeinsamen Ländererlaß vom 22. März 1958 (BStBl II 1958, 53) enthaltene Anweisung gebilligt, daß die zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes bei der Organgesellschaft erforderlichen Berechnungen wie bei einem normalen Fall durchzuführen seien. Er hat dazu ausgeführt, daß diese Regelung am besten der Begriffsbestimmung des gemeinen Werts in Abschn. 2 Abs. 9 der Anteilsbewertungsrichtlinien 1953 (= Abschn. 79 Abs. 1 VStR 1963) entsprechen dürfte, weil die Ertragslosigkeit durch Gewinn- und Verlustausschlußvereinbarungen keine den Anteilen immanente Eigenschaft sei. In diesen Anweisungen heißt es, als gemeiner Wert sei der Betrag anzusetzen, den ein Käufer für den Erwerb eines Anteils aufwenden würde. Dabei muß, wie das FG richtig erkannt hat, von einem Käufer ausgegangen werden, der den von der Organgesellschaft abgeschlossenen Ergebnisabführungsvertrag nicht fortführen will. Das ergibt sich zwangsläufig aus der Begriffsbestimmung des gemeinen Werts in § 10 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vor dem Bewertungsgesetz 1965. Daraus folgt aber weiter, daß auch die Belastung mit Ertragsteuern so zu berücksichtigen ist, wie sie ohne Bestehen des Ergebnisabführungsvertrages von dem Organ zu entrichten wäre. Denn eine Körperschaftsteuer auf die an den Organträger abgeführten Gewinne ist nur infolge des Ergebnisabführungsvertrages nicht angefallen. Es muß deshalb eine fiktive Körperschaftsteuerbelastung berücksichtigt werden. Abschn. 83 Abs. 2 VStR 1963, der diese Anweisung enthält, ist deshalb nicht zu beanstanden. Auch dahin besteht unter den Beteiligten kein Streit.

3. Der eigentliche Streitpunkt ist die Frage, in welcher Höhe die Körperschaftsteuerbelastung zu berücksichtigen ist. Das hängt damit zusammen, daß der Körperschaftsteuersatz nach § 19 KStG unterschiedlich hoch (gespalten) ist, für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen nur 15 v. H., im übrigen aber 51 v. H. beträgt. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Revisionsklägerin, daß man die Frage, in welcher Höhe die Organgesellschaft ohne Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags Ausschüttungen vorgenommen haben würde, überhaupt nicht stellen dürfe, sondern die Körperschaftsteuerbelastung für die Betriebsgewinne in voller Höhe mit 51 v. H. ansetzen müsse. Das wäre nur gerechtfertigt, wenn man unterstellen könnte, daß eine Organgesellschaft ohne das Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags überhaupt keine Gewinne ausschütten würde. Diese Annahme wäre aber genau so willkürlich, wie die umgekehrte Unterstellung, daß alle Organgesellschaften ohne das Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags eine prozentual gleichhohe Ausschüttung vornehmen würden. Darauf würde es hinauslaufen, wenn man den ausschüttungsfähigen Ertrag in jedem Fall nach der von Dahlheimer (a. a. O.) entwickelten Formel mit 45,86 v. H. des erzielten Gewinns ansetzen würde. Denn dieser Prozentsatz beruht auf der Erwägung, daß der nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1963 zur Errechnung des ausschüttungsfähigen Betrages vorzunehmende Abschlag von 30 v. H. dem Betrag gleichzusetzen ist, der bei den Organgesellschaften nicht ausgeschüttet wird, mit anderen Worten, daß der darüber hinausgehende Betrag von den Organgesellschaften immer ausgeschüttet wird. Der Senat hält diesen Prozentsatz nur in den Fällen für gerechtfertigt, in denen sich auch nach dem Vorbringen der Gesellschaft keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß eine so hohe Ausschüttung nicht in Betracht kommen kann. Im übrigen ist der mutmaßliche Ausschüttungsbetrag nach den Verhältnissen der Organgesellschaft im Einzelfall zu schätzen. Nach dieser Methode ist das FA in der Einspruchsentscheidung vorgegangen. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß diese Schätzungsmethode grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Revisionsklägerin dann nicht mehr um eine willkürliche Schätzung, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt und die deshalb nach der Rechtsprechung des Senats nicht verwertet werden dürfte. Der Senat stimmt dem FG auch darin zu, daß die vom FA vorgenommene Schätzung vom Ergebnis her nicht zu beanstanden ist. Das FG hat schon in dem Urteil des ersten Rechtsganges, auf das es in dem Urteil des zweiten Rechtsganges ausdrücklich Bezug genommen hat, unter Würdigung der Einwendungen der Revisionsklägerin dargetan, daß das FA an der untersten Grenze des Schätzungsrahmens geblieben ist, wenn es eine Ausschüttung im Jahre 1962 in Höhe von 300 000 DM als mutmaßliche Ausschüttung angesetzt hat. Das FA hat diesen Betrag gewählt, weil er 20 v. H. des Stammkapitals entsprach. Dabei war für das FA und für das FG die Erwägung maßgebend, daß es sich um die erste Ausschüttung für einen fünfjährigen Zeitraum gehandelt haben würde, so daß er - auf ein Jahr berechnet - eine Ausschüttung von 4 v. H. des Stammkapitals bedeutete. Für das FG war daneben noch maßgebend, daß der im Jahr 1961 erzielte Reingewinn nur noch zu einem kleinen Teil zur Abdeckung des Verlustabzuges benötigt worden wäre, das FA aber in diesem Jahr überhaupt keine Ausschüttung angenommen hat. Diese Erwägungen lassen weder einen Rechtsirrtum noch Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen. Der Senat ist deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO an das vom FG gebilligte Schätzungsergebnis, das damit eine tatsächliche Feststellung des FG ist, gebunden.

4. Da die Berechnung des gemeinen Werts der Anteile an der GmbH zum 31. Dezember 1962 auch in allen anderen, von der Revisionsklägerin nicht mehr angegriffenen Punkten nicht zu beanstanden ist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 83

BFHE 1975, 531

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