Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 23 Abs. 2 GrStDV sind nur solche gemeinschaftliche Speiseräume und sonstige gemeinschaftliche Aufenthaltsräume von der Grundsteuer befreit, die mit Gemeinschaftsräumen im Sinne des § 5 Nrn. 1 bis 4 GrStG in Zusammenhang stehen.

2. Zur Grundsteuerpflicht von Räumen, die dem Kasinobetrieb des Bundesgrenzschutzes dienen.

 

Normenkette

GrStG § 4 Nr. 1a, § 5 Nrn. 1-4, § 6; GrStDV §§ 4, 23 Abs. 2

 

Tatbestand

Das FA wendet sich dagegen, daß das FG die dem Kasinobetrieb des Bundesgrenzschutzes dienenden Räume eines Offiziersheims von der Grundsteuer freistellte.

Auf dem der Steuerpflichtigen (Bundesrepublik Deutschland = Revisionsbeklagte) gehörenden Grundstück steht ein Gebäude, das als sog. Offiziersheim benutzt wird. Das Grundstück liegt etwa 800m von der Kaserne entfernt im Wohngebiet der Stadt. Im Erdgeschoß des Gebäudes befinden sich u. a. folgende Räume: Vorraum zur Garderobe, Garderobe, zwei WC mit Waschräumen, Küche, Speisesaal, Besprechungszimmer, Aufenthaltsraum, Arbeits- und Lesezimmer sowie ein Speisezimmer. Diese Räume mit einer Größe von insgesamt 337 qm dienen nach den Feststellungen des FG dem Kasinobetrieb.

Das FA stellte zum 1. Januar 1959 einen Einheitswert für die genannten Räume fest. Gleichzeitig setzte es den Grundsteuer-Meßbetrag fest. Weitere Räume des Gebäudes wurden zum Teil als grundsteuerfrei und zum Teil als grundsteuerpflichtig behandelt.

Der Einspruch der Steuerpflichtigen hatte keinen Erfolg.

Das FG hielt die Berufung für begründet. Es führte im wesentlichen aus: Die vorgenannten Räume würden überwiegend nicht für Besprechungen, Versammlungen und Unterrichtserteilung, sondern als gemeinschaftliche Speiseräume und sonstige gemeinschaftliche Aufenthaltsräume genutzt werden. Nach § 23 Abs. 2 GrStDV seien aber gemeinschaftliche Speise- und Aufenthaltsräume den in § 5 Nrn. 1 bis 4 GrStG bezeichneten Räumen gleichzustellen. Die Gleichstellung von Kasinoräumen mit Gemeinschaftsunterkünften sei mit dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 5 Nr. 1 GrStG vereinbar. Auch Kasinoräume dienten dem öffentlichen Dienst. Das GrStG und die GrStDV böten keinen Anhalt dafür, daß Kasinoräume nur dann begünstigt seien, wenn sie sich auf einem Kasernengelände befänden. Ihre Zweckbestimmung und Nutzung sei unabhängig vom Standort gleich.

Die Rechtsbeschwerde des FA ist nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln. Das FA trägt vor, Räume, die der Zubereitung und der Einnahme von Mahlzeiten dienten, und sonstige Aufenthaltsräume, die nicht überwiegend für Zwecke der Ausbildung oder Fortbildung der Offiziere benutzt werden, seien nicht von der Grundsteuer befreit. Es fehle im Streitfall auch an dem erforderlichen Zusammenhang der Kasinoräume mit den Gemeinschaftsunterkünften. Die Kasinoräume seien nicht erforderlich, um einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu gewährleisten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach § 4 Nr. 1 Buchst. a GrStG in Verbindung mit §§ 5, 6 GrStG ist u. a. Grundbesitz des Bundes von der Grundsteuer befreit, wenn er von dem Eigentümer unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird und nicht Wohnzwecken dient. Unter öffentlichem Dienst oder Gebrauch ist dabei nach § 4 Abs. 1 GrStDV die Ausübung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) oder der Gebrauch durch die Allgemeinheit zu verstehen. Als Ausübung der öffentlichen Gewalt sieht die Rechtsprechung eine Tätigkeit an, durch die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Aufgaben erfüllt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind (vgl. Urteile des BFH III 379/60 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 686, BStBl III 1963, 571; III R 42/67 vom 21. Juni 1968, BFH 93, 162, BStBl II 1968, 719). Nach dem letztgenannten Urteil gehört hierzu die Ausbildung der Bundeswehr und ihrer Offiziere. Dementsprechend ist auch die Ausbildung des Bundesgrenzschutzes und seiner Offiziere sowie die dienstliche Bereithaltung der Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zum öffentlichen Dienst und Gebrauch zu rechnen.

2. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG tritt die Nutzung der oben genannten Räume des Offiziersheims für Offiziersbesprechungen, Versammlungen und Unterrichtserteilung im Verhältnis zu der Nutzung als Speisesaal und als sonstige Aufenthaltsräume in den Hintergrund. Die Steuerbefreiung kann deshalb nicht schon wegen einer überwiegenden Nutzung für die erstgenannten Zwecke, die dem unter 1. erläuterten Begriff des öffentlichen Dienstes oder Gebrauchs zuzurechnen sind, gewährt werden (§ 6 Abs. 3 GrStG).

3. Entgegen der Ansicht des FG kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen auch aus § 23 Abs. 2 GrStDV die Grundsteuerbefreiung der hier streitigen Räume nicht hergeleitet werden. § 23 Abs. 2 GrStDV befreit nur solche "gemeinschaftliche Speiseräume ... und sonstige gemeinschaftliche Aufenthaltsräume" von der Grundsteuer, die mit Gemeinschaftsräumen im Sinne des § 5 Nrn. 1 bis 4 GrStG in Zusammenhang stehen (BFH-Urteile III 379/60 U, a. a. O., 1. Absatz unter III.; III R 42/67, a. a. O., letzter Absatz unter 2.). Diese Auslegung ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 2 GrStDV. Aber nur bei dieser Auslegung kann § 23 Abs. 2 GrStDV als rechtsgültig angesehen werden. Der Senat hat ausgesprochen, daß § 23 Abs. 1 GrStDV in der Fassung vom 29. Januar 1952 (BGBl I 1952, 79) rechtsungültig sei, weil er die Vergünstigung des § 5 Nr. 1 GrStG erweitere (Gutachten III D 1/60 S vom 28. März 1961, BFH 72, 652, BStBl III 1961, 238). Er ist dabei davon ausgegangen, daß § 23 Abs. 1 GrStDV 1952 eine Neuregelung gegenüber § 23 Abs. 1 GrStDV vom 1. Juli 1937 (RGBl I 1937, 733) darstelle. § 23 Abs. 2 GrStDV 1952 stimmt dagegen wörtlich mit § 23 Abs. 2 GrStDV 1937 überein. Die Bestimmung wurde unverändert in die GrStDV 1952 übernommen. Sie ist folglich dann rechtsgültig, wenn sie bei ihrem erstmaligen Ergehen im Jahre 1937 durch eine entsprechende Ermächtigung gedeckt war.

§ 23 Abs. 2 GrStDV 1937 ist auf Grund des § 12 AO a. F. ergangen. Das spätere Außerkrafttreten des § 12 AO a. F. machte die auf ihn gestützten Verordnungen nicht ungültig, wenn sie zuvor rechtsgültig waren (so im Ergebnis BFH-Urteil III 121/63 vom 15. Dezember 1967, BFH 91, 264, BStBl II 1968, 334, und die dort angeführten Entscheidungen). Die Rechtsgültigkeit von § 23 Abs. 2 GrStDV ist nur bei der von der Rechtsprechung vertretenen engen Auslegung zu bejahen. Denn § 12 AO a. F. gestattete dem RdF lediglich, ein Reichssteuergesetz zu ergänzen oder durchzuführen. Er durfte dagegen Gesetze nicht durch eine Verordnung ändern. Es war ihm insbesondere nicht gestattet, gesetzliche Steuerbefreiungen einzuschränken oder gesetzliche Steuervergünstigungen zu erweitern. Liest man § 23 Abs. 2 GrStDV aber in dem Sinn, den ihm das FG gab, daß gemeinschaftliche Speiseräume unabhängig von dem Zusammenhang mit Räumen nach § 5 Nrn. 1 bis 4 GrStG grundsteuerbefreit seien, so enthält er eine unzulässige Erweiterung des Gesetzes. Denn § 5 Nrn. 1 bis 4 GrStG behandelt nur als Ausnahmeregelung die Steuerbefreiung von Räumen, die bestimmten Wohnzwecken dienen. Würden Speiseräume und Aufenthaltsräume auch ohne ihre Zugehörigkeit zu solchen Wohnräumen befreit, würde der Anwendungsbereich des § 5 GrStG ausgedehnt werden. Gilt die Steuerbefreiung des § 23 Abs. 2 GrStDV dagegen lediglich für Speiseräume und Aufenthaltsräume, sofern sie mit Räumen nach § 5 GrStG in Zusammenhang stehen, so sind sie als ein Teil der Gemeinschaftsunterkünfte anzusehen. Nur so verstanden ist § 23 Abs. 2 GrStDV gesetzeskonform und damit rechtsgültig. In diesem Sinn kann die Bestimmung durch ihre Bezugnahme auf § 5 GrStG und durch ihre Überschrift "Steuerpflicht bei Benutzung zu Wohnzwecken" auch ausgelegt werden. Daß in Abschn. 13 GrStR demgegenüber Kasinos und Kantinen des Bundesgrenzschutzes uneingeschränkt als grundsteuerbefreit angesehen werden, ist ohne Belang, zumal keine Bindung der Steuergerichte an Verwaltungsrichtlinien besteht.

4. Ob Gemeinschaftsräume im Sinne des § 5 Nrn. 1 und 4 GrStG in dem Offiziersheim vorhanden sind, hat das FG aber nicht festgestellt. Der Senat kann deshalb nicht beurteilen, ob das Offiziersheim, das wegen der großen räumlichen Entfernung zur Kaserne mit dieser keine Einheit bildet, selbst als Kasernengrundstück (siehe hierzu BFH-Urteil III R 42/67, a. a. O.) anzusehen ist und ob etwa deshalb die Grundsteuerbefreiung im Streitfall gerechtfertigt ist.

5. Eine Grundsteuerbefreiung käme allerdings schon nach § 4 Nr. 1 Buchst. a GrStG in Betracht, wenn die Kasinoräume unmittelbar einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch, hier also der Ausbildung des Bundesgrenzschutzes und seiner Offiziere sowie deren ständiger Bereitschaft, dienten. Es widerspräche dem Sinn des § 4 Nr. 1 Buchst. a GrStG, wollte man unentbehrliche Hilfsmittel zur Erreichung des Ausbildungs- und Bereitschaftserfolges nicht in die Grundsteuerbefreiung miteinbeziehen (BFH-Urteile III 17/57 S vom 15. März 1957, BFH 64, 492, BStBl III 1957, 183; III 397/60 U, a. a. O.). Andererseits dürfen Räume, die lediglich in Erfüllung der Fürsorgepflicht der Steuerpflichtigen bereitgestellt werden, nicht schon deshalb als grundsteuerbefreit behandelt werden (BFH-Urteile III 379/60 U, a. a. O.; III R 42/67, a. a. O.). Der Senat ging im Urteil III 379/60 U (a. a. O.) davon aus, die Einrichtung von Postkantinen durch die Deutsche Bundespost erfolge insbesondere in Großstädten weniger aus Gründen der Fürsorgepflicht als vielmehr zur Aufrechterhaltung eines geregelten Dienstbetriebes. Davon könnte gegebenenfalls auch bei Speiseräumen des Bundesgrenzschutzes für seine Offiziere ausgegangen werden, insbesondere wenn der Kantinenbetrieb aus Gründen der Dienstzeitregelung unterhalten würde und die Offiziere zur Einnahme der Mahlzeiten oder einer Mahlzeit in diesen Räumen verpflichtet wären. Feststellungen hierzu hat das FG noch nicht getroffen. Es hat ferner nicht geprüft, ob - für den Fall, daß die Einnahme von Mahlzeiten im Kasino ein unentbehrliches Hilfsmittel für den Dienstzweck des Bundesgrenzschutzes ist - die Räume gleichwohl überwiegend für andere Zwecke genutzt werden. Als solche andere Zwecke kämen die Kontaktpflege zwischen den Offizieren, die Pflege der Kameradschaft sowie der Geselligkeit und der Unterhaltung in Betracht. Würden die streitigen Räume überwiegend für die letztgenannten Zwecke genutzt werden, wäre eine Grundsteuerbefreiung schon gemäß § 6 Abs. 3 GrStG ausgeschlossen (vgl. auch BFH-Urteil III R 42/67, a. a. O.).

Da das FG von einem anderen, vom Senat nicht geteilten Rechtsstandpunkt ausging, im übrigen aber - von seiner Rechtsansicht aus zutreffend - die nach dem Vorstehenden erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache geht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68418

BStBl II 1969, 197

BFHE 1969, 348

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