Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

§ 23 Abs. 1 der Grundsteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung vom 29. Januar 1952 (BGBl 1952 I S. 79) ist rechtsungültig.

 

Normenkette

GrStG § 5 Ziff. 1; GrStDV § 23 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 21. Januar 1960 den Bundesfinanzhof ersucht, ein Gutachten nach § 63 AO über die Anwendung des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 GrStDV vom 29. Januar 1952 (BGBl 1952 I S. 79) zu erstatten. Im einzelnen hat der Bundesminister der Finanzen folgende Fragen gestellt:

Ist § 23 Abs. 1 GrStDV rechtsgültig?

Ist § 23 Abs. 1 GrStDV auf die Stationierungsstreitkräfte anwendbar; sind insbesondere die Wohnungen, die den zur Benutzung einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichteten, verheirateten Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte zur dienstlichen Benutzung zugewiesen sind, als "Kasernenwohnungen" im Sinne des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 GrStDV anzusehen?

Welches Recht - deutsches Recht oder das Recht der Entsendestaaten - ist für die Beurteilung der "Kasernenbenutzungspflicht" der Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte maßgebend?

Kann für die der Feststellung der "Kasernenbenutzungspflicht" im Einzelfall dienende Ermittlung der Belegung der Wohnungen mit Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte ein vereinfachtes Verfahren in der Weise angewendet werden, daß für die Vergangenheit von der jetzigen Belegung der Wohnungen ausgegangen wird?

 

Entscheidungsgründe

Der III. Senat hat hierzu in der Sitzung vom 28. März 1961 wie folgt Stellung genommen:

siehe Rechtssatz.

A. Sachverhalt -

Dem Gutachten liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Durch das Urteil des Bundesfinanzhofs III 77/57 S vom 19. September 1958 (BStBl 1958 III S. 440, Slg. Bd. 67 S. 434) ist die Frage entschieden worden, wem die mit Mitteln des Alliierten Besatzungskosten- und Auftragshaushaltes errichteten Bauten bei der Besteuerung zuzurechnen sind. Diese Entscheidung läßt die Frage der grundsteuerlichen Behandlung des von den alliierten Streitkräften (Stationierungsstreitkräften) benutzten Grundbesitzes unberührt. Sie bedarf der Klärung, da hinsichtlich ihrer Beurteilung verschiedene Zweifel aufgetreten sind.

B. Stellungnahme der Beteiligten - I. Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen

Nach der Auffassung des Bundesministers der Finanzen sei davon auszugehen, daß der von den Stationierungsstreitkräften benutzte, nicht Wohnzwecken dienende Grundbesitz in gleichem Umfange von der Grundsteuer befreit sei wie der von der Bundeswehr für ihre Zwecke benutzte Grundbesitz. Grundbesitz des Bundes, einer anderen Gebietskörperschaft oder einer der sonstigen in den Ziff. 1 bis 5 des § 4 GrStG genannten Körperschaften, der den Zwecken der Bundeswehr diene und damit für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt werde, sei nach § 4 Ziff. 1a und Ziff. 6 GrStG von der Grundsteuer befreit. Dieser Befreiungstatbestand sei auch hinsichtlich des von den Stationierungsstreitkräften benutzten Grundbesitzes gegeben, der ihnen vom Bund oder einer anderen Gebietskörperschaft auf Grund von Art. 37 Abs. (1) (a) des Truppenvertrages vom 26. Mai 1952 in der gemäß Liste III zu dem am 23. November 1954 in Paris unterzeichneten Protokoll geänderten Fassung (BGBl 1955 II S. 381) für militärische Zwecke zur Verfügung gestellt worden sei. Die Benutzung von Grundbesitz durch die Stationierungsstreitkräfte stehe einer unmittelbaren Benutzung des Grundbesitzes durch die Bundeswehr gleich, da sie im gemeinsamen Verteidigungsinteresse erfolge.

Als umstritten müsse dagegen die Frage angesehen werden, wie der von den Stationierungsstreitkräften benutzte, Wohnzwecken dienende Grundbesitz grundsteuerlich zu behandeln sei. Hierbei könne allerdings die Frage bejaht werden, daß Gemeinschaftsunterkünfte der Stationierungsstreitkräfte nach § 5 Ziff. 1 GrStG von der Grundsteuer befreit seien, auch ohne daß sie in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführt würden. Die Streitkräfte der Entsendestaaten seien in der Bundesrepublik im Interesse der gemeinschaftlichen Verteidigung stationiert; sie seien daher als (sonstiger) Schutzdienst des Bundes im Sinne von § 5 Ziff. 1 GrStG anzusehen.

Zweifelhaft sei es jedoch, ob die von den Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte und von den Personen in ihrem Dienst benutzten Wohnungen nach § 23 Abs. 1 GrStDV von der Grundsteuer befreit seien. Nach dieser Vorschrift würden den Gemeinschaftsunterkünften des Schutzdienstes des Bundes und der übrigen Gebietskörperschaften die Wohnungen zugerechnet, die den zur Benutzung einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichteten, verheirateten Angehörigen dieser Einrichtungen (zur Benutzung als Dienstwohnung) zugewiesen seien. Das gleiche gelte für die auf dem Grundstück einer Gemeinschaftsunterkunft selbst befindlichen Wohnungen, die den Personen im Dienste der Stationierungsstreitkräfte zugewiesen seien. Diese Bestimmungen in der jetzt geltenden Fassung seien auf Grund der in Art. II Ziff. 1 des Gesetzes zur änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 (BGBl 1951 I S. 515) enthaltenen Ermächtigung erlassen worden. Diese gesetzliche Vorschrift ermächtige die Bundesregierung, zur Durchführung des Grundsteuergesetzes ... Rechtsverordnungen zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung erforderlich sei. Es frage sich, ob die Zurechnung der Wohnungen im Sinne von § 23 Abs. 1 GrStDV zu den Gemeinschaftsunterkünften nach § 5 Ziff. 1 GrStG durch die Ermächtigung gedeckt sei. Verneine man diese Frage, so stelle die Zurechnung dieser Wohnungen zu den Gemeinschaftsunterkünften eine unzulässige Erweiterung des im Gesetz geregelten Befreiungstatbestandes dar. § 23 Abs. 1 GrStDV sei dann als rechtsungültig anzusehen. Würde man demgegenüber die Rechtsgültigkeit des § 23 Abs. 1 GrStDV bejahen, so führe das zu dem Ergebnis, daß die Dienstwohnungen der Angehörigen des Schutzdienstes und der Personen in ihrem Dienste im Sinne dieser Bestimmung gegenüber den Dienstwohnungen der Beamten grundsteuerlich begünstigt und damit steuerlich ungleich behandelt würden.

Die weiteren Ausführungen des Bundesministers der Finanzen befassen sich mit der Frage, ob im Falle der Bejahung der Rechtsgültigkeit des § 23 Abs. 1 GrStDV diese Vorschrift auf die Stationierungsstreitkräfte überhaupt anwendbar sei.

II. Stellungnahme des Bundesministers des Innern

Der Bundesminister des Innern hat von einer Stellungnahme zur Frage der Rechtsgültigkeit des § 23 Abs. 1 GrStDV Abstand genommen und sich auf die Erörterung der Frage beschränkt, ob diese Vorschrift auf die Stationierungsstreitkräfte anwendbar sei.

III. Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums des Innern

(zuzüglich im Auftrage und im Namen der Innenministerien - Senatoren - der übrigen Bundesländer)

Das Bayerische Staatsministerium des Innern weist u. a. darauf hin, daß § 23 Abs. 1 GrStDV durch Art. I Nr. 12 der Verordnung zur änderung der Grundsteuer-Durchführungsverordnung vom 29. Januar 1952 (BGBl 1952 I S. 77) völlig neu gefaßt worden ist. Er sei also kein vorkonstitutionelles Recht, möge er auch sachlich im wesentlichen dem § 23 GrStDV vom 1. Juli 1937 (RGBl 1937 I S. 733) entsprechen. Die Verordnung vom 29. Januar 1952 sei nicht wie die GrStDV 1937 auf Grund des § 12 AO - diese Ermächtigung sei nach Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) erloschen -, sondern auf Grund des Art. II Ziff. 1 und 3 des änderungsgesetzes vom 10. August 1951 ergangen. Für diese Ermächtigung gelte daher Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müßten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe die Ermächtigung nicht so unbestimmt sein, daß nicht mehr vorausgesehen werden könne, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werde, und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben könnten (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 14, Bd. 2 S. 307, Bd. 4 S. 7 und Bd. 5 S. 71). Dabei müßten sich die Grenzen der Ermächtigung aus dem Gesetz mit einwandfreier Deutlichkeit ergeben (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2 S. 307, Bd. 4 S. 7 und Bd. 5 S. 71). Diesen Erfordernissen entspreche Art. II des änderungsgesetzes vom 10. August 1951. Er ermächtigte aber - soweit er in diesem Zusammenhange einschlägig sei - nur zum Erlaß von Durchführungverordnungen. Nach Ziff. 1 könne die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen zur Durchführung des GrStG "über die Anwendung der Befreiungsvorschriften" erlassen, soweit das zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung und zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich sei. Art. II a. a. O. enthalte demnach keine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Ermächtigung zur Ergänzung des § 5 GrStG und zur Ausweitung der dort geregelten Befreiungstatbestände. § 23 GrStDV halte sich daher nur dann und insoweit im Rahmen der Ermächtigung, als er das vom Gesetz selbst Gewollte entfalte und im einzelnen weiterführe, also den gesetzgeberischen Willen zur Gestaltung bringe, nicht aber, wenn und soweit er das Gesetz ergänze (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Bayerische Verwaltungsblätter 1960 S. 91). Danach hätte die GrStDV zwar den unbestimmten Rechtsbegriff "Gemeinschaftsunterkünfte" im Sinne des § 5 GrStG näher umschreiben und ausgestalten können, soweit dabei der Grundgedanke der Ermächtigungsnorm gewahrt geblieben wäre (Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Neue Folge, Bd. 5 Teil II S. 103/117; Wintrich, Bayerische Verwaltungsblätter 1958 S. 135), sie habe aber nicht Wohnungen, die unter diesen Begriff nicht einzuordnen seien, den Gemeinschaftsunterkünften "zurechnen", d. h. gleichstellen dürfen. Das sei aber gerade Zweck und Inhalt des § 23 Abs. 1; er erweitere die Vergünstigung des § 5 GrStG. Er beziehe sich auf Einzelwohnungen, die gerade keine Gemeinschaftsunterkünfte seien, die aber wegen der dort näher geregelten besonderen Voraussetzungen Gemeinschaftsunterkünften gleichgestellt werden sollten. Eine Erweiterung habe zwar auch § 23 Abs. 1 GrStDV 1937 gegenüber § 5 GrStG 1936 enthalten, diese sei jedoch nach der damaligen verfassungsrechtlichen Lage durch die Ermächtigung des § 12 AO gedeckt gewesen. Die Ermächtigung nach Art. II des änderungsgesetzes vom 10. August 1951 reiche jedoch für eine solche Ergänzung des § 5 GrStG nicht aus.

IV. Stellungnahmen des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages

diese Körperschaften sind der Auffassung, daß § 23 Abs. 1 GrStDV rechtsungültig sei.

C. Stellungnahme des Senates I. Grundsätzliche Steuerpflicht des Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes

Wie bereits im Urteil III 274/56 S vom 11. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 54, Slg. Bd. 64 S. 140) ausgeführt ist, hat das GrStG die Befreiungen von der Grundsteuer in der Weise geregelt, daß es in einer grundlegenden Vorschrift (§ 4 Ziff. 1 bis 10) in übersichtlicher Form den Grundbesitz aufführt, der bei unmittelbarer Benutzung für bestimmte steuerbegünstigte Zwecke von der Grundsteuer befreit ist. Die weiteren Vorschriften des Gesetzes zu den Befreiungen (§§ 5 und 6 GrStG) und die Bestimmungen der Durchführungsverordnung hierzu (§§ 1 bis 25) enthalten Einschränkungen, Ergänzungen und Erläuterungen zu der grundlegenden Vorschrift des § 4 GrStG. Aus den gesamten Befreiungsvorschriften läßt sich u. a. der folgende einschneidende Grundsatz erkennen: Grundbesitz, der Wohnzwecken dient, ist auch dann steuerpflichtig, wenn er einem der im § 4 GrStG bezeichneten Zwecke unmittelbar dient (§ 5 Satz 1 GrStG).

II. Ausnahmen von dem Grundsatz der Steuerpflicht nach dem GrStG vom 1. Dezember 1936

- a) - Von dem Grundsatz, daß Grundbesitz, der Wohnzwecken dient, der Grundsteuer unterliegt, hatte das GrStG vom 1. Dezember 1936 in § 5 Ziff. 1a folgende Ausnahmen zugelassen: "Den begünstigten Zwecken dienen jedoch und sind deshalb unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 befreit: Kasernen- und Lagerunterkünfte der Wehrmacht, der Schutzpolizei, der Gendarmerie, des Reichswasserschutzes, des sonstigen Schutzdienstes des Reichs und des Reichsarbeitsdienstes." Diese Ausnahme bedeutete - streng genommen - wenigstens zu einem Teil nur eine Klarstellung; denn die in § 5 Ziff. 1a getroffene Regelung ergab sich bei zutreffender Auslegung des § 4 GrStG teilweise bereits aus dieser Vorschrift. Wenn z. B. nach § 4 Ziff. 1a GrStG der Grundbesitz der Wehrmacht wegen Benutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch von der Grundsteuer befreit war, liegt die Annahme nahe, daß auch die Kasernenunterkünfte der Wehrmacht darunter fielen. Insoweit war also die Vorschrift des § 5 Ziff. 1a GrStG 1936 entbehrlich.

- b) - Hinsichtlich der Kasernenunterkünfte bestimmte § 23 Abs. 1 GrStDV vom 1. Juli 1937 (RGBl 1937 I S. 733) folgendes: "Den Kasernenunterkünften der Wehrmacht (§ 5 Ziff. 1 des Gesetzes) werden zugerechnet:

die Wohnungen, die den kasernenbenutzungspflichtigen, verheirateten Soldaten zugewiesen sind (Kasernenwohnungen);

die auf dem Kasernengrundstück selbst befindlichen Wohnungen, die Personen im Dienst der Wehrmacht zugewiesen sind."

Diese Wohnungen wurden demnach so behandelt wie die Kasernenunterkünfte selbst. § 23 Abs. 1 GrStDV enthält daher eine Ergänzung zu § 5 Ziff. 1 GrStG 1936 im Sinne einer Erweiterung der Steuerbefreiung. Diese Erweiterung hat jedoch - wie sich allein schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt - nur für die ehemalige Wehrmacht (Heer, Kriegsmarine und Luftwaffe) gegolten, nicht aber für die anderen in § 5 Ziff. 1 GrStG genannten Verbände und Einrichtungen (ebenso Kühne, Kommentar zum Grundsteuergesetz 1936 Anm. 6 zu § 5, sowie Renzi, Kommentar zum Grundsteuergesetz 1936, Anm. 6 zu § 5).

Für den Begriff der Kasernenwohnungen im Sinne des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 GrStDV 1937 waren die Vorschriften über Kasernenwohnungen der Wehrmacht (Kasernenwohnungsvorschriften) vom 13. März 1937 (Reichshaushalts- und Besoldungsblatt S. 114) maßgebend. Danach (Nr. 2 der Vorschriften) waren als Kasernenwohnungen nur solche Wohnungen anzusehen, die kasernenbenutzungspflichtigen, verheirateten Soldaten unter ausdrücklicher Bezeichnung als Kasernenwohnungen ohne Abschluß eines Mietvertrages zugewiesen worden waren. Kasernenwohnungen in diesem Sinne durften nach Nr. 3 Abs. 1 der genannten Vorschriften nur verheirateten Soldaten der Besoldungsgruppen C 15 bis 22 (ab 1. April 1939 der Besoldungsgruppen C 17 bis 25 - Reichshaushalts- und Besoldungsblatt 1940 S. 135 -) zugewiesen werden. Sie konnten, wenn die Voraussetzungen des Eigentums erfüllt waren, auch außerhalb des Kasernengrundstückes liegen.

Als Personen im Dienste der Wehrmacht, deren Wohnungen unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Ziff. 2 GrStDV 1937 ebenfalls den Kasernenunterkünften zugerechnet wurden, waren außer den Soldaten (d. h. den im aktiven Wehrdienst stehenden Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften) und den Wehrmachtsbeamten auch die im Betriebe der Wehrmacht abgestellten Zivilpersonen, soweit sie den für Soldaten geltenden gesetzlichen Vorschriften unterworfen waren, anzusehen (§§ 21 und 35 des Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935, RGBl 1935 I S. 609).

Die Bestimmung des § 23 Abs. 1 GrStDV 1937 beruhte auf der inzwischen durch Gesetz vom 11. Juli 1953 (BGBl 1953 I S. 511) aufgehobenen Vorschrift des § 12 AO, wonach der Reichsminister der Finanzen ermächtigt war, zur Durchführung und Ergänzung der vom Reich erlassenen Gesetze Rechtsverordnungen zu erlassen. Die Rechtsgültigkeit solcher auf § 12 AO gestützter Rechtsverordnungen des ehemaligen Reichsministers der Finanzen ist wiederholt angezweifelt worden, vor allem, wenn es sich dabei um Vorschriften handelt, die das Gesetz ändern oder eine Steuerbefreiung einschränken oder erweitern. Es trifft zwar zu, daß dem Reichsminister der Finanzen nach dem Wortlaut des § 12 AO keine Ermächtigung gegeben war, die Rechtsverordnungen zu erlassen, die zum Gesetz im Widerspruch stehen. Soweit solche Vorschriften jedoch als "Ergänzung" des Gesetzes im Sinne des § 12 AO aufgefaßt werden können, ist - unter Berücksichtigung der staatsrechtlichen Verhältnisse zur Zeit der Schaffung der Vorschriften - ihre Rechtsgültigkeit wiederholt bejaht worden (vgl. hierzu Urteile des Bundesfinanzhofs I 132/53 U vom 30. November 1954, BStBl 1955 III S. 28, Slg. Bd. 60 S. 74; I 40/55 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 105, Slg. Bd. 62 S. 284, und III 274/56 S vom 11. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 54, Slg. Bd. 64 S. 140). Im vorliegenden Falle kann dahingestellt bleiben, ob § 23 Abs. 1 GrStDV 1937 rechtsgültig erlassen worden ist.

III. Ausnahmen von dem Grundsatz der Steuerpflicht nach dem änderungsgesetz vom 10. August 1951

- a) - Von dem Grundsatze, daß der Wohnzwecken dienende Grundbesitz steuerpflichtig ist, hat das GrStG in der Fassung des änderungsgesetzes vom 10. August 1951 (BGBl 1951 I S. 519) in § 5 Ziff. 1 folgende Ausnahmen zugelassen: "Den begünstigten Zwecken dienen jedoch und sind deshalb unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 befreit: die Gemeinschaftsunterkünfte der Polizei, des Feuerschutzdienstes und des sonstigen Schutzdienstes des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände." Stellt man diese Vorschrift dem § 5 Ziff. 1 GrStG 1936 gegenüber, so ergeben sich - abgesehen von dem sachlich unschädlichen Wechsel im Ausdruck "Gemeinschaftsunterkünfte" statt bisher "Kasernen- und Lagerunterkünfte" - mehrere Abweichungen. Einmal sind in § 5 Ziff. 1 GrStG 1951 die ehemalige Wehrmacht und andere inzwischen untergegangene Einrichtungen nicht mehr aufgeführt. Zum andern hat der Gesetzgeber vom Jahre 1951 den Kreis der Verbände und Einrichtungen, bei denen Gemeinschaftsunterkünfte von der Grundsteuer befreit sind, erweitert. Obwohl in § 5 Ziff. 1 neuer Fassung die Gemeinschaftsunterkünfte der Bundeswehr nicht aufgeführt sind und nach Aufstellung der Bundeswehr eine entsprechende ergänzende Vorschrift nicht erlassen worden ist, muß davon ausgegangen werden, daß auch Gemeinschaftsunterkünfte der Bundeswehr im Rahmen des § 4 Ziff. 1a GrStG 1951 von der Grundsteuer befreit sind (vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt B II zu a) oben). Entsprechendes muß für die Gemeinschaftsunterkünfte der Stationierungsstreitkräfte gelten (ebenso Gürsching-Stenger, Kommentar zum Grundsteuergesetz 1951, Verlag C. H. Beck, München und Berlin 1959, Anm. 16 zu § 5).

- b) - Hinsichtlich der Gemeinschaftsunterkünfte ist in § 23 Abs. 1 GrStDV 1951 noch folgendes bestimmt worden: "Den Gemeinschaftsunterkünften der Polizei, des Feuerschutzdienstes und des sonstigen Schutzdienstes des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 5 Ziff. 1 des Gesetzes) werden zugerechnet:

die Wohnungen, die den zur Benutzung einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichteten, verheirateten Angehörigen dieser Einrichtungen zugewiesen sind;

die auf dem Grundstück einer Gemeinschaftsunterkunft selbst befindlichen Wohnungen, die Personen im Dienst der Polizei, des Feuerschutzdienstes oder des sonstigen Schutzdienstes des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände zugewiesen sind."

Diese Wohnungen sind somit den Gemeinschaftsunterkünften steuerlich gleichgestellt worden. § 23 Abs. 1 GrStDV 1951 enthält - ebenso wie § 23 Abs. 1 GrStDV 1937 - eine Ergänzung zum GrStG im Sinne einer Erweiterung der Steuerbefreiung. Auch wenn man davon ausgeht, daß § 23 Abs. 1 GrStDV 1937 seinerzeit rechtsgültig entstanden ist, kann nicht anerkannt werden, daß § 23 Abs. 1 GrStDV 1952 vorkonstitutionelles Recht ist. Um dies annehmen zu können, hätte § 23 Abs. 1 GrStDV 1937 unverändert bleiben müssen. Diese Bestimmung ist jedoch durch Art. I Nr. I 12 der Verordnung zur änderung der Grundsteuer-Durchführungsverordnung vom 29, Januar 1952 sachlich neu gefaßt worden und stellt damit eine Neuregelung dar. Es kommt daher für die Frage, ob § 23 Abs. 1 GrStDV 1952 rechtsgültig ist, darauf an, ob die jetzige Fassung durch eine Ermächtigungsvorschrift des Gesetzgebers gedeckt ist. Das trifft, wie das Bayerische Staatsministerium des Innern zutreffend ausgeführt hat, nicht zu. Durch die einschlägige Vorschrift des Art. II des änderungsgesetzes vom 10. August 1951 ist die Bundesregierung lediglich ermächtigt worden, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Durchführung des GrStG "über die Anwendung der Befreiungsvorschriften" zu erlassen, soweit das zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich ist. § 23 Abs. 1 GrStDV - darin tritt der Senat der Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ebenfalls bei - geht jedoch über diese Ermächtigung hinaus und erweitert die Vergünstigung des § 5 Ziff. 1 GrStG, indem er Einzelwohnungen Gemeinschaftsunterkünften gleichstellt. Die Ermächtigung nach Art. II des änderungsgesetzes reicht für eine solche Ergänzung des § 5 Ziff. 1 GrStG nicht aus. § 23 Abs. 1 GrStDV 1952 ist daher rechtsungültig. Damit erübrigt sich die Beantwortung der Fragen 2 bis 4.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410039

BStBl III 1961, 238

BFHE 1961, 652

BFHE 72, 652

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge