Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof tritt der Entscheidung des Reichsfinanzhofs (III 64/42 vom 18. Juni 1942, RStBl 1942 S. 1084) bei, daß die Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags zulässig ist, wenn eine Befreiungsvorschrift von den Steuerbehörden zu Unrecht angewendet worden ist.

Die Bestimmung in § 25 Abs. 1 GrStDV über die Grundsteuerpflicht land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes ist rechtsgültig entstanden; sie hat, da sie seither unverändert geblieben ist, ihre Rechtsgültigkeit behalten.

 

Normenkette

GrStG § 4/3/b; GrStDV § 25 Abs. 1, § 34

 

Tatbestand

Streitig ist die Nachveranlagung eines Grundsteuermeßbetrags zum 1. Januar 1952 für einen landwirtschaftlichen Betrieb der Beschwerdegegnerin (Bgin.).

Die Bgin. (das Diakonie-Mutterhaus in M.) unterhält in N. eine Zweiganstalt. Diese Anstalt umfaßt ein Altersheim für mittellose, hilfsbedürftige alte Männer sowie eine Wanderkolonie für obdachlose und dem Lebenskampf nicht gewachsene Personen, die für einen Lebensberuf wieder ertüchtigt werden sollen. Zur Anstalt gehört ein landwirtschaftlicher Betrieb mit einer Grundstücksfläche von 83,19 ha (davon 34,70 ha landwirtschaftlich und 48,49 ha forstwirtschaftlich genutzte Flächen). Der Betrieb wird aus arbeitstherapeutischen Gründen ausschließlich von den Insassen der Wanderarbeiterkolonie bewirtschaftet, denen je nach dem Arbeitsanfall 4 bis 6 ständige Arbeiter als Anleitungspersonal beigegeben sind. Die Erträgnisse des Betriebs kommen der Zweiganstalt mit ihren Einrichtungen und dem Mutterhaus zugute. Die forstwirtschaftlichen Flächen bestehen überwiegend aus Buschwald und befinden sich im Zustand der Aufforstung: Erträge werfen sie zur Zeit nicht ab.

Die Akten über die Feststellung des Einheitswerts und die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags für den Betrieb sind durch Kriegseinwirkung verloren gegangen. Unstreitig ist aber, daß der Einheitswert 50.300 RM und der Grundsteuermeßbetrag dementsprechend 483 RM betragen hat. Die Bgin. wurde erstmals nach dem Stande vom 1. Januar 1946 mit dem Betrieb von der Grundsteuer freigestellt. Eine Betriebsprüfung bei der Bgin. sowie die Nachprüfung der Angelegenheit durch die Aufsichtsbehörde führten zunächst zur Aufhebung der Steuerbefreiung und Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags nach dem Stande vom 1. Januar 1948. Nachdem aber das Finanzgericht diese Nachveranlagung aufgehoben hatte und die Entscheidung hierüber unanfechtbar geworden war, zog das Finanzamt die Bgin. wiederum - diesmal nach dem Stande vom 1. Januar 1952 - mit dem Betrieb zur Grundsteuer heran und setzte den Grundsteuermeßbetrag erneut auf 483 DM (früher 483 RM) fest. Die Bgin. hielt den Bescheid hierüber aus förmlichen Gründen für unzulässig und in sachlicher Hinsicht für unrichtig, weil der Betrieb wegen unmittelbarer Benutzung für gemeinnützige Zwecke von der Grundsteuer zu befreien sei (ß 4 Ziff. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes - GrStG -). Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß die Nachveranlagung zwar formell zulässig, aber sachlich nicht gerechtfertigt sei (Befreiung nach § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts, der die Auffassung vertritt, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb einer gemeinnützigen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse auch dann nicht von der Grundsteuer befreit ist, wenn der Betrieb von dem Eigentümer unmittelbar für gemeinnützige Zwecke benutzt wird. Demgegenüber hält die Bgin. an den von ihr in der Sprungberufung vorgebrachten Einwendungen fest. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. - War ein Steuergegenstand in vollem Umfang von der Grundsteuer befreit und sind die Voraussetzungen der Befreiung für den ganzen Steuergegenstand weggefallen, so ist für den Steuergegenstand nachträglich ein Einheitswert festzustellen (ß 23 Abs. 1 Ziff. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -) und der Steuermeßbetrag nachträglich zu veranlagen (ß 15 GrStG). Ist bereits ein maßgebender Einheitswert vorhanden, so ist lediglich der Grundsteuermeßbetrag nachträglich zu veranlagen (ß 34 Abs. 1 der Grundsteuer-Durchführungsverordnung - GrStDV -). Der Reichsfinanzhof hat schon im Urteil III 64/42 vom 18. Juni 1942 (Slg. Bd. 52 S. 74, Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 1084) entschieden, daß § 34 GrStDV auch in den Fällen angewendet werden kann, in denen das Vorliegen eines Steuerbefreiungsgrundes von den Steuerbehörden oder vom Finanzgericht zu Unrecht angenommen worden ist. Ist die unrichtige Veranlagung rechtskräftig geworden, so muß es bei ihr für das Rechnungsjahr verbleiben, für das sie vorgenommen ist. Für die Folgezeit ist dann aber kein Grund für eine Steuerbefreiung mehr vorhanden. Der erkennende Senat tritt dieser Entscheidung des Reichsfinanzhofs bei. Er ist gleichfalls der Auffassung, daß die Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags zulässig ist, wenn eine Befreiungsvorschrift von den Steuerbehörden zu Unrecht angewendet worden ist.

Im Streitfall bezieht sich die rechtskräftige Freistellung des landwirtschaftlichen Betriebs von der Grundsteuer nach dem Stand vom 1. Januar 1948 nur auf das Rechnungsjahr 1948. Wenn das Finanzgericht, was unten noch darzulegen ist, bereits nach dem Stande vom 1. Januar 1948 das Vorliegen eines Befreiungsgrunds zu Unrecht angenommen hat, so muß der Befreiungsgrund als am Schluß des 31. März 1949 (Zeitpunkt, in dem die Rechtskraftwirkung der früheren unrichtigen Freistellung aufhört) fortgefallen gelten. Dementsprechend konnte das Finanzamt gemäß § 34 Abs. 2 GrStDV frühestens nach dem Stande vom 1. Januar 1950 eine Nachveranlagung vornehmen. Tatsächlich ist die Nachveranlagung aber erst zum 1. Januar 1952 durchgeführt worden. In übereinstimmung mit der Vorinstanz muß daher entgegen der Auffassung der Bgin. davon ausgegangen werden, daß die Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags zum 1. Januar 1952 in formeller Hinsicht zulässig war.

II. - Zur Frage, ob im Streitfall die Vorinstanz das Vorliegen eines Befreiungsgrundes zu Unrecht angenommen hat, ist vom Bundesminister der Finanzen auf folgendes hingewiesen worden:

"Die derzeitige Fassung des § 25 GrStDV ist, wie in dem Urteil der Vorinstanz ausgeführt wird, auf die Auslegungsschwierigkeiten zurückzuführen, die sich hinsichtlich der Frage ergeben haben, ob Grundbesitz, der land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, auch unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen kann. Die ursprüngliche Fassung des § 25 GrStDV lautet: Land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz, der einem der im § 4 des Gesetzes bezeichneten Zwecke dient, ist nur dann als unmittelbar für diese Zwecke benutzt anzusehen, wenn er Lehr- oder Versuchszwecken dient. Land- und forstwirtschaftliche Musterbetriebe sind in jedem Fall steuerpflichtig .... Durch § 4 der II. Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes vom 29. März 1938 (II. GrStDV) hat die Bestimmung des § 25 die jetzige Fassung erhalten. (Die änderung des § 25 Abs. 2 Ziff. 2 durch das Grundsteuer-änderungsgesetz vom 10. August 1951 ist hier ohne Bedeutung). In der Begründung zu der Verordnung (RStBl 1938 S. 388) ist dazu ausgeführt: Die Erfahrungen haben gezeigt, daß die Unterscheidung zwischen Lehr- und Versuchsbetrieben einerseits und Musterbetrieben andererseits zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt; die meisten Musterbetriebe haben geltend gemacht, daß sie zugleich auch Lehr- und Versuchszwecken dienen. Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten hat § 25 GrStDV durch § 4 der II. GrStDV eine neue Fassung erhalten, die die Abgrenzungsschwierigkeiten beseitigt. Hiernach ist land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz grundsätzlich auch dann steuerpflichtig, wenn er einem der in § 4 des Gesetzes bezeichneten Zwecke unmittelbar dient. Von diesem Grundsatz sind durch die neue Fassung des § 25 Abs. 2 gewisse Ausnahmen gemacht. Hervorzuheben aus ihnen sind die Fälle, in denen der land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundbesitz Lehr- und Versuchszwecken dient und seine Fläche 10 ha nicht übersteigt.

Das Urteil der Vorinstanz kommt auf Grund dieser Rechtslage zu dem Ergebnis, daß der neu gefaßte § 25 GrStDV den Charakter einer Abgrenzungsvorschrift verloren habe; denn er bringe unzweideutig eine Erweiterung der Steuerpflicht über den in § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG vorgesehenen Rahmen hinaus. Das könne aber durch eine Rechtsverordnung nicht geschehen. Die Regelung des § 25 GrStDV verstoße deshalb gegen das Gesetz und sei damit rechtsunwirksam.

Die Bestimmung des § 25 GrStDV beruht auf der inzwischen durch Gesetz vom 11. Juli 1953 (BGBl I S. 511) aufgehobenen Vorschrift des § 12 AO, wonach der Reichsminister der Finanzen ermächtigt war, zur Durchführung und Ergänzung der vom Reich erlassenen Gesetze Rechtsverordnungen zu erlassen. Die Rechtsgültigkeit solcher auf § 12 AO gestützter Rechtsverordnungen des ehemaligen Reichsministers der Finanzen ist wiederholt angezweifelt worden, vor allem, wenn es sich dabei um Vorschriften handelte, die das Gesetz änderten oder - wie hier - eine Steuerbefreiung einschränkten. Es trifft zwar zu, daß dem Reichsminister der Finanzen nach dem Wortlaut des § 12 AO keine Ermächtigung gegeben war, Rechtsverordnungen zu erlassen, die zum Gesetz in Widerspruch stehen. Ob aber im autoritären Staat eine Frage im Gesetz oder in einer mit dem Gesetz in sachlichem Zusammenhang erlassenen Durchführungsverordnung geregelt wurde, muß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als eine damals untergeordnete Angelegenheit gesetzestechnischer Zweckmäßigkeit angesehen werden. Unter Berücksichtigung der damaligen staatsrechtlichen und gesetzgeberischen Verhältnisse ist § 25 GrStDV rechtsgültig erlassen worden. Im einzelnen wird hierzu auf das BFH-Urteil vom 30. November 1954 I 132/53 U (Slg. Bd. 60 S. 74, BStBl 1955 III S. 28) verwiesen, das sich mit der Rechtsgültigkeit des § 10 Ziff. 1 KStDV 1950 befaßt, und auf das BFH-Urteil vom 14. Februar 1956 I 40/55 U (BStBl 1956 III S. 105), das sich mit der Rechtsgültigkeit des § 1 Abs. 3 der Ersten KStDV 1935 befaßt.

Die Ausführungen in dem Urteil der Vorinstanz, daß das BFH-Urteil vom 30. November 1954 deshalb eine andere, hier nicht maßgebliche Betrachtungsweise ergeben müßte, weil die dort angefochtene Rechtsverordnung sich nicht nur auf § 12 AO, sondern daneben auch noch auf eine Ermächtigungsvorschrift im Körperschaftsteuergesetz gestützt hat, sind durch das BFH-Urteil vom 14. Februar 1956 widerlegt. Durch dieses BFH-Urteil ist eine Rechtsverordnung als gültig anerkannt worden, die, ebenso wie § 25 GrStDV, ihre gesetzliche Grundlage allein in der Vorschrift des § 12 AO hatte.

Unter diesen Umständen könnte die Rechtswirksamkeit einer auf Grund der Ermächtigung des § 12 AO ergangenen Rechtsverordnung nur dann zweifelhaft sein, wenn sie, wie in "Steuer und Wirtschaft" 1956, Spalte 537 ausgeführt worden ist, in ihrem inneren Grundgehalt dem Grundgesetz widersprechen würde. Dies trifft aber bei § 25 GrStDV nicht zu.

An der geschilderten Rechtslage haben auch das Grundsteuer-änderungsgesetz vom 10. August 1951 (BGBl I S. 1515) und die Neufassung der Grundsteuer-Durchführungsverordnung vom 29. Januar 1952 (BGBl I S. 79) nichts geändert. Es ist vielmehr, wie in dem Urteil des FG Düsseldorf vom 25. April 1956 (EFG 1956 S. 351) zutreffend ausgeführt wird, die Bestimmung des § 25 GrStDV auch vom Gesetzgeber des Grundsteuer-änderungsgesetzes als rechtsgültig anerkannt worden. Dies ergibt sich ohne weiteres schon daraus, daß durch das Grundsteuer-änderungsgesetz der § 4 Ziff. 5 Buchst. c als neue Vorschrift in das Grundsteuergesetz eingefügt worden ist und in dieser Vorschrift ausdrücklich auf § 25 GrStDV Bezug genommen wird. Für die in § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG vorgesehenen Fälle wird nämlich angeordnet, daß § 25 GrStDV keine Anwendung findet. Wenn hier aber der Gesetzgeber - des Grundsteuer-änderungsgesetzes - bewußt eine Ausnahmeregelung von § 25 GrStDV getroffen hat, so setzt dies voraus, daß auch er von der Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift überzeugt war. Hätte er auch für § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG eine Ausnahme von § 25 GrStDV gewollt, so hätte er dies ebenfalls angeordnet. Unter diesen Umständen gilt die einschränkende Bestimmung des § 25 GrStDV auch insoweit, als die Steuerbefreiung des § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG auf gemeinnützige Körperschaften usw. und auf gemeinnützigen Zwecken dienenden Grundbesitz ausgedehnt worden ist. Wie in dem Urteil des FG Düsseldorf zutreffend festgestellt worden ist, bleibt § 25 GrStDV auch in diesem Rahmen wirksam.

Diesen Ausführungen tritt der erkennende Senat in den wesentlichen Punkten bei.

Die Befreiungen von der Grundsteuer hat das GrStG in der Weise geregelt, daß es in einer grundlegenden Vorschrift (ß 4 Ziff. 1 bis 10) in übersichtlicher Form den Grundbesitz aufführt, der bei unmittelbarer Benutzung für bestimmte steuerbegünstigte Zwecke von der Grundsteuer befreit ist. Die weiteren Vorschriften des Gesetzes zu den Befreiungen (§§ 5 und 6 GrStG) und die umfangreichen Bestimmungen der Durchführungsverordnung hierzu (§§ 1 bis 25) enthalten nur Einschränkungen, Ergänzungen und Erläuterungen zu der grundlegenden Vorschrift des § 4 GrStG. Diese Form der Gesetzgebung (grundlegende Regelung in einer Hauptvorschrift sowie Einzelheiten in anschließenden Sondervorschriften und in der Durchführungsverordnung) ist offensichtlich gewählt worden, um die Hauptvorschrift mit ihren vielen Variationen übersichtlich gestalten zu können und sie nicht mit einschränkenden, ergänzenden und erläuternden Bestimmungen belasten zu müssen.

Beim überblick über die gesamten Befreiungsvorschriften lassen sich zwei einschneidende Grundsätze erkennen, nach denen die Regelung in § 4 GrStG eine Einschränkung erfährt: Grundbesitz, der Wohnzwecken dient, sowie Grundbesitz, der land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, ist auch dann steuerpflichtig, wenn er einem der im § 4 GrStG bezeichneten Zwecke unmittelbar dient. Die grundsätzliche Steuerpflicht des Grundbesitzes bei seiner Benutzung für Wohnzwecke ergibt sich aus § 5 Satz 1 GrStG, wonach dieser Grundbesitz nicht als für einen der begünstigten Zwecke benutzt anzusehen ist (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs III 264/55 U vom 23. März 1956, Slg. Bd. 62 S. 446, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 165). Die Vorschrift, daß land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz auch dann steuerpflichtig ist, wenn er einem der in § 4 GrStG bezeichneten Zwecke dient, befindet sich nicht im Gesetz, sondern lediglich in § 25 Abs. 1 GrStDV in der Fassung der Zweiten Grundsteuer-Durchführungsverordnung. Denselben Grundsatz enthielt aber bereits § 25 GrStDV in der Fassung vom 1. Juli 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 733). Durch die Zweite Grundsteuer-Durchführungsverordnung wurden lediglich die von diesem Grundsatz zugelassenen Ausnahmen anders abgegrenzt. Beide Verordnungen (die GrStDV vom 1. Juli 1937 und die Zweite Grundsteuer-Durchführungsverordnung vom 29. März 1938) stützen sich auf § 12 AO, wonach der Reichsminister der Finanzen unter anderem ermächtigt war, zur Durchführung und Ergänzung sowie zur überleitung der Gesetzgebung Rechtsverordnungen zu erlassen. Der I. Senat hat bereits in seinem Urteil I 40/55 U vom 14. Februar 1956, worauf der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme hingewiesen hat, ausgeführt, daß es im totalitären Staat als eine untergeordnete Angelegenheit gesetzestechnischer Zweckmäßigkeit galt, ob eine Frage im Gesetz selbst oder in einer mit dem Gesetz in sachlichem oder zeitlichem Zusammenhang erlassenen Durchführungsverordnung geregelt wurde. Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung der damaligen Auffassung an und kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Bestimmung im alten § 25 Abs. 1 GrStDV rechtswirksam erlassen worden ist. Diese Bestimmung wurde auch allgemein als verbindliche Rechtsnorm anerkannt. Das ergibt sich u. a. daraus, daß der Reichsfinanzhof in seinen Entscheidungen III 161/39 vom 28. September 1939 (RStBl 1939 S. 1232) und III 127/39 vom 13. Februar 1941 (RStBl 1941 S. 382) die Rechtsgültigkeit der genannten Bestimmung nicht prüfte, sondern als selbstverständlich voraussetze.

Die Vorinstanz weist in ihrer Entscheidung darauf hin, die Bundesregierung habe durch Art. II des Grundsteuer-änderungsgesetzes vom 10. August 1951 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 515) nicht nur für das änderungsgesetz selbst, sondern auch hinsichtlich des ganzen bisher geltenden Grundsteuerrechts eine neue Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen erhalten. Damit hätten auch bei der Neufassung der Durchführungsverordnung (Art. IV des genannten änderungsgesetzes) die bisherigen Bestimmungen überprüft werden müssen, ob sie sich in dem Rahmen halten würden, den Art. II a. a. O. abstecke. Auch eine bisher gültige Bestimmung habe nur insoweit übernommen werden können, als sie gemäß Art. II a. a. O. der Abgrenzung der Steuerpflicht, der Anwendung der Befreiungsvorschriften usw. diene. Sie dürfe keinesfalls dem Wortlaut des Gesetzes widersprechen oder gar eine dort nicht vorgesehene Steuerpflicht begründen. Weiter komme hinzu, daß die Befreiung nach § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG auf den Grundbesitz ausgedehnt worden sei, der unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diene. Insoweit habe § 25 GrStDV selbst als bisher gültige Rechtsnorm den neuen Befreiungstatbestand nicht einschränken können. Der im änderungsgesetz zum Ausdruck gekommene Wille sei unzweideutig auf eine uneingeschränkte Befreiung gegangen.

Dieser Auffassung kann der Senat nicht beitreten. In der Begründung zum Grundsteuer-änderungsgesetz (BStBl 1951 I S. 370) ist in Abschn. A folgendes ausgeführt: "... Weiter ist vorgesehen, daß neben der Mildtätigkeit auch die Gemeinnützigkeit Befreiungsgrund sein soll. Im übrigen soll aber an den Grundgedanken des Gesetzes und seiner Befreiungsvorschrift festgehalten werden. Alle Bestrebungen auf Ausweitung der Befreiungsvorschriften müssen mit Rücksicht auf den Objektcharakter der Grundsteuer abgelehnt werden." Den gemeinnützigen Zwecken ist nach Abschn. B a. a. O. die gleiche Vorzugsstellung eingeräumt worden wie den mildtätigen Zwecken. Bei der Benutzung von Grundbesitz für mildtätige Zwecke bestanden aber von Anfang an die Einschränkungen hinsichtlich der Benutzung des Grundbesitzes für Wohnzwecke und hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes. Daß bei der Benutzung von Grundbesitz für gemeinnützige Zwecke die im Gesetz enthaltene Beschränkung (ß 5 Satz 1) besteht, kann nicht zweifelhaft sein. Die Aufnahme eines Befreiungsgrundes in die Hauptvorschrift des § 4 GrStG hat keine uneingeschränkte Befreiung mit sich bringen sollen. Der Vorinstanz kann auch darin nicht gefolgt werden, daß bei Neufassung der Durchführungsverordnung die bisherigen Bestimmungen überprüft werden mußten, ob sie sich im Rahmen der jetzt geltenden Ermächtigung halten. Eine solche überprüfung wäre wohl zweckmäßig gewesen, war aber nicht unbedingt erforderlich. Wie oben ausgeführt, war die Vorschrift des alten § 25 Abs. 1 GrStDV seinerzeit rechtsgültig entstanden, war also geltendes Recht. Derartiges Recht gilt aber nach Art. 123 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), soweit es dem GG nicht widerspricht, als Bundesrecht weiter, bis es aufgehoben wird. § 25 Abs. 1 GrStDV widerspricht im Rahmen der übernommenen früheren Grundsteuervorschriften nicht dem GG und ist auch nicht aufgehoben, vielmehr unverändert beibehalten worden. Die Wiedergabe des § 25 Abs. 1 GrStDV in der Neufassung vom 29. Januar 1952 bedeutet keinen neuen Erlaß dieser Bestimmung. Auch der Gesetzgeber des Grundsteuer-änderungsgesetzes ist offensichtlich davon ausgegangen, daß es sich bei dem § 25 Abs. 1 GrStDV um solches fortgeltendes Recht handelt; andernfalls wäre es nicht zu verstehen, daß er für die Fälle des § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG die Anwendung des § 25 Abs. 1 ausgeschlossen hat.

Nach alledem kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß die Bestimmung des § 25 Abs. 1 GrStDV rechtsgültig entstanden ist und, da sie seither unverändert beibehalten worden ist, ihre Rechtsgültigkeit behalten hat. Da die Vorinstanz die Rechtslage verkannt hat, unterliegt ihre Entscheidung der Aufhebung.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408661

BStBl III 1957, 54

BFHE 1957, 140

BFHE 64, 140

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