Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungsbegriff bei § 4 b InvZulG 1982 (sog. Konzernklausel)

 

Leitsatz (NV)

Der Begriff des "Überlassens zur Nutzung" in § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 ist weit aus zulegen und erfaßt grundsätzlich alle Überlassungsvorgänge, die es dem Empfängerunternehmen ermöglichen, die betreffenden Wirtschaftsgüter im Rahmen seines Unternehmenszweckes zum eigenen Vorteil einzusetzen.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b Abs. 6

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, verwaltet, vermietet und bewirtschaftet seit ihrer Gründung ... -Wagen. Für die Streitjahre 1982 und 1983 machte sie gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) Zulagenansprüche nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für Investitionen in Höhe von ... DM und ... DM geltend. Die Anträge betrafen hauptsächlich den Erwerb von ... - Wagen.

Bis Ende 1982 verfügte die Klägerin über keine eigenen Wagen. Diese wurden ihr vielmehr ausschließlich von der A-GmbH und der B- GmbH, im Rahmen sog. "Bewirtschaftungsverträge" zur Verfügung gestellt. In den Verträgen ist geregelt, daß die A-GmbH und die B-GmbH die Klägerin mit der Bewirtschaftung der ihr übergebenen Wagen "als Kommissionär" beauftragen. Die Klägerin vermietete die Wagen im eigenen Namen für Rechnung der A- und B-GmbH an fremde Dritte. Als Entgelt erhielt die Klägerin von der A- und B-GmbH eine "Bewirtschaftungsprovision", errechnet als Prozentsatz der angefallenen Bruttoerträge. Die verbleibenden Bruttoerträge mußte die Klägerin nach Abzug der verauslagten Kosten für öffentlich-rechtliche Gebühren (Zoll usw.), Wartung und Reparaturen etc. an die A- und die B-GmbH abführen.

Die A-GmbH hielt 50 % des Stammkapitals der Klägerin. Die weiteren 50 % wurden von der X-AG gehalten, einer 100 %igen Tochter der B-GmbH.

In den Jahren 1979 bis 1981 hatte die Klägerin nur in geringem Umfang investiert.

Mit Bescheiden vom 9. Mai 1983 und 23. Februar 1984 setzte das FA die Investitionszulagen antragsgemäß auf ... DM und ... DM fest. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Im Anschluß an eine auch die Streitjahre umfassende Betriebsprüfung erließ das FA am 12. Juni 1987 auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützte Änderungsbescheide, in denen die Investitionszulage für 1982 auf ... DM und für 1983 auf ... DM herabgesetzt und gleichzeitig Rückforderungszinsen von ... DM und ... DM festgesetzt wurden. Die Einsprüche der Klägerin wurden mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 1988 als unbegründet zurückgewiesen. Das FA begründete seine Entscheidung damit, daß in das für die Berechnung der Investitionszulage maßgebliche Vergleichsvolumen nach § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 auch die in den Jahren 1979 bis 1981 von den mittelbar und unmittelbar Beteiligten erworbenen Wirtschaftsgüter einzubeziehen seien, da sie der Klägerin i. S. dieser Vorschrift zur Nutzung überlassen worden seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß der Klägerin zwar anders als bei der in Tz. 115 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 16. Juni 1982 IV B -- 2 -- InvZ 1010 -- 16/82 (BStBl I 1982, 569) genannten Miete, Pacht oder Leihe nicht die Nutzungen i. S. der §§ 99 und 100 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB -- (Früchte und Gebrauchsvorteile) zuflössen, da sie für fremde Rechnung tätig werde. Zur Bestimmung des Nutzungsbegriffs i. S. von § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 seien jedoch die Regelungen des BGB nicht geeignet. Vielmehr sei der Nutzungsbegriff hier nach Sinn und Zweck des § 4 b InvZulG 1982 weit auszulegen. Nur so lasse sich verhindern, daß in einem Unternehmensverbund bei einer -- auf einzelne Wirtschaftsgüter bezogenen -- betriebsaufspaltungsähnlichen Aufteilung der Funktionen das "Nicht-Eigentümer-Unternehmen" sich das Fehlen von Investitionen zunutze mache, die Grundlage seiner eigenen betrieblichen Tätigkeit seien. Von einem "Wirtschaftsgüter nutzenden Unternehmen" und damit einer Zurechnung i. S. des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 müsse daher schon dann ausgegangen werden, wenn das Unternehmen die Wirtschaftsgüter nicht nur im Besitz hat (wobei mittelbarer Besitz gemäß § 868 BGB genüge), sondern es ihm auch möglich ist, die Wirtschaftsgüter zum eigenen Vorteil zu gebrauchen, d. h. sie zur Verwirklichung des Unternehmenszweckes zu verwenden. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Klägerin treffe selbst die Entscheidung über die Wahl ihrer Vertragspartner und über die Bedingungen der Verträge, die der Weitergabe der Gebrauchsvorteile an den Wagen zugrunde liegen. Dadurch bestimme sie den Umfang der gezogenen Vorteile aus dem Einsatz der Wirtschaftsgüter für sich in gewissem Rahmen selbst. Insoweit ließen sich die hier geschlossenen Kommissionsverträge mit den üblichen Nutzungsüberlassungsverträgen wie Miete, Pacht und Leihe vergleichen, die dem Nutzenden diese Rechte ebenfalls einräumten.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 und beruft sich dazu im wesentlichen darauf, daß das hier vorliegende Kommissionsverhältnis unter keinem Gesichtspunkt mit einem Miet-, Pacht- oder Leihvertrag verglichen werden könne. Gegen die Einordnung des Kommissionsvertrages als Nutzungsverhältnis i. S. von § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 spreche insbesondere die wirtschaftliche Nähe zur Stellvertretung. Der Kommissionsvertrag sei ein Anwendungsfall der sog. verdeckten Stellvertretung.

Da § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 zudem ein Anwendungsfall der Mißbrauchsvorschrift des § 42 AO 1977 sei, hätte das FG überdies einen Mißbrauchstatbestand feststellen müssen, der hier aber nicht gegeben sei: Die Klägerin sei nicht eigens zum Zweck des Erwerbs der Investitionsgüter gegründet worden. Sie habe auch nicht den einem Mieter oder Entleiher vergleichbaren vollen wirtschaftlichen Nutzen aus der Zurverfügungstellung der Wirtschaftsgüter gehabt, so daß man nicht von einer Gesetzesumgehung sprechen könne. Vielmehr sei mit dem Abschluß des Kommissionsvertrages ein ganz anderer als der von § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 gemeinte Sachverhalt verwirklicht worden, wobei Kommissionsgeschäfte im Bereich der Beförderungswirtschaft im übrigen durchgängig üblich seien.

Schließlich könne der Klägerin allenfalls ein Bruchteil der Investitionstätigkeit der A- GmbH und der B-GmbH entsprechend dem Prozentsatz ihres Provisionsanspruchs (6 bis 7 % der Bruttoerträge) zugerechnet werden. Dies habe das FG nicht beachtet und nicht aufgeklärt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen; außerdem, den Rückzahlungsanspruch nur in seiner endgültig festzusetzenden Höhe zu verzinsen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat § 4 b Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1982 zu Recht angewendet und das Vergleichsvolumen der Klägerin i. S. des § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 unter Einbeziehung der Investitionen der A-GmbH und der B-GmbH ermittelt.

Die Gesetzesworte "zur Nutzung überlassen" in der sog. Konzernklausel des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 sind mangels rechts terminologischer Klarheit nach Maßgabe von Sinn und Zweck des Gesetzes auszulegen. Nach der Gesetzesbegründung (s. BTDrucks 9/1400, S. 17) soll mit dieser Klausel verhindert werden, daß durch rechtliche Gestaltungen, insbesondere in Konzernen und sonstigen verbundenen Unternehmen, die Begrenzung der Begünstigung auf die sog. Mehrinvestitionen beeinträchtigt wird. Mehrinvestitionen sind diejenigen Investitionen, die über den Durchschnitt der Investitionen im gesetzlich vorgegebenen Vergleichszeitraum von 1979 bis einschließlich 1981 hinausgehen (vgl. § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982). § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 gilt als ein Anwendungsfall der Mißbrauchsvorschrift des § 42 AO 1977 (vgl. dazu schon Senatsurteil vom 9. Dezember 1988 III R 27/86, BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242).

a) Die Zielrichtung der sog. Konzernklausel ist danach u. a. auch eine Konstellation, bei der -- wie im Streitfall -- die unmittelbar oder mittelbar beteiligten Obergesellschaften ein hohes Vergleichsvolumen haben, die Tochtergesellschaft -- hier die Klägerin -- aber ein niedriges (so z. B. auch Dankmeyer in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 4 b InvZulG 1982 Rz. 128). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242 die Anwendung des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 für möglich gehalten, wenn Investitionen von einer eigens zu diesem Zweck neugegründeten GmbH getätigt werden, die kein Vergleichsvolumen hat. Dieser Gestaltung ist das Vorgehen im Streitfall aber durchaus ähnlich. Die Klägerin, die im Vergleichszeitraum des § 4 b Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1982 nur in unbedeutendem Umfang eigene Investitionen getätigt hatte, hat erstmals in den Streitjahren -- abweichend von der bisherigen Übung im Konzern -- selbst Wagen (in großer Stückzahl) angeschafft. Damit wurde eine Gestaltung gewählt, die der Absicht des Gesetzgebers (in BTDrucks 9/1400, S. 17) zuwiderlief (vgl. hierzu auch Hußmann, Der Betrieb -- DB -- 1985, 574). Ob insoweit der Tatbestand des § 42 AO 1977 -- mit der Wirkung der Zurechnung der Investitionen zu der A- und der B-GmbH -- verwirklicht wurde, kann angesichts der Einschlägigkeit des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 auch im übrigen (Zurechnung des Vergleichsvolumens zur Klägerin; s. hierzu unten) dahingestellt bleiben.

b) Entsprechend diesem Vorverständnis ist auch der Begriff des "Überlassens zur Nutzung" in § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 weit auszulegen. Er erfaßt -- auch für die Zuordnung des Vergleichsvolumens -- über die im Schreiben des BMF in BStBl I 1982, 569 nur beispielhaft genannten Möglichkeiten der Vermietung, Verpachtung und leihweisen Hingabe von Wirtschaftsgütern hinaus grundsätzlich alle Überlassungsvorgänge, die es dem Empfängerunternehmen ermöglichen, die betreffenden Wirtschaftsgüter im Rahmen seines Unternehmenszweckes zum eigenen Vorteil einzusetzen.

Da sich die von der Klägerin abgeschlossenen "Bewirtschaftungsverträge" nicht auf Einkaufs- oder Verkaufsgeschäfte i. S. von § 383 des Handelsgesetzbuches (HGB) beziehen, handelt es sich im Streitfall um Verträge sui generis. Die gesetzlichen Bestimmungen für Kommissionsgeschäfte (§§ 384 ff. HGB) sind hierauf nur kraft der Verweisung in § 406 Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. m. der Formkaufmannseigenschaft der Klägerin als GmbH gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar. Ungeachtet dessen stellt die Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen solcher Bewirtschaftungsverträge nach den oben dargelegten Grundsätzen jedenfalls dann eine Nutzungsüberlassung i. S. von § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 dar, wenn der zur Bewirtschaftung verpflichtete die Wirtschaftsgüter wie hier mit begründeter Aussicht auf Gewinnerzielung durch Vereinnahmung von Provisionen für seinen Unternehmenszweck (Verwertung von ... - Wagen) einsetzt und dabei wesentliche unternehmerische Entscheidungen (Auswahl des Vertragspartners und Bestimmung des Inhalts des mit diesem geschlossenen Vertrages) selbständig treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421466

BFH/NV 1996, 851

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