Leitsatz (amtlich)

Die im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Einkaufsagenten ausgeführten Versendungen sind nicht zwangsläufig Nebenleistungen im Rahmen der Vermittlungstätigkeit (Fortführung der Rechtsprechung im BFH-Urteil V R 69/66 vom 13. August 1970, BFH 99, 507).

 

Normenkette

UStG 1951 § 5 Abs. 4 Nr. 1; UStDB 1951 § 54 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt eine Kohlengroßhandlung. Außerdem vermittelte sie in den Jahren 1956 bis 1962 für die Firma S den Einkauf von Kohlen bei Kleinzechen. Sie führte die dazu erforderlichen Vorverhandlungen und hielt die in dieser Art gewonnenen Geschäftsbeziehungen der S durch regelmäßige Kontaktpflege aufrecht. Ferner veranlaßte sie die pünktliche Abfuhr der von der S erworbenen Kohlenmengen, damit die Bunker der Kleinzechen rechtzeitig zur Aufnahme neuer Kohlenvorräte geräumt wurden. Schließlich sorgte die Steuerpflichtige für den Transport der Kohlen zu den Kunden der S, indem sie Spediteure mit der Abfuhr beauftragte. Die S zahlte der Steuerpflichtigen Vermittlungsprovisionen und erstattete ihr die Frachtauslagen. Grundlage der Geschäftsbeziehungen zwischen der Steuerpflichtigen und der S waren Vereinbarungen, die in der „Niederschrift” vom Oktober 1954 im einzelnen enthalten sind.

Aufgrund einer Betriebsprüfung im Herbst 1963 kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) zu dem Ergebnis, daß die Steuerpflichtige die für die Versendung der Kohlen zunächst verauslagten und später durch Erstattung seitens der S wieder vereinnahmten Beträge nicht vom Entgelt für steuerpflichtige Umsätze absetzen dürfe, weil die Beförderungen durch andere Unternehmer nach dem Gesamtbild lediglich Nebenleistungen seien, die umsatzsteuerrechtlich wie die Hauptleistung, d. h. wie die Vermittlung der Kohleneinkäufe behandelt werden müßten. Das FA berichtigte die Umsatzsteuerbescheide 1956 bis 1961 und führte die erstmalige Veranlagung für 1962 nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung durch.

Den Einspruch wies es als unbegründet zurück.

Auch die Berufung (Klage) der Steuerpflichtigen hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und Bundesfinanzhofs (BFH) zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Steuerpflichtige sei zwar als sogenannter Gelegenheitsspediteur im Sinne des § 415 HGB zu betrachten. Sie könne aber die Versendungsauslagen nicht nach § 54 Abs. 2 der UStDB 1951 absetzen, weil sie Beförderungen beträfen, die allenfalls Nebenleistungen seien, wenn sie nicht sogar lediglich als Bestandteil einer einheitlich zu beurteilenden Leistung sui generis angesehen werden müßten. Für die Annahme, der Transport der Kohlen sei eine Nebenleistung, spreche, daß er sich zwanglos als zusätzliche Leistung zur Einkaufsvermittlung verstehe, ohne deren Charakter zu verändern. Die Versendung der Kohle sei nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Im übrigen hätten – entgegen der Meinung der Steuerpflichtigen – die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO für die Durchführung von Berichtigungsveranlagungen vorgelegen, da der Betriebsprüfer im Jahre 1963 neue Tatsachen ermittelt habe, die dem FA nicht bekannt gewesen seien und die es auch nicht hätte kennen müssen.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige, ohne die Berichtigungsveranlagungen dem Grunde nach zu beanstanden, Verletzung des § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 UStDB 1951. Sie begehrt, die zahlenmäßig aufgeführten Frachtauslagen vom Entgelt für steuerpflichtige Umsätze abzuziehen und die Umsatzsteuer 1956 bis 1962 entsprechend festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Rüge der Steuerpflichtigen, daß durch die Vorentscheidung § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 UStDB 1951 verletzt worden sei, ist begründet. Nach den genannten Vorschriften können Spediteure, Frachtführer und Verfrachter die Auslagen, die ihnen nachweislich dadurch entstehen, daß sie die Beförderung von Gegenständen durch einen anderen Unternehmer ausführen lassen, vom Entgelt für ihre steuerpflichtige Leistung abziehen. Ohne Rechtsirrtum hat das FG angenommen, daß die Steuerpflichtige, obwohl sie einen Großhandel betreibt und Vermittlungsleistungen erbringt, unter den genannten Personenkreis fällt. Bei der Anwendung des § 54 Abs. 2 UStDB 1951 kommt es nämlich nach der von der Vorinstanz zitierten Rechtsprechung des RFH und BFH nicht entscheidend auf die handelsrechtlichen Bezeichnungen an, sondern darauf, daß tatsächlich eine Spediteur- oder Frachtführertätigkeit entfaltet wird. Nach den Feststellungen des FG hat die Steuerpflichtige, ohne Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter im Sinne des HGB zu sein, innerhalb ihres Gewerbes nachhaltig auch eine Tätigkeit ausgeübt, die der der genannten Berufe entspricht. Die Steuerpflichtige hat es seit Oktober 1954 übernommen, die von der S durch ihre Vermittlung eingekauften Kohlen ab Zeche an deren Abnehmer durch dritte Unternehmer im eigenen Namen befördern zu lassen. Die Vorinstanz ist daher mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Steuerpflichtige umsatzsteuerrechtlich als sogenannter Gelegenheitsspediteur im Sinne des § 415 HGB zu behandeln ist, auf den § 54 Abs. 2 UStDB 1951 ebenfalls angewendet werden kann.

Die weiteren Ausführungen des FG, Gelegenheitsspediteure dürften ihre Versendungsauslagen nur für solche Beförderungen absetzen, die sie als Hauptleistungen übernommen oder veranlaßt hätten, sind nicht zu beanstanden. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung hängt im gegebenen Fall allein von der Rechtsfrage ab, ob die von der Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Einkaufsagent ausgeführten Versendungen als Nebenleistungen im Rahmen ihrer Vermittlungstätigkeit anzusehen sind. Diese Frage muß im Gegensatz zu der Ansicht der Vorinstanz verneint werden, wie auch nicht anzunehmen ist, daß die Einkaufsvermittlung für die S und die Versendung der Kohlen von den Zechen an die Kunden der S eine einheitliche Leistung sui generis darstellen.

Eine Nebenleistung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil V R 69/66 vom 13. August 1970, BFH 99, 507) nur vor, wenn der dienende Umsatz im Verhältnis zum auslösenden Geschäft nebensächlich ist, mit ihn in engem Zusammenhang steht und in seinem Gefolge üblicherweise vorkommt. Wie der „Niederschrift” vom Oktober 1954 zu entnehmen ist, haben die Vertragschließenden zwei getrennte, durch die Steuerpflichtige zu erbringende Leistungen vereinbart: Zum ersten der S bei den Kleinzechen durch Vermittlung der Steuerpflichtigen Einkaufsmöglichkeiten zu erschließen und durch Kontaktpflege zu erhalten, zum anderen die von der S durch die Vermittlungstätigkeit der Steuerpflichtigen erworbenen Kohlen den Kunden der S „zufahren zu lassen”. In einem solchen Fall kann nicht angenommen werden, daß die der Steuerpflichtigen obliegende, der Erfüllung von Verpflichtungsgeschäften der S gegenüber deren Abnehmern dienende Versendung ein nebensächliches Geschäft ist, das üblicherweise bei einer Einkaufsvermittlung vorkommt und mit dieser in einem engen Zusammenhang steht. Das erkennbare Bestreben der S ging also nicht nur dahin, Möglichkeiten zum Hinkauf von Kohlen bei Kleinzechen zu erhalten, sondern war in gleicher Weise darauf gerichtet, ihre Lieferungsverpflichtungen gegenüber den Industrieverbrauchern unter Mitwirkung der Steuerpflichtigen zu erfüllen. Der BFH hat es im übrigen in der obengenannten Entscheidung V R 69/66 vom 13. August 1970 (a. a. O.) abgelehnt, seine Rechtsprechung zur Nebenleistung auf Fälle auszudehnen, in denen lediglich ein enger wirtschaftlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen zwei Leistungen desselben Unternehmens besteht (vgl. Anmerkung zum Urteil V R 69/66 in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1970 S. 598 – HFR 1970, 598 –). Die von der Vorinstanz angeführte Rechtsprechung in Fällen der Beförderung bzw. Versendung durch liefernde Unternehmer oder durch Verkaufsagenten mit oder ohne Lagerhaltung ist auf den gegebenen Sachverhalt nicht unmittelbar und auch nicht entsprechend anzuwenden. Der Gegenstand der vom Umsatzsteuerrecht erfaßten Leistung der Steuerpflichtigen ist zunächst das Zustandebringen des Verpflichtungsgeschäfts zwischen der S und den Zechen, dessen Handlungselemente mit einem späteren Transport der von der S gekauften Kohlen an deren Kunden nichts zu tun haben; denn eine Beförderungs- oder Versendungsleistung ist mit der Ausführung dieses Auftrags nicht notwendig verbunden. Diese kommt vielmehr als eine gesondert zu betrachtende Leistung hinzu, die wegen ihrer Bedeutung als weitere Hauptleistung zu werten ist.

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß die Einkaufsvermittlung und die Versendung der Kohlen durch die Steuerpflichtige nicht als eine einheitliche Leistung besonderer Art zu werten sind, wie die Vorinstanz annimmt. Nur zusätzliche Leistungen eines Unternehmers, die das Hauptgeschäft bei vernünftiger und interessengerechter Abwicklung auslöst und deren Erbringung der Auftraggeber üblicherweise erwarten kann, bilden eine wirtschaftliche Einheit mit der Hauptleistung.

Aufgrund dieser Erwägungen kann die Steuerpflichtige nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 UStDB 1951 die Auslagen für die Versendung der Kohlen von den Entgelten für ihre steuerpflichtigen Leistungen abziehen. Das angefochtene Urteil, in dem eine andere rechtliche Beurteilung vertreten wird, mußte daher aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514894

BFHE 1971, 567

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