Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Gewährt ein Mieter dem Vermieter einen sogenannten verlorenen Baukostenzuschuß im Zusammenhange mit dem Abschluß eines Mietvertrages, so spricht eine Vermutung dafür, daß ohne die Zahlung dieses Baukostenzuschusses ein höherer Mietzins festgesetzt worden wäre; auf den verlorenen Baukostenzuschuß findet daher § 4 Ziff. 10 UStG Anwendung.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 10, § 4/12

 

Tatbestand

Den Steuerpflichtigen (Stpfl.) gehört gemeinschaftlich ein bebautes Grundstück. Das infolge der Kriegsereignisse völlig zerstörte Gebäude ist in den Jahren 1949 und 1950 wieder aufgebaut worden. Die Mieter, die dann in das Haus gezogen sind, haben im Jahre 1949 insgesamt 40.500 DM Baukostenzuschüsse geleistet, davon 7.900 DM "verlorene" Zuschüsse und 32.600 DM Zuschüsse, die auf die späteren Mietzinsleistungen angerechnet werden. Streit darüber, ob die 7.900 DM verlorene Zuschüsse der Umsatzsteuer unterliegen oder nicht. Das Finanzamt hat die Umsatzsteuerpflicht bejaht; das Finanzgericht hingegen hat dem Begehren der Stpfl. stattgegeben und die verlorenen Baukostenzuschüsse nach § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) von der Steuer freigestellt, weil im Endergebnis der verlorene Zuschuß des Mieters dadurch auf die Miete verrechnet werde, daß der Vermieter die vertragliche Miete von vornherein niedriger bemesse, als wenn der Mieter keinen Baukostenzuschuß gebe.

Der Vorsteher des Finanzamts macht mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) geltend, man könne die verlorenen Baukostenzuschüsse den Mietvorauszahlungen nicht gleichstellen; denn bei vorzeitiger Aufgabe des Mietverhältnisses habe ein Mieter keinen Anspruch auf Rückerstattung des verlorenen Zuschusses. Nehme man an, daß eine Verrechnung des Baukostenzuschusses auf den Mietpreis erfolge, dann würde sich in zwei Fällen mit gleichem Baukostenzuschuß, gleichen Räumen und gleicher Miete, jedoch verschieden langer Dauer des Mietverhältnisses, ein ungerechtfertigter unterschiedlicher Mietpreis ergeben. Hinzu komme, daß die Auffassung des Finanzgerichts im Gegensatze zur einkommensteuerlichen Behandlung der Mieterzuschüsse stehe, die in Abschn. 173 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 geregelt sei. Der gleiche Tatbestand werde dann von der Steuergesetzgebung jedesmal verschieden beurteilt. Auch in der steuerlichen Literatur finde sich die Auffassung, daß die verlorenen Baukostenzuschüsse keine den Mietzinszahlungen gleichzustellenden Leistungen seien.

Im Hinblick auf die Regelung, die sich für Baukostenzuschüsse in den Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1949, Abschn. 36, und den EStR II/1948 und 1949 in Abschn. 173 getroffen worden ist, hat der Senat den Bundesminister der Finanzen um Beteiligung ersucht. Der Bundesminister der Finanzen hat davon abgesehen, nach § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) dem Verfahren förmlich beizutreten. Er hat aber eine äußerung des Bundesministers für Wohnungsbau beigezogen und sich sodann dahin ausgesprochen, daß auch die verlorenen Baukostenzuschüsse in der Mehrzahl der Fälle als Mietvorauszahlungen und deshalb unter § 4 Ziff. 10 UStG fallend anzusehen seien, weil sie in der Regel in einem engen Zusammenhange mit einem Mietvertrage und insbesondere mit der künftigen Mietzinshöhe vereinbart würden. Beim steuerbegünstigten Wohnungsbau, zu dem insbesondere die über § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) geförderten Wohnungen gehören, sei dieser enge Zusammenhang zwischen Baukostenzuschuß und Mietzinshöhe schon durch das Erste Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - S. 83) in seiner bis 31. Juli 1953 geltenden Fassung und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen (BGBl. 1950 S. 759 und 753) hergestellt gewesen. Nach § 27 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes hätte für steuerbegünstigte Wohnungen keine höhere Miete erhoben werden dürfen als zur Deckung der Kosten erforderlich gewesen wäre (Kostenmiete). Die Kostenmiete sei nach Maßgabe der Mietenverordnung und der Berechnungsverordnung zu berechnen gewesen. Der Vermieter hätte dabei eine Wirtschaftlichkeitsrechnung aufstellen und der Preisbehörde einreichen müssen. Einen als Verzinsung der Baukostenzuschüsse eingesetzten Betrag hätte er von der Miete der zuschußgebenden Mieter absetzen müssen (vgl. § 4 Abs. 2 der Mietenverordnung). Außerdem hätten keine Abschreibungsbeträge bei der Berechnung der Kostenmiete angesetzt werden dürfen (ß 4 Abs. 1 der Mietenverordnung, § 19 Abs. 2 der Berechnungsverordnung). Nach dem ab 1. August 1953 geltenden Ersten Wohnungsbaugesetz (Fassung vom 25. August 1953, BGBl. I S. 1047 ff.) könne zwar für steuerbegünstigte Wohnungen eine vom Vermieter selbst verantwortlich gebildete Miete vereinbart werden. Sei diese aber höher als die Kostenmiete, so könne sie auf Antrag des Mieters durch die Preisbehörde auf den der Kostenmiete entsprechenden Betrag herabgesetzt werden (vgl. § 45 a. a. O.). Baukostenzuschüsse lösten demnach bei steuerbegünstigten Wohnungen kraft des geltenden Mietpreisrechtes zwangsläufig eine Minderung des Mietzinses aus. Aber auch bei freifinanzierten Wohnungen und Geschäftsräumen, die keinen Beschränkungen hinsichtlich der Mietpreisbildung unterlägen, werde man in der Regel annehmen können, daß bei Nichtzahlung eines Baukostenzuschusses eine höhere Miete angesetzt werden würde, um die Rentabilität des Hauses zu gewährleisten.

Die Fassung des Abschn. 36 VStR 1949 mit ihrer Betonung der Anrechnung auf die Miete bei Mietvorauszahlungen und der Nichtanrechnung bei gewährten verlorenen Baukostenzuschüssen berechtigte zwar zu gewissen Zweifeln. Sie solle jedoch nur der Praxis die Unterscheidung der Tatbestände im Sinne der verkehrsüblichen Bezeichnungen erleichtern. Die unterschiedliche sachliche Behandlung bei der Vermögensbesteuerung lasse aber trotzdem die Auffassung zu, daß auch ein verlorener Zuschuß eine Leistung für die dauernde oder zeitweise Benutzung von Räumen und damit praktisch eine Mietvorauszahlung darstelle. Das dürfte sich auch aus der in Abschn. 36 Ziff. 2 enthaltenen Verweisung auf Abschn. 35 VStR 1949 ergeben, wonach zufolge des Urteils des Reichsfinanzhofs vom 21. November 1940 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 20) ein Bauaufwand zu einem Recht auf eine niedrigere Mietzahlung führe. Auch Abschn. 173 EStR lasse die Möglichkeit offen, daß Baukostenzuschüsse, die nicht auf die Miete angerechnet würden, Mieteinnahmen darstellen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Der Senat hat nur über die umsatzsteuerliche Beurteilung der Baukostenzuschüsse zu entscheiden.

Die Baukostenzuschüsse sind den Stpfl. im vorliegenden Falle von den Mietern im Zusammenhange mit der Festsetzung der künftigen Mietzinshöhe zugesagt worden. Ein Teil der Zuschüsse wird mit den künftig fällig werdenden Mietzinszahlungen verrechnet. Insoweit stellen die Zuschüsse Mietzinsvorauszahlungen dar. Wird darüber hinaus im Zusammenhange mit den die Mietzinszahlungen regelnden Mietverträgen noch die Leistung sogenannter "verlorener" Baukostenzuschüsse vereinbart, so spricht eine Vermutung dafür, daß die Höhe der Baukosten an sich eine Forderung nach höheren als den vereinbarten Mieten gerechtfertigt hätte, der Mietzins jedoch den ortsüblichen Mieten angepaßt und dafür als Ausgleich ein verlorener Baukostenzuschuß gefordert worden ist. Der verlorene Baukostenzuschuß hat also ebenfalls die Eigenschaft eines zusätzlichen, im voraus gezahlten Mietzinses, so daß der Auffassung des Finanzgerichts beizutreten ist. Die Stpfl. sind sonach wegen der Baukostenzuschüsse nach § 4 Ziff. 10 UStG nicht zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Demgegenüber können die Einwände des Beschwerdeführers (Bf.) nicht durchdringen. Die Mieter pflegen sich gewöhnlich in Fällen dieser Art durch langjährige Mietverträge vor einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses zu sichern, um dadurch den Gegenwert für ihre Vorausleistungen zu erhalten. Endigt das Mietverhältnis aus irgendeinem Grunde vorzeitig, so können sie, möglicherweise im Benehmen mit dem Vermieter oder auch von sich aus, den Mietnachfolger zu einer anteiligen Erstattung des verlorenen Baukostenzuschusses veranlassen. Selbst aber, wenn das nicht möglich sein sollte, würde die sich nunmehr erst ergebende Tatsache, daß im Endergebnis bisher ein zu hoher Mietzins bezahlt worden ist, nichts daran ändern, daß auch der verlorene Baukostenzuschuß die Eigenschaft einer Mietzinsvorauszahlung hat; denn das Umsatzsteuerrecht stellt auf die Entgeltszahlung ab, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob das Entgelt immer dem objektiven Werte der Leistung entspricht.

In der steuerlichen Literatur geäußerten, von der hier vertretenen Auffassung abweichenden Meinungen kann nicht beigetreten werden.

Die Rb. ist nach alledem zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1954, 140

BFHE 1954, 601

BFHE 58, 601

StRK, UStG:4/10 R 4

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