Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der ermäßigte Steuersatz nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG kann nicht angewendet werden, wenn eine Leistung (z. B. Verlustübernahme) erbracht werden muß, um eine von vornherein für den Geschäftszweck ungenügende Kapitalausstattung zu ergänzen.

 

Normenkette

KVStG § 2 Nr. 2, § 2/1/2, § 2/3/b, § 2/1/4, § 9 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der übernahme von Verlusten der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft der ermäßigte Steuersatz nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1934/1955 auch dann angewendet werden kann, wenn die Tochtergesellschaft unter Berücksichtigung ihres Gesellschaftszweckes nicht mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattet worden ist.

Die Bfin., eine GmbH, wurde im Jahre 1950 mit einem Stammkapital von 30.000 DM gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist u. a. die Vorbereitung und Durchführung von Wohnungs- und Siedlungsbauten auf eigene und fremde Rechnung, die Verwaltung und Verwertung fremden Grundbesitzes, der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken sowie die Beteiligung an Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art. Ihr Anlagevermögen entwickelte sich ausweislich der Handelsbilanzen (soweit den Akten zu entnehmen) wie folgt:

31. Dezember 1950 --------------- 63.104,00 DM 31. Dezember 1952 ------------ 7.354.178,75 DM 31. Dezember 1953 ----------- 14.473.091,26 DM 31. Dezember 1954 ----------- 19.397.073,11 DM 31. Dezember 1955 ----------- 25.186.164,40 DM 31. Dezember 1956 ----------- 30.587.479,72 DM.Das Stammkapital der Bfin. wurde im Jahre 1951 auf 100.000 DM und im Jahre 1954 auf 200.000 DM erhöht.

Auf Grund eines im Jahre 1954 mit der Muttergesellschaft abgeschlossenen Ergebnisübernahmevertrages (EüV) übernahm die Organmutter, der bis zum 31. Dezember 1956 50 v. H. der Anteile der Bfin. gehörten, die Geschäftsergebnisse der Bfin. für die Jahre 1954, 1955 und 1956. Das waren folgende Verluste:

1954 ------------------------- 1.387.753,97 DM 1955 ------------------------- 1.315.525,47 DM 1956 --------------------------- 891.963,23 DM insgesamt -------------------- 3.595.242,67 DM.Das Finanzamt erblickte hierin Leistungen, die gemäß § 2 Nr. 2 oder Nr. 3 b KVStG 1934/1955 der Gesellschaftsteuer unterliegen. Es setzte die Gesellschaftsteuer für die drei Ergebnisübernahmen in einer Summe auf 107.857,30 DM (= 3 v. H. von 3.595.242,67 DM) fest. Den Einspruch, mit dem die Bfin. begehrte, den ermäßigten Steuersatz von 1,5 v. H. gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1934/1955 anzuwenden, wies das Finanzamt als unbegründet zurück, weil die Bfin. nicht mit für ihren Gesellschaftszweck ausreichendem Eigenkapital ausgestattet gewesen sei.

Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht, das die Steuerpflicht auf § 2 Nr. 3 b KVStG 1934/1955 stützte, ließ die zwischen dem Finanzamt und der Bfin. streitig gewordene Frage, ob die Bfin. einen echten Verlust erlitten habe, dahingestellt, da es meinte, die Ermäßigungsvorschrift könne nur angewandt werden, wenn die Bfin. ausreichendes Stammkapital besitze, um ihren Geschäftszweck zu erfüllen. Als ausreichend könnten im Hinblick auf die vom Bundesfinanzhofs (Urteil II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BStBl 1952 III S. 181, Slg. Bd. 56 S. 468) für die Eigenkapitalausstattung von Wohnungsbaugesellschaften entwickelten Grundsätze im Streitfall nur Eigenmittel von wenigstens 5 bis 6 Millionen DM angesehen werden. Da der Bfin. als Eigenkapital nur das Stammkapital von 200.000 DM zur Verfügung gestanden habe, hätten die Zuschüsse nicht einer echten Sanierung gedient, sondern der notwendigen Kapitalzuführung. Letztere aber sei mit 3 v. H. zu versteuern. Zu beanstanden sei lediglich, daß das Finanzamt die Steuer nicht für jede Verlustübernahme gesondert festgesetzt habe. Dies sei daher nachzuholen.

Mit der Rb. begehrt die Bfin. erneut, auf die Ergebnisübernahmen den ermäßigten Steuersatz anzuwenden. Sie macht geltend, daß ein Verlust am Stammkapital unabhängig von dessen Höhe entstehen könne. Seine Feststellung sei ein rein rechnerischer Vorgang, nämlich die Gegenüberstellung von Aktiv- und Passivwerten. Durch ein entsprechend hohes Stammkapital könne daher bei einem negativen Geschäftsergebnis wohl eine überschuldung vermieden, nicht aber ein Verlust am Stammkapital verhindert werden. Da sie kein sogenannter geborener Zuschußbetrieb im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs II 106/39 vom 25. Oktober 1940 (RStBl 1940 S. 989, Slg. Bd. 49 S. 219) sei, stehe ihrem Begehren auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes nicht entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Das Finanzgericht stützt die Steuerpflicht der Ergebnisübernahme auf § 2 Nr. 3 b KVStG 1934/1955. Dieser Auffassung kann allerdings nicht gefolgt werden. Die Steuerpflicht ergibt sich vielmehr aus § 2 Nr. 2 KVStG 1934/1955. Auf die Gründe der Urteile des Senats II 183/59 U vom 6. Mai 1964 (BStBl 1964 III S. 384) und II 232/59 U vom 20. Mai 1964 (BStBl 1964 III S. 387) wird Bezug genommen. Es kann indes davon abgesehen werden, die Vorentscheidung wegen dieses Rechtsirrtums aufzuheben, da der Senat in übereinstimmung mit dem Finanzgericht und der Bfin. die Steuerpflicht dem Grunde nach in vollem Umfang bejaht.

Auch der Höhe nach ist die Steuerfestsetzung nicht zu beanstanden. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1934/1955 ermäßigt sich die Steuer bei Leistungen nur insoweit auf 1,5 v. H., als diese erforderlich sind, u. a. einen Verlust am Stammkapital einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu decken. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Sanierungsvergünstigung auch Organgesellschaften zu gewähren, die auf Grund eines EüV Ausgleichsansprüche gegen die Organmutter erworben haben (vgl. insoweit die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs II 183/59 U vom 6. Mai 1964, a. a. O.). Der Bfin. wäre bei einem echten Verlust der ermäßigte Steuersatz daher zuzuerkennen, wenn nicht mit Rücksicht auf den mit der Vorschrift verfolgten Zweck eine ausreichende Ausstattung jeder Kapitalgesellschaft mit Eigenkapital gefordert werden müßte (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs II A 95/27 vom 2. August 1927, Slg. Bd. 22 S. 34; II 106/39 vom 25. Oktober 1940, RStBl 1940 S. 989, Slg. Bd. 49 S. 219, und Urteil des Bundesfinanzhofs II 140/58 vom 4. Oktober 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 Nr. 28 S. 31). Die nach dem Gesetz für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes notwendige Erforderlichkeit der Verlustdeckung ist, was die Bfin. verkennt, zu verneinen, wenn die Leistungen erbracht werden müssen, um eine von vornherein ungenügende Kapitalausstattung zu ergänzen. Derartige Leistungen dienen dann nicht der Verlustdeckung, sondern der notwendigen Kapitalausrüstung. Wie die Bfin. selbst zutreffend ausgeführt hat, ist es bei ausreichend bemessenem Stammkapital für eine GmbH nicht erforderlich, Verluste am Stammkapital alsbald auszugleichen, um die Gesellschaft lebensfähig zu erhalten. Diese Verluste, die insbesondere bei anlaufenden Unternehmen oft nicht zu vermeiden sind, können dann durch die Gewinne späterer Jahre wieder ausgeglichen werden, ohne daß eine Kapitalzuführung durch den oder die Gesellschafter erforderlich wäre. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG soll also nicht dazu dienen, Kapitalgesellschaften mit zu geringer Kapitalausstattung eine begünstigte Kapitalvermehrung auf das für ihren Geschäftszweck erforderliche Maß zu ermöglichen; ihr Zweck ist vielmehr, ursprünglich mit ausreichendem Kapital ausgestatteten Kapitalgesellschaften, die notleidend geworden sind, durch eine Steuervergünstigung die Aufnahme neuen Kapitals zu erleichtern.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, hat das Finanzgericht die Anwendung der Steuervergünstigung zu Recht verneint. Bei dem Wert eines Anlagevermögens an den Stichtagen von rd. 19, 25 und 30 Millionen DM ist ein Stammkapital von nur 200.000 DM, also von nur 1 v. H. und weniger, selbst dann nicht ausreichend, wenn zugunsten der Bfin. hinsichtlich der notwendigen Eigenkapitalausstattung nicht nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs II 56/52 S vom 7. Mai 1952 (a. a. O.), sondern nach denen des Urteils des Bundesfinanzhofs II 176/57 U vom 28. März 1962 (BStBl 1962 III S. 236, Slg. Bd. 74 S. 635) verfahren wird. Bei einer notwendigen Eigenkapitalausstattung von 15 v. H. für eine Wohnungsbaugesellschaft hätte die Bfin. im Jahre 1954 über ein Eigenkapital von rd. 2,9 Millionen DM und im Jahre 1956 von rd. 4,5 Millionen DM verfügen müssen. Bei einer derartigen Kapitalausstattung wäre es ihr aber möglich gewesen, die Verluste ohne die Zuführung neuen Kapitals aus den eigenen Mitteln zu tragen. Die Verlustübernahmen haben daher wohl dazu gedient, darin ist der Bfin. zuzustimmen, den Verlust am Stammkapital und darüber hinaus die überschuldung der Bfin. zu decken. Sie wären aber nicht hierfür erforderlich gewesen, wenn die Bfin. mit dem für ihren Geschäftszweck nötigen Eigenkapital ausgestattet worden wäre.

Für eine Organgesellschaft gelten diese Grundsätze dann in besonderem Masse, wenn sie mit ihrer Organmutter die Ergebnisübernahme vereinbart hat, da eine derartige Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihr Eigenkapital durch Gewinne selbst zu stärken.

Da auch die gesonderte Festsetzung der Gesellschaftsteuer für jede einzelne Ergebnisübernahme nicht zu beanstanden ist, war der Rb. der Erfolg zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411274

BStBl III 1964, 432

BFHE 1964, 546

BFHE 79, 546

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