Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Erhält ein Steuerpflichtiger aus Anlaß der Umlegung von Grundstücken an Stelle seines für Umlegungszwecke in Anspruch genommenen Grundstückes ein neues Grundstück, so ist für das neue Grundstück ein Einheitswert nachträglich festzustellen, wenn dieses Grundstück eine neue wirtschaftliche Einheit darstellt. Eine übertragung des Einheitswertes für das bisherige Grundstück auf das neue Grundstück ist nicht zulässig.

 

Normenkette

BewG § 23

 

Tatbestand

Die Bf. waren Eigentümer eines bebauten Grundstückes, dessen Grund und Boden 306 qm betragen hat. Das Gebäude wurde durch Kriegseinwirkung zerstört. Der Einheitswert ist deshalb auf den 21. Juni 1948 auf 17.700 DM Fortgeschrieben worden.

Die Bf. haben im Jahre 1952 entsprechend dem von der Stadtgemeinde auf Grund des Gesetzes über Maßnahmen zum Aufbau in den Gemeinden (Aufbaugesetz) vom 29. April 1950 (GVBl für Nordrhein-Westfalen 1950 S. 78) des Landes Nordrhein-Westfalen für den zerstörten Stadtteil aufgestellten Umlegungsplane und dem Verteilungsverzeichnis an Stelle ihres bisherigen Grundstückes ein anderes unbebautes Grundstück mit einer Flächengröße von 307 qm erhalten. Dieses Grundstück, das in seinem Flächenausmaße und seiner Frontlänge dem abgetretenen Grundstücke entspricht sowie an der gleichen Straße, jedoch etwa 18 m südlicher liegt, ist durch Zusammenlegung von Teilen früher aneinander grenzender Grundstücke, die ebenfalls von der Umlegung betroffen worden sind, gebildet worden. Das Finanzamt hat für dieses neugebildete Grundstück durch Nachfeststellung nach § 23 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf den 1. Januar 1953 unter Beachtung der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 einen Einheitswert von 33.700 DM mit der Bezeichnung "unbebautes Grundstück (zerstörtes Grundstück)" festgestellt.

In dem Einsprüche haben die Bf. die rechtliche Voraussetzung für eine Nachfeststellung bestritten und beantragt, den Einheitswert für das bisherige Grundstück in Höhe von 17.700 DM auch für das neugebildete Grundstück beizubehalten, weil nach dem rechtskräftigen Beschluß des Umlegungsausschusses das neue Grundstück an die Stelle des bisherigen Grundstückes getreten sei und deshalb auch nach dem "Surrogationsprinzip" der für das bisherige Grundstück auf 17.700 DM fortgeschriebene Einheitswert für das an seine Stelle getretene Grundstück gelte.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt:

Für wirtschaftliche Einheiten wird der Einheitswert nachträglich festgestellt (Nachfeststellung), wenn nach dem Hauptfeststellungszeitpunkte die wirtschaftliche Einheit neu gegründet wird (ß 23 Abs. 1 BewG). Die Neugründung einer wirtschaftlichen Einheit liege grundsätzlich dann vor, wenn diese Einheit aus einer oder mehreren bestehenden Einheiten neu gebildet werde. Der Streitfall sei nicht anders zu beurteilen wie der Fall, in dem aus einem zusammenhängenden Baugelände eine Parzelle als Bauland abgetrennt und verkauft werde. Das neugebildete Grundstück setze sich aus mehreren Teilen benachbarter Grundstücke zusammen, für die ein Einheitswert noch nicht festgestellt worden sei. Daß die neugebildete Einheit die gleiche Größe wie das hergegebene Grundstück habe, sei ebenso unerheblich wie der Umstand, daß die neue Einheit in derselben Gemarkung und an derselben Straße liege. Die vom Finanzamt durchgeführte Bewertung mit dem gemeinen Werte nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 sei nicht zu beanstanden. Das Bewertungsrecht kenne das sogenannte "Surrogationsprinzip" nicht.

In der Rb. bringen die Bf. vor, das Urteil des Finanzgerichts beruhe auf der Nichtanwendung des § 29 Buchst. a des Aufbaugesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen, auf einer unrichtigen Anwendung des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 BewG und verstoße in tatsächlicher Hinsicht gegen den klaren Inhalt der Akten. Ob eine neue wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 BewG gegründet worden ist, sei allein nach § 29 Buchst a des angeführten Aufbaugesetzes zu beurteilen. Da nach diesem und dem Beschluß des Umlegungsausschusses das den Bf. im Umlegungsverfahren zugewiesene Grundstück kraft Gesetzes an die Stelle des bisherigen Grundstückes getreten sei, liege eine neue wirtschaftliche Einheit weder im Rechtssinne noch bei wirtschaftlicher Betrachtung vor. Rechtsirrig sei auch die Auffassung des Finanzgerichts, daß die aus mehreren Teilen früherer Grundstücke gebildeten Ersatzgrundstücke rechtlich genauso zu behandeln seien wie die Herauslösung eines Teiles aus einer zusammenhängenden Einheit. Während im letzten Falle die Herauslösung vom Eigentümer selbst vorgenommen werde, sei im Streitfalle die Umlegung ohne Zustimmung der Bf. erfolgt. Wenn schließlich das Finanzgericht ausführe, die Bf. hätten im Umlegungsverfahren ein wesentlich wertvolleres Grundstück erhalten, so fehle hierfür nach dem Akteninhalt jeder Anhaltspunkt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Für wirtschaftliche Einheiten, für die ein Einheitswert festzustellen ist, wird der Einheitswert nachträglich festgestellt (Nachfeststellung), wenn nach dem Hauptfeststellungszeitpunkte die wirtschaftliche Einheit neu gegründet wird (ß 23 Abs. 1 Ziff. 1 BewG). Der Begriff "Neugründung" bedeutet, daß wirtschaftlich eine neue Einheit entsteht. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden, wobei die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind (ß 2 Abs. 1 BewG). Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsirrtum entschieden, daß das im Umlegungsverfahren aus Teilen früher aneinander grenzender Grundstücke neu gebildete Grundstück eine neue wirtschaftliche Einheit darstellt und auch als neu gegründet im Sinne des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 BewG anzusehen ist. Der Begriff "Neugründung" setzt nicht, wie die Bf. annehmen, voraus, daß die neue wirtschaftliche Einheit aus eigenem Entschluß der Grundstückseigentümer entstanden sein muß; auch wirtschaftliche Einheiten, die gegen den Willen der Eigentümer (hier auf Grund von Vorschriften des Aufbaugesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1950, a. a. O.) neu entstehen, sind als neu gegründet im Sinne von § 23 Abs. 1 Ziff. 1 BewG anzusehen. Ohne Bedeutung ist, daß die gemäß § 28 Abs. 2 des angeführten Aufbaugesetzes bekanntgemachte Feststellung des Umlegungsplanes und des Verteilungsverzeichnisses nach § 29 Buchst. a des Aufbaugesetzes bewirkt, daß die nach dem Verteilungsverzeichnis zugewiesenen Grundstücke an die Stelle der im Bestandsverzeichnis aufgeführten Grundstücke treten, und daß ferner der Erwerb von Grundstücken im Umlegungsverfahren nach Art. 6 Ziff. 2 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Maßnahmen zum Aufbau in den Gemeinden (Aufbaugesetz) vom 9. Oktober 1951 (GVBl für Nordrhein-Westfalen 1951 S. 131) des Landes Nordrhein-Westfalen von der Grunderwerbsteuerpflicht ausgenommen ist. Entscheidend ist allein, ob in tatsächlicher Hinsicht eine neue wirtschaftliche Einheit gegründet worden ist, nicht dagegen, ob die Neugründung auf freiem Entschluß der Grundstückseigentümer beruht oder in den Vorschriften des Aufbaugesetzes seine Ursache hat.

Liegt aber die Neugründung einer wirtschaftlichen Einheit vor, ist auf den Beginn des Kalenderjahres, das dem Ereignis der Neugründung folgt (Nachfeststellungszeitpunkt), eine Nachfeststellung des Einheitswertes durchzuführen. Der Nachfeststellung sind die Verhältnisse vom Nachfeststellungszeitpunkte zugrunde zu legen, wobei jedoch das Wert- und Preisniveau vom 1. Januar 1935 beizubehalten ist (ß 23 Abs. 2 BewG und § 3 a Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV -). Da es sich bei dem strittigen Grundstück um ein unbebautes Grundstück handelt, ist es mit dem gemeinen Werte (ß 10 BewG) vom 1. Januar 1935 zu bewerten (ß 53 BewG, § 3 a Abs. 1 BewDV). Nicht zulässig ist es, den Einheitswert für das bisherige Grundstück auf das Ersatzgrundstück zu übertragen, auch wenn im Umlegungsverfahren ein Wertunterschied zwischen dem bisherigen und dem neuen Grundstücke nicht festgestellt worden ist. Die Bekanntmachung des Umlegungsplanes und des Verteilungsverzeichnisses hat nur die in § 29 des Aufbaugesetzes festgelegten zivilrechtlichen Wirkungen zur Folge, wie unter anderem den übergang des Eigentumes an dem zugewiesenen Grundstücke auf den neuen Eigentümer und das Erlöschen des Eigentumes an dem bisherigen Grundstücke. Das streitige Grundstück ist also, worauf die Bf. selbst hinweisen, nach den Vorschriften des Aufbaugesetzes an die Stelle des bisherigen Grundstückes getreten. Deshalb muß auch, im Gegensatze zur Auffassung der Bf., der Einheitswert des bisherigen Grundstückes bei der Einheitsbewertung des neuen Grundstückes außer Betracht bleiben. Für die Einheitsbewertung des neuen Grundstückes sind allein die Vorschriften des Bewertungsrechtes maßgebend. Diese rechtlichen Gesichtspunkte sind vom Finanzamt und Finanzgericht beachtet worden. Der auf den 1. Januar 1953 auf der Wertbasis vom 1. Januar 1935 festgestellte gemeine Wert ist von den Bf. als solcher auch nicht angegriffen worden.

Zu dem Unterschiede im Einheitswerte für das kriegszerstörte Grundstück und für das durch die Umlegung an seine Stelle getretene Ersatzgrundstück sei bemerkt, daß nach dem Gesetz betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 vom 10. März 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 25) bei Grundstücken mit völlig zerstörten oder nicht mehr benutzbaren Gebäuden der Wert des Grund und Bodens nicht für sich zu ermitteln, sondern aus dem zuletzt festgestellten Einheitswerte abzuleiten war (ß 2 Abs. 1 und 2 a. a. O.). Es kam also nicht darauf an, welchen Wert der Grund und Boden in seinem Zustande am 21. Juni 1948 nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 gehabt hat. Von diesem anteiligen Bodenwerte ist im übrigen aus verschiedenen Gründen noch ein erheblicher Abschlag gemacht worden.

Der Einwand der Bf., daß die Behauptung des Finanzgerichts über die Zuteilung eines wesentlich wertvolleren Ersatzgrundstückes gegen den klaren Akteninhalt verstoße, ist für die Entscheidung in der Rb. nicht wesentlich. Zutreffend ist, daß im Umlegungsverfahren ein Wertunterschied zwischen dem früheren und dem neuen Grundstücke nicht angenommen worden ist und deshalb weder eine kleinere Bemessung des neuen Grundstückes noch - abgesehen von dem Wertausgleiche für vorhandene Fundamente auf dem bisherigen Grundstücke - ein Geldausgleich stattgefunden hat. Der Senat hat nicht über einen eventuellen Wertunterschied in den Grundstücken, sondern allein darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung der neuen wirtschaftlichen Einheit vorliegen und der festgestellte Einheitswert des neuen Grundstückes nach den Vorschriften des BewG zutreffend ermittelt worden ist. In dieser Hinsicht gibt die Entscheidung des Finanzgerichts zu Beanstandungen keinen Anlaß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409996

BStBl III 1961, 205

BFHE 1961, 559

BFHE 72, 559

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