Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der in einer einheitlichen Verfügung des Finanzamts ausgesprochenen Androhung bzw. Festsetzung von Erzwingungsgeld wegen Bundessteuern (Umsatzsteuer) und anderer Steuern.

 

Normenkette

FVG § 9; 1. DAFVG Abschn. 4 Abs. (1)

 

Tatbestand

Die Erklärungen zur Gewerbe- und Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1951 waren in dem hier in Frage kommenden Bezirk zum 31. Juli 1952 abzugeben. Mit Schreiben vom 27. September 1952 hat der Steuerhelfer des Beschwerdegegners (Bg.) Fristverlängerung für die Einreichung der Erklärungen bis zum 15. November 1952 erbeten, weil von dem Bg. wegen schwerer Erkrankung die erforderlichen Unterlagen nicht geliefert werden könnten. Der Termin wurde nicht eingehalten.

Mit Verfügung vom 30. Januar 1953 forderte das Finanzamt den Bg. auf, die genannten Erklärungen bis zum 15. Februar 1953 abzugeben. Für den Fall, daß er der Aufforderung nicht nachkommen sollte, wurde ihm eine Geldstrafe von 25 DM angedroht. Die Rechtsmittelbelehrung lautete dahin, daß gegen die Verfügung die Beschwerde an das Finanzgericht gegeben sei. Auf die Verfügung vom 30. Januar 1953 machte das Finanzamt am 31. Januar 1953 auch den Steuerhelfer des Bg. aufmerksam. Dem Ersuchen wurde weder vom Bg. noch von seinem Steuerhelfer entsprochen.

Das Finanzamt setzte darauf mit Verfügung vom 11. März 1953 die angedrohte Strafe von 25 DM fest und drohte eine weitere Geldstrafe von 50 DM an, falls die Erklärungen nicht bis zum 31. März 1953 eingereicht würden. Als zulässiges Rechtsmittel wurde die "Beschwerde" angegeben. In der Zwischenzeit gingen die Erklärungen beim Finanzamt ein.

Mit dem als "Beschwerde" gegen die Verfügung vom 11. März 1953 bezeichneten Schreiben vom 21. März 1953 beantragte der Steuerhelfer des Bg. Aufhebung der Straffestsetzung. Der Bg. sei wegen seiner ernstlichen Erkrankung zur Einreichung der geforderten (Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer) - Erklärungen nicht in der Lage gewesen.

Mit Verfügung vom 6. Mai 1953 wies die Oberfinanzdirektion das Finanzamt unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs 11 125/52 U vom 29. August 1952 (Slg. Bd. 56 S. 647, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1952 III S. 250) an, die Sache dem Finanzgericht vorzulegen.

Das Finanzgericht hat die Beschwerde als Berufung behandelt, die Zwangsmaßnahme des Finanzamts dem Grunde nach für berechtigt erklärt, jedoch die Bemessung der Geldstrafe mit 25 DM bei Würdigung des Umstandes der schweren Erkrankung des Bg. und dessen Unmöglichkeit, seinen Steuerhelfer zu unterrichten, als einen Ermessensfehler betrachtet und die Strafe auf 10 DM herabgesetzt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird vom Vorsteher des Finanzamts eingewendet, das Finanzgericht habe den Grundsätzen des Gutachtens des Bundesfinanzhofs Gr. S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Slg. Bd. 55 S. 277, BStBl. 1951 III S. 107) zuwider sein Ermessen an Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde ausgeübt. Er bestreitet zudem, daß die Verfügung des Finanzamts die Ermessensgrenzen überschritten habe. Weiter halten er und die Oberfinanzdirektion die Zuständigkeit des Finanzgerichts über das eingelegte Rechtsmittel nicht für gegeben insoweit, als es über den Teil der Beschwerde entschieden hat, der sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung der Abgabe der Umsatzsteuer-Erklärung richtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Straffestsetzungsverfügung des Finanzamts vom 11. März 1953.

Die Bedenken des Finanzamts und der Oberfinanzdirektion gegen die Zuständigkeit des Finanzgerichts zur Entscheidung über das Rechtsmittel wegen der Festsetzung eines Erzwingungsgeldes hinsichtlich der Umsatzsteuer sind berechtigt. Denn die unmittelbare Beschwerde an das Finanzgericht nach § 18 zu a der Verordnung Nr. 175 ist gemäß § 21 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 in Verbindung mit § 305 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht gegeben, weil eine Androhungsverfügung vorausgegangen ist. Es liegt somit hinsichtlich der Umsatz- und Gewerbesteuer das in Anwendung des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) bei Geltendmachung eines Ermessensmißbrauchs zugelassene Rechtsmittelverfahren vor. Bei diesem aber ist Voraussetzung für die Anrufung der Steuergerichte, daß der Instanzenzug bei den Verwaltungsbehörden ausgeschöpft ist. Wie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 266/52 U vom 3. September 1953 (Slg.Bd. 58 S. 17, BStBl. 1953 III S. 297) ausgeführt wird, ist für die Umsatzsteuer untere Verwaltungsbehörde die Oberfinanzdirektion, nächsthöhere Behörde der Bundesminister der Finanzen. Dagegen ist bei der Gewerbesteuer untere Verwaltungsbehörde das Finanzamt, nächsthöhere Verwaltungsbehörde die Oberfinanzdirektion. Da hinsichtlich der Umsatzsteuer eine Entscheidung des Bundesministers der Finanzen nicht vorliegt, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht ausgeschöpft. Das Finanzgericht hat zu Unrecht entschieden und seine Entscheidung ist aufzuheben.

Bei eigener Würdigung war die Festsetzungsverfügung ebenfalls und zwar aus folgenden Erwägungen aufzuheben. Nach Art. 108 GG werden die in Abs. 1 genannten Abgaben, darunter die Umsatzsteuer, durch Bundesfinanzbehörden (Abs. 1), die übrigen Steuern durch Landesbehörden (Abs. 3) verwaltet. Nach § 9 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG), der insoweit nach dem angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs II 266/52 U mit dem GG im Einklang steht, wird die Umsatzsteuer durch die Oberfinanzdirektion verwaltet (Abs. 1); diese können bei der Bearbeitung die Hilfe der Finanzämter in Anspruch nehmen (Abs. 2). Dementsprechend heißt es in Abschn. 4 Abs. (1) Satz 1 der Ersten Verwaltungsanordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Finanzverwaltung (1. DAFVG) vom 23. November 1950 (Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen -- MinBl-Fin. -- 1950 S. 642), die auf Grund des § 40 FVG erlassen ist: "Die Oberfinanzdirektionen nehmen die Hilfe der Finanzämter bei der Verwaltung der Umsatzsteuer nach § 9 Abs. 2 FVG verwaltungsmäßig in der Weise in Anspruch, daß die Finanzämter die Umsatzsteuer für die Oberfinanzdirektion erheben" und in Abschn. 4 Abs. (1) Satz 2 a. a. O.: "Die Bescheide und sonstigen Verfügungen der Finanzämter, die Umsatzsteuer erheben, sind unter der Bezeichnung 'Finanzamt..., zugleich Umsatzsteuerstelle der Oberfinanzdirektion...' zu erlassen." Aus dieser Regelung ergibt sich, daß die von den Finanzämtern als Hilfsstellen der Oberfinanzdirektionen in Umsatzsteuer-Sachen auf Grund des § 202 AO getroffenen Maßnahmen solche der Bundesfinanzverwaltung, nicht solche der Landesfinanzverwaltung bilden, ohne daß dadurch die Rechtstellung der Finanzämter als Landesfinanzbehörden beeinflußt wird. Die Regelung, die unter anderem bei den mit der Beschwerde angreifbaren Verfügungen der Finanzämter einen verschiedenartigen Rechtsmittelzug zur Folge hat, macht es erforderlich, daß die Finanzämter, wenn sie in einem Schreiben Verfügungen erlassen, die sowohl Abgaben des Bundes wie eine der übrigen durch Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern betreffen, die Verfügungen der Bundesfinanzverwaltung und der Landesfinanzverwaltung sachlich auseinanderhalten. Auf den vorliegenden Fall angewandt war das Zwangsgeld wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung sachlich gesondert von dem Zwangsgeld wegen Nichtabgabe der Gewerbesteuererklärung festzusetzen. In der Festsetzungsverfügung des Finanzamts vom 11. März 1953 fehlen die gesonderte Festsetzung und die im Abschn. 4 Abs. (1) Satz 2 1. DAFVG vorgeschriebene Bezeichnung ebenso wie in der Androhungsverfügung vom 30. Januar 1953. Die Verfügung des Finanzamts vom 11. März 1953, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet, ist daher rechtlich mangelhaft; sie durfte so, wie sie ergangen ist, nicht erlassen werden. Angesichts der Verschiedenheit der rechtlichen Befugnisse des Finanzamts und der Rechtsmittel ist es nicht angängig, etwa, wie das Finanzamt vorschlägt, nachträglich das Zwangsgeld als zur Hälfte wegen der Gewerbesteuer und zur Hälfte wegen der Umsatzsteuer erlassen anzusehen. Der einheitlichen Verfügung vom 11. März 1953 haftet im ganzen der Rechtsmangel an, der zu ihrer Aufhebung führt.

Auf die Rechtskraft der Androhungsverfügung, was dem Finanzgericht offenbar vorschwebt, kann keine Rücksicht genommen werden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 123/52 U vom 25. Februar 1953 (Slg.Bd. 57 S. 288, BStBl. 1953 III S. 113) ist auch in einem Berufungsverfahren, das auf Grund des Art. 19 Abs. 4 GG wegen Rechtsverletzung insbesondere Ermessensmißbrauchs geführt wird, zu prüfen, ob die den Straffestsetzungen vorangegangenen Anordnungen und Strafandrohungen rechtliche Mängel enthalten.

Das ist hier der Fall. Infolgedessen sind die Vorentscheidung und die Verfügung des Finanzamts vom 11. März 1953 aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung der vom Finanzamt und der Oberfinanzdirektion angeschnittenen Fragen bedurfte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408136

BStBl III 1955, 120

BFHE 1955, 314

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