Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorkostenabzug bei Gesamtrechtsnachfolge

 

Leitsatz (NV)

1. Der Übergang des Eigentums im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist auch insoweit keine Anschaffung i. S. von § 10 e Abs. 6 EStG, als der Erbe Vermächtnisse zu erfüllen hat.

2. Hat die Erblasserin die Wohnung selbst bewohnt, steht dem Erben auch in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger kein Vorkostenabzug nach § 10 e Abs. 6 EStG zu, weil er sich die Eigennutzung der Erblasserin zurechnen lassen muß.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 6

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die am ... Februar 1989 verstorbene X hatte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) testamentarisch zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Zum Nachlaß gehörte ein Zweifamilienhaus, dessen Erdgeschoßwohnung die Erblasserin selbst bewohnt hatte; das Obergeschoß war vermietet. Als Vermächtnis hatte der Kläger an Y einen Betrag von 13 400 DM zu zahlen.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1989 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 2 474 DM als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Es handelte sich um Aufwendungen zur Renovierung der Erdgeschoßwohnung, laufende Kosten für das Grundstück sowie um Schuldzinsen für ein Darlehen, das der Kläger für die Renovierungskosten und für die Zahlung des Vermächtnisses aufgenommen hatte. Er gab an, er werde die Erdgeschoßwohnung nach Abschluß der Renovierung selbst beziehen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 1989 nicht. Der Einspruch des Klägers war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus: Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Zahlungen zur Erfüllung des Vermächtnisses in Höhe von 13 400 DM keine Anschaffungskosten für die zur Eigennutzung vorgesehene Wohnung. Vielmehr habe der Kläger die Wohnung als Gesamtrechtsnachfolger unentgeltlich erworben. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. März 1992 X R 113/89 (BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886) seien Aufwendungen im Zusammenhang mit dem unentgeltlichen Erwerb einer eigengenutzten Wohnung aber ebenfalls begünstigt. Die Aufwendungen seien auch vor dem Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstanden, denn die Eigennutzung durch die Erblasserin dürfe -- da es sich um ein höchstpersönliches, nicht vererbbares Merkmal handle -- dem Gesamtrechtsnachfolger nicht zugerechnet werden.

Mit der Revision rügt das FA Divergenz zu dem BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91 (BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346).

Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Der Kläger kann die streitigen Aufwendungen nicht als Vorkosten abziehen.

Nach § 10 e Abs. 6 EStG sind Aufwendungen u. a. nur dann abziehbar, wenn sie unmittelbar mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung zusammenhängen und vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind.

a) Nach dem Urteil des Senats in BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346 ist der Übergang des Eigentums im Wege der Gesamtrechtsnachfolge keine Anschaffung i. S. von § 10 e Abs. 6 EStG, weil das Eigentum nicht durch Rechtsgeschäft übertragen wird, sondern kraft Gesetzes auf den Erben übergeht. Ob der Erbe Vermächtnisse zu erfüllen hat, ist insoweit ohne Belang. Anders als Ab findungszahlungen eines (Mit-)Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung sind Zahlungen aufgrund eines Vermächtnisses keine Anschaffungskosten, denn der Erbe erhält von vornherein nur das mit der Vermächtnisforderung belastete Vermögen (BFH-Entscheidungen vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, und vom 22. September 1993 X R 107/91, BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874).

b) Auch in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger steht dem Kläger der Vorkostenabzug nicht zu. Für die Gesamtrechtsnachfolge bestimmt § 45 der Ab gabenordnung (AO 1977), daß die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger übergehen. Der BFH vertritt darüber hinaus in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, der Gesamtrechtsnachfolger trete materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung der Rechtsvorgängerin ein (vgl. die Nachweise in BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346, und in BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874). Auf der Grundlage dieser -- vom Schrifttum (vgl. die Nachweise in BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346, und in BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874) teilweise bestrittenen -- Rechtsprechung gesteht die Finanzverwaltung (Bundesministerium der Finanzen vom 31. Dezember 1994, BStBl I 1994, 887 Rz. 83) dem Gesamtrechtsnachfolger einen Vorkostenabzug zu, soweit der Erblasser ebenfalls abzugsberechtigt wäre. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob diese Rechtsauffassung zutrifft. Denn selbst wenn der Kläger die Rechtsstellung der Erblasserin fortführte, käme ein Abzug der streitigen Aufwendungen schon deshalb nicht in Betracht, weil er sich dann als Gesamtrechtsnachfolger auch die Eigennutzung der Wohnung durch die Erblasserin zurechnen lassen müßte, so daß die Aufwendungen nicht vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden wären (Urteile des Senats in BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346, und vom 15. Dezember 1993 X R 23/93, BFH/NV 1994, 707).

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 391

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