Leitsatz (amtlich)

Zur Tarifierung von Aluminiumdrähten als Kabel oder als Schrott.

 

Normenkette

GZT Tarifnr 76.01; GZT Tarifnr 76.12; GZT Abschn. 15 Vorschr. 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ am 30.Juni 1976 und am 28.Juli 1976 zwei Warensendungen aus Ungarn als Aluminium-Freileitungsdraht-Schrott abfertigen. Das Zollamt (ZA) wies die Waren zunächst der Tarifnr. 76.01 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Im Steueränderungsbescheid vom 15.September 1976 vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) die Ansicht, daß die Waren zur Tarifnr. 76.12 GZT gehörten. Das HZA forderte deshalb Eingangsabgaben in Höhe von 7 723,44 DM nach.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies die Vorinstanz aus folgenden Erwägungen ab:

Bei der eingeführten Ware handele es sich um Kabel aus Aluminiumdrähten, die unabhängig von ihrer Länge der Tarifnr. 76.12 GZT zuzuweisen sei. Die Ware sei kein Schrott. Eine Zuweisung zur Tarifnr. 76.01 GZT scheide aus, da die Aluminiumdrähte noch für verschiedene Zwecke verwendungsfähig seien. Die von der Zollverwaltung gezogenen Proben zeigten, daß die Kabel aus mehreren Drähten zusammengedreht und in Ringen aufgewickelt worden seien. Die streitbefangenen Einfuhren bestünden unstreitig aus Drahtenden auf Rollen und nicht aus Wirrdrähten und sog. Rollmöpsen, die aus einer anderen Sendung am 26.Oktober 1976 von dem Sachverständigen S begutachtet worden seien. Angesichts der Beschaffenheit der von der Zollverwaltung gezogenen Proben und des Umstandes, daß der Kläger in den Zollanträgen keine unterschiedliche Beschaffenheit der Ware angemeldet habe, spreche die Vermutung des § 17 Abs.1 des Zollgesetzes (ZG) dafür, daß die Gesamtmenge der streitigen Einfuhren einheitlich und gleichartig sei. Diese gesetzliche Vermutung sei nicht widerlegt worden.

Der Kläger begründet die Revision damit, daß die eingeführte Ware Schrott sei, da sie sich aufgrund ihres Zustandes weder für ihren ursprünglichen speziellen noch für einen anderen allgemeinen Verwendungszweck eigne. Theoretische und unwirtschaftliche Verwendungsmöglichkeiten dürften nicht in Betracht gezogen werden. Unter der Annahme, daß eine Ware dann Schrott sei, wenn sie sich nur noch zum Wiedergewinnen des Metalls eigne, sei eine taugliche Verwendung (zu anderen Zwecken) nur eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung. Die streitbefangene Ware tauge wegen ihrer unterschiedlichen und undefinierten Längen nur noch zur Wiedergewinnung des Metalls. Wie sich aus dem Gutachten R ergebe, sei die streitbefangene Ware auch wegen ihres Zustandes (zusammengequetscht, abgenutzt und korrodiert) als Schrott anzusehen.

Für eine Vermutung gemäß § 17 Abs.1 ZG sei kein Raum. Aufgrund ihrer Ungleichheit könne die Ware nur Schrott sein. Die Vorinstanz hätte bei erschöpfender Sachaufklärung erkennen müssen, daß die in § 17 Abs.1 ZG enthaltene Vermutung widerlegt sei. Dies ergebe sich aus den Gutachten R und S. Die Zeitangaben auf den beiden Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) zeigten, daß es nur für die Sendung vom 30.Juni 1976 eine identifizierte und beurteilte Probe gebe. Die ZPLA habe für die Folgesendung jedoch die gleiche Beschaffenheit angenommen. Es sei von vornherein unberücksichtigt geblieben, daß zwei Sendungen als Nicht-Schrott streitbefangen, aber nur eine Sendung untersucht worden sei. Selbst wenn es unstreitig gewesen wäre, daß beide Sendungen keinen Wirrdraht und keine Rollmöpse enthalten hätten, sondern Drahtenden auf Rollen, stehe damit doch nicht fest, daß die Drahtenden auf Rollen in beiden Waggons wiederverwendbar gewesen seien und daß die Drahtenden auf Rollen in einem Waggon die gleiche Beschaffenheit gehabt hätten wie die eine Probe aus dem anderen Waggon. Die Vorinstanz habe nicht festgestellt, daß der Inhalt beider Waggons begutachtet worden sei. Die Vorinstanz übergehe das Problem der Wiederverwendbarkeit der streitbefangenen Ware, indem sie im Wege der Vermutung davon ausgehe, daß es sich dabei um lauter gleiche Drahtrollen gehandelt habe, die damit für eine kommerzielle Verwendbarkeit anhand einer einzigen Rolle definiert gewesen seien. Dies entspreche nicht der Wirklichkeit und lasse sich auch nicht aus einer Vermutung schließen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Steueränderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Das FG ist bei seiner Entscheidung, die Ware sei als Kabel aus Aluminiumdraht der Tarifnr. 76.12 GZT zuzuweisen, zutreffend davon ausgegangen, daß die Länge der Kabel für eine Zuordnung der Ware zur Tarifnr. 76.12 GZT grundsätzlich ohne Bedeutung ist und daß die zu dieser Tarifnummer gehörenden Waren grundsätzlich von beliebiger Länge und in Längen zugeschnitten sein können --vgl. Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (Teil I der Erläuterungen zum Zolltarif --ErlZT-- zu Tarifnr. 73.25 Rdnr.3) i.V.m. den Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema (Brüsseler Erl.), Teil I ErlZT zu Tarifnr. 76.12 Rdnr.1--.

Daraus kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß auch Waren, die aus Rollen von Kabelenden unterschiedlicher Länge bestehen, zur Tarifnr. 76.12 GZT gehören. Denn diese Besonderheit hinsichtlich der Beschaffenheit der eingeführten Waren kann zur Folge haben, daß die Waren wirtschaftlich sinnvoll nur noch zum Wiedergewinnen des Metalls verwendet werden können. Trifft das zu, so scheidet eine Zuordnung der Waren zur Tarifnr. 76.12 GZT aus; die Waren sind dann Schrott i.S. der Tarifst. 76.01 B GZT.

Diese Tarifstelle erfaßt nach ihrem Wortlaut "Bearbeitungsabfälle und Schrott" aus Aluminium. Die Vorschrift 6 zu Abschn.XV GZT definiert "Bearbeitungsabfälle und Schrott" als "solche Abfälle und Gegenstände", die nur noch zum Wiedergewinnen des Metalls oder bei dem Herstellen chemischer Erzeugnisse oder chemischer Verbindungen verwendet werden können. Außerdem ist aufgrund der Verweisung der Brüsseler Erl. (Teil I ErlZT zur Tarifnr. 76.01 Rdnr.5) auf die Erläuterungen zur Tarifnr. 73.03 für die gleichen Erzeugnisse aus Eisen oder Stahl die in diesen Erläuterungen enthaltene Bestimmung des Begriffs "Schrott und Bearbeitungsabfälle" zu beachten, die danach "Abfälle erfaßt, die bei der mechanischen Bearbeitung von Eisen oder Stahl anfallen", oder "Altwaren aus Eisen oder Stahl, die für ihren ursprünglichen Zweck durch Bruch, Zerschneiden oder Abnutzung unbrauchbar geworden sind". Weiter heißt es dort: "Diese Erzeugnisse sind häufig miteinander vermischt, zerdrückt oder z.B. zusammengepresst." Aus diesen Vorschriften und Erläuterungen hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (Urteil vom 16.März 1978 Rs.104/77, EuGHE 1978, 791, 797) den Schluß gezogen, daß der in der Tarifst. 76.01 B GZT verwendete Begriff "Bearbeitungsabfälle und Schrott" Erzeugnisse erfaßt, die nach ihren objektiven Merkmalen Rückstände einer mechanischen Bearbeitung von Gegenständen aus Aluminium oder defekte, abgenutzte oder nicht mehr aufarbeitbare Altwaren aus Aluminium sind und die im Hinblick auf ihre Verwendung nur noch zur Wiedergewinnung des Metalls taugen.

Ob eine Ware in diesem Sinne noch zu einem anderen Zweck als zur Wiedergewinnung von Metall taugt, kann nicht allein danach entschieden werden, ob eine solche Verwendung abstrakt denkbar ist. Eine derartige Abgrenzung wird dem Sinn der Tarifst. 76.01 B GZT nicht gerecht. Vielmehr ist eine Verwendungsmöglichkeit zu einem anderen Zweck als der Wiedergewinnung von Metall dann für die Einordnung in die Tarifst. 76.01 B GZT unschädlich, wenn sie sich als wirtschaftlich nicht sinnvoll erweist.

An den Begriff "wirtschaftlich nicht sinnvoll" sind freilich strenge Anforderungen zu stellen, da die Tarifst. 76.01 B GZT nicht als Auffangposition für alle defekten Waren angesehen werden kann.

Das FG wird unter Beachtung der vorstehenden Rechtsauffassung zur Anwendung der Tarifst. 76.01 B GZT festzustellen haben, ob die eingeführten Waren in ihrer besonderen Beschaffenheit wirtschaftlich sinnvoll als Kabel verwendbar sind. Wenn z.B. die Auffassung des Sachverständigen R zutreffend sein sollte, daß die Verwendung der eingeführten Ware zum Einzäunen oder zum Abstecken von Telefonstützen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, hindert diese Verwendungsmöglichkeit nicht die Tarifierung als Schrott i.S. der Tarifst. 76.01 B GZT. Dagegen wird z.B. eine Tarifierung als Schrott ausgeschlossen sein, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist, die eingeführten Drahtenden im Inland nach Längen zu sortieren und dann --etwa in definierten Längen-- in den Handel zu bringen.

Da die Vorentscheidung schon deshalb aufzuheben war, weil das FG den tariflichen Begriff "Schrott" verkannt hat, braucht nicht entschieden zu werden, ob das Urteil auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 17 Abs.1 ZG beruht und ob das FG hinreichende Feststellungen zum Ausschluß der Beschaffenheit der eingeführten Waren als sog. Wirrdrähte und Rollmöpse getroffen hat bzw. ob insoweit zulässige und begründete Revisionsrügen erhoben worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61077

BFHE 145, 272

BFHE 1986, 272

HFR 1986, 255-255 (ST)

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