Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung und stichprobenweise Beschaffenheitsbeschau

 

Leitsatz (NV)

1. Zur zolltariflichen Abgrenzung von Aluminiumdraht zu Aluminiumschrott.

2. Die aufgrund einer stichprobenweisen Beschaffenheitsbeschau nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG eintretende Vermutung, daß der nichtgeprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht, kann nicht durch den Einwand entkräftet werden, es sei nur eine Probe entnommen und untersucht worden, die zur Gesamtmenge der eingeführten Ware völlig außer Verhältnis stehe.

 

Normenkette

GZT Tarifnrn. 76.01 B II; GZT Tarifnrn. 76.02; GZT Vorschriften 5 und 6 zu Abschn. XV; ZG § 16 Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1 S. 2, § 35 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete 1984 beim beklagten und revisionsbeklagten Hauptzollamt (HZA) zwei Lkw-Ladungen ,,Aluminiumschrott (Drahtabfälle mit Kupfer vermischt bzw. - im zweiten Fall - Drahtabfälle mit Kupfer verunreinigt)" unter der Codenummer 7601 350 00 des Deutschen Gebrauchszolltarifs zum freien Verkehr an. Aufgrund der vom HZA durchgeführten stichprobenweisen Beschau der Waren wurde im jeweiligen Zollbefund festgehalten: ,,Ladung stichprobenweise beschaut, verkupferten Aluminiumdraht in Rollen mit einem Gewicht von ca. 15 kg pro Rolle festgestellt. Das Material wurde in unregelmäßig gerolltem Zustand eingeführt." Außerdem wurde jeweils ein ca. 200 cm langer Drahtabschnitt als Probe für Untersuchungszwecke entnommen. Für die antragsgemäß abgefertigten Waren wurden wegen der Tarifierung vorläufige Zollbescheide erteilt. Nach Begutachtung der Proben durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) der dem HZA vorgesetzten Oberfinanzdirektion (OFD) wurde die Ware der Tarifnr. 76.02 (Draht, aus Aluminium) des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zugewiesen. Mit Änderungsbescheid forderte das HZA für beide Sendungen . . . DM Zoll nach. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Tarifauffassung des HZA und führte in den Gründen des angefochtenen Urteils aus: Eine Zuweisung zu der von der Klägerin angemeldeten Tarifst. 76.01-B-II (Schrott, aus Aluminium) komme nicht in Betracht, weil der streitbefangene Draht ausweislich seiner Begutachtung zwar gebraucht, aber nicht unbrauchbar gewesen sei und nicht nur noch zum Wiedergewinnen des Metalls hätte verwendet werden können. Eine Verwendung des Drahtes zum Freileitungsbau, aber auch wegen seines niedrigen Preises zu Zwecken aller Art (z. B. Absperren von Baugruben, Einzäunen von Weiden, Befestigen von Stangen usw.) sei möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Das Ergebnis von Beschau und Begutachtung sei aufgrund der gesetzlichen Vermutung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 des Zollgesetzes (ZG), da nicht in sich unterschiedlich beschaffene Waren angemeldet worden seien, auf die Gesamtheit beider Sendungen zu übertragen. Die Klägerin habe diese Vermutung trotz besonderer Aufforderung durch das Gericht nicht widerlegen können.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin im wesentlichen Verletzung des § 17 Abs. 1 ZG. Die geringe Menge der entnommenen und begutachteten Probe reiche nach allgemeinen Grundsätzen für die Begründung der Vermutung gemäß § 17 ZG nicht aus. Des weiteren ergebe sich bereits aus der Anmeldung, daß die Ware in sich uneinheitlich gewesen sei. Die vom FG hinsichtlich der Verwendung des Drahtes gesehenen Einsatzmöglichkeiten seien, weil die Verwendung der Ware viel zu teuer wäre, sachfremd. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, daß die Ware nach ihrer Einfuhr als Schrott eingeschmolzen worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Ohne Rechtsfehler ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß die streitbefangenen Waren als Draht aus Aluminium der Tarifnr. 76.02 GZT zuzuweisen waren und daß mithin das HZA zu Recht den Zoll nachgefordert hat.

1. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß die Beschaffenheit der eingeführten Waren im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Abfertigung zum freien Verkehr (§ 35 Abs. 1 ZG) als Draht, aus Aluminium, der Tarifnr. 76.02 GZT nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG zu vermuten ist.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß es sich nach dem Ergebnis der jeweils im Zollbefund festgehaltenen stichprobenweisen Beschaffenheitsbeschau in Verbindung mit der Untersuchung der entnommenen Probe durch die ZPLA bei der geprüften Ware um Aluminiumdraht mit einem Kupfermantel handelte, der als aus zwei unedlen Metallen zusammengesetzten Ware gemäß Vorschrift 5 zu Abschn. XV GZT tariflich wie das gewichtsmäßig vorherrschende Aluminium (Kapitel 76) zu behandeln war. Insoweit sind mit der Revision auch keine Einwendungen erhoben worden.

b) Die Feststellungen des FG tragen das Ergebnis, daß es sich bei der beschauten und geprüften Ware nicht um Schrott der Tarifst. 76.01-B-II GZT handelte, da der Draht nicht ,,nur noch zum Wiedergewinnen des Metalls verwendet werden" konnte, wie es die in Vorschrift 6 zu Abschn. XV GZT enthaltene Definition für Schrott verlangt.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Frage, ob eine Ware in diesem Sinne noch zu einem anderen Zweck als zur Wiedergewinnung von Metall taugt, nicht allein danach entschieden werden, ob eine solche Verwendung abstrakt denkbar ist. Eine andere Verwendungsmöglichkeit muß dann als unschädlich angesehen werden, wenn sie sich als wirtschaftlich nicht sinnvoll erweist. Allerdings sind hieran strenge Anforderungen zu stellen (Senat, Urteil vom 23. Oktober 1985 VII R 30/82, BFHE 145, 272). Das FG hat dazu im einzelnen festgestellt, die Oberfläche des Drahts sei verhältnismäßig blank und nur wenig angelaufen gewesen und habe weder Korrosionsschäden noch feststellbare besondere Deformationen oder andere Beschädigungen aufgewiesen. Eine Wiederverwendung des zwar gebrauchten, aber nicht unbrauchbaren Drahtes sei auch durch sein unregelmäßiges Aufrollen nicht ausgeschlossen gewesen, da große Längen an einem Stück erhalten und - abrollbar - wirtschaftlich sinnvoll zu verschiedenartigen Absperrungen, Einzäunungen und Befestigungen wiederverwendbar gewesen seien.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Revision, die Erwägungen des FG zur Wiederverwendbarkeit des Drahtes seien sachfremd und es verstoße gegen die Lebenserfahrung und gegen Denkgesetze, daß hochwertiger Aluminiumdraht für Umzäunungen verwendet werde, greifen nicht durch. Das FG hat konkrete und wirtschaftlich sinnvolle Verwendungsmöglichkeiten für den Draht aufgezeigt und dabei gerade seinen niedrigen Preis berücksichtigt. Einen Verstoß gegen die Lebenserfahrung oder gegen Denkgesetze kann der Senat hierin nicht erkennen. Im übrigen hätte es der Klägerin obgelegen, vorzubringen, weshalb der von ihr als Schrott reklamierte Draht für die vom FG angeführten Verwendungsmöglichkeiten nach wirtschaftlicher Betrachtung auszuscheiden habe.

c) Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG wird bei stichprobenweiser Beschaffenheitsbeschau einer Ware vermutet, daß der nichtgeprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht, sofern in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist. Das FG ist davon ausgegangen, daß eine solche Angabe dem jeweiligen Klammerzusatz im Feld Warenbezeichnung der beiden Zollanmeldungen (Drahtabfälle mit Kupfer vermischt bzw. verunreinigt) nicht entnommen werden kann. Unabhängig von der weiteren Begründung, auf die das FG diese Auffassung gestützt hat, ist eine solche Auslegung bereits nach dem Wortlaut der Anmeldungen möglich. Sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, so daß der Senat mangels eines zulässigen revisionsrechtlichen Angriffs an diese Auslegung gebunden ist (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 118 Anm. 13). Die Klammerzusätze machen im übrigen auch Sinn, denn die Klägerin hat dadurch den angemeldeten ,,Aluminiumschrott", etwa um seinen Verarbeitungsgrad von anderem ,,Schrott" aus Aluminium (z. B. Bleche, Stäbe, Profile) abzugrenzen oder auf die mit Kupfer zusammengesetzte Ware hinzuweisen, lediglich näher spezifiziert, um ihre Anmeldepflicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ZG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 der Allgemeinen Zollordnung hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware zu erfüllen.

Den dem Vermutungstatbestand zugrundeliegenden Sachverhalt hat das FG verfahrensfehlerfrei festgestellt. Insbesondere kann die Klägerin nicht damit gehört werden, der den Sendungen jeweils entnommene Drahtabschnitt in einer Länge von ca. 190 cm reiche zur Herbeiführung der Vermutung nicht aus, da er zur Gesamtmenge der eingeführten Ware völlig außer Verhältnis stehe.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG liegt es im Ermessen der Zollstelle, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts durch Zollbeschau ermittelt wird. Wenn, wie im Streitfall, in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, daß die eingeführte Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist, genügt grundsätzlich, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (Urteile vom 13. Februar 1979 VII R 84/75, BFHE 127, 450; vom 12. Juni 1979 VII R 32/74, BFHE 128, 284), die Entnahme und Untersuchung einer einzigen für die Untersuchung ausreichenden Probe den Anforderungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG. Die stichprobenweise Beschau dient nämlich nicht der Ermittlung der durchschnittlichen repräsentativen Beschaffenheit der gesamten Partie, sondern, wie die Bezeichnung schon sagt, nur der Beschaffenheit eines Teils davon (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsurteile in BFHE 128, 284, und vom 24. Juli 1979 VII R 4/78, BFHE 128, 434).

Daß der ca. 200 cm lange Drahtabschnitt zur Untersuchung nicht ausgereicht hätte, wird nicht einmal von der Klägerin behauptet. Sie hat auch dem Untersuchungsergebnis nicht widersprochen. Anhaltspunkte dafür, daß es falsch sein könnte, sind auch dann nicht ersichtlich, wenn man davon ausgeht, daß nur eine der beiden Proben untersucht worden ist. Der Zollbeteiligte hat nämlich keinen Rechtsanspruch auf Untersuchung sämtlicher gezogenen Proben, wenn die Zollbehörde, wie im Streitfall, aufgrund der Anmeldungen und mangels Vorliegens anderer Umstände davon ausgehen durfte, daß die Einfuhrwaren in sich nicht unterschiedlich beschaffen waren und die Untersuchung mehrerer Proben demnach zwangsläufig jeweils zum gleichen Ergebnis führen müßte (Senatsurteil in BFHE 127, 450).

2. Das FG hat auch ohne Rechtsfehler entschieden, daß die Beschaffenheitsvermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG nicht widerlegt worden ist.

Zur Widerlegung der Beschaffenheitsvermutung ist zu fordern, daß in der Tatsacheninstanz das Gegenteil festgestellt worden ist, so daß jede Möglichkeit des gesetzlichen Schlusses wegfällt (Senatsurteile in BFHE 128, 284; in BFHE 128, 434; vom 9. Dezember 1986 VII R 170/82, BFHE 148, 388; vom 24. November 1987 VII R 79/84, BFH/NV 1988, 610). Die Feststellungen müßten die Schlußfolgerung rechtfertigen, daß die Vermutung falsch ist. Das FG hat solche Feststellungen nicht getroffen; es hat im Gegenteil die von der Klägerin vorgebrachten Einwände für nicht durchgreifend erachtet. An diese Beweiswürdigung ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Zulässige und begründete Verfahrensrügen sind dazu nicht vorgetragen worden.

3. Fehl geht schließlich auch das Vorbringen der Klägerin, das FG habe nicht ausreichend gewürdigt, daß die eingeführte Ware unverzüglich nach ihrer Einfuhr tatsächlich als Schrott eingeschmolzen worden sei. Was mit einer Ware nach ihrer Abfertigung zum freien Verkehr geschieht, ist im Hinblick darauf, daß maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Bemessungsgrundlage ,,Beschaffenheit der Ware" der Zeitpunkt der Annahme des Zollantrags ist (§ 35 Abs. 1 ZG), grundsätzlich unbeachtlich und brauchte daher vom FG im Streitfall nicht untersucht zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418287

BFH/NV 1992, 848

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge