Leitsatz (amtlich)

1. Die Wiederauffüllung der durch Verluste geminderten bedungenen Einlagen der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG mit Hilfe späterer Gewinne ist auch dann keine Leistung im Sinne des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959, wenn die Verluste sogenannten Kontokorrentkonten der Kommanditisten belastet werden, ohne daß die Kommanditisten zu entsprechenden Nachschüssen verpflichtet sind, und wenn diese Verluste mit späteren Gewinnen ausgeglichen werden.

2. Steht einem Kommanditisten ein Gewinnauszahlungsanspruch zu, den dieser nicht durch Auszahlung realisiert, so ist in der Verrechnung eines späteren Verlustes mit diesem Anspruch keine Leistung im Sinne des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959 zu sehen, wenn sich aus dem Gesellschaftsverhältnis keine von der Regel des § 169 Abs. 2 HGB abweichende Verpflichtung des Kommanditisten zur Zurückzahlung von Gewinnen wegen späterer Verluste ergibt.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 2 (Abs. 1) Nrn. 2, 4; HGB § 169; BGB § 707

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, ist persönlich haftende Gesellschafterin der X-KG (KG), an der außerdem zwei Kommanditisten mit voll eingezahlten Einlagen von 30 000 DM bzw. 8 000 DM beteiligt sind. Am Gewinn und Verlust der KG sind alle Gesellschafter nach Maßgabe ihrer Kapitaleinlagen beteiligt. Über die Höhe der auszuschüttenden Gewinne entscheidet nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschafterversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit.

Für die Gesellschafter der KG werden feste und bewegliche Gesellschafterkonten geführt. Die beweglichen Gesellschafterkonten der Kommanditisten werden in den Bilanzen der KG als Kontokorrentkonten bezeichnet. Die für die Jahre 1966, 1967 und 1970 auf die Kommanditisten entfallenden Verluste wurden diesen sogenannten Kontokorrentkonten belastet.

Das beklagte FA nahm gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen gemäß § 2 (Abs. 1) Nr. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 an, soweit die Verlustanteile der Kommanditisten buchmäßig durch auf den sogenannten Kontokorrentkonten der Kommanditisten gutgeschriebene spätere Gewinne ausgeglichen wurden bzw. soweit der Verlustanteil 1970 eines der beiden Kommanditisten auf dessen sogenanntem Kontokorrentkonto buchmäßig durch den am 31. Dezember 1969 ausgewiesenen Kreditsaldo gedeckt wurde. Es setzte eine Gesellschaftsteuer in Höhe von 756 DM fest, wobei es den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b KVStG 1959 anwandte.

Die gegen den Steuerbescheid erhobene Sprungklage führte zur Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids. Das FG ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

In dem buchmäßigen Ausgleich der den sogenannten Kontokorrentkonten der Kommanditisten belasteten Verlustanteile durch später gutgeschriebene Gewinnanteile bzw. durch einen auf einem dieser Konten vorhandenen Kreditsaldo ist keine Leistung im Sinne des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959 zu sehen.

Soweit spätere Gewinne zum buchmäßigen Ausgleich der Verluste führten, fehlt es an einer Leistung der Kommanditisten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 29. Januar 1975 II R 90/73 (BFHE 115, 142, BStBl II 1975, 414) für den Fall ausgesprochen, daß die Verluste auf besondere Kapitalberichtigungskonten gebucht wurden und die Kommanditisten bei späterem Gewinn wegen des § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 HGB keinen Auszahlungsanspruch hatten, die späteren Gewinne vielmehr endgültig gesamthänderisch gebunden blieben. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Die Kommanditisten sind nicht verpflichtet, die den sogenannten Kontokorrentkonten belasteten Verlustanteile durch Einlagen auszugleichen. Der Gesellschaftsvertrag enthält in dieser Richtung keinerlei Anhaltspunkte. Im § 4 wird lediglich bestimmt, daß die Gesellschafter nach Maßgabe ihrer Kapitaleinlage am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt sind. Hieraus kann nur gefolgert werden, daß die Gesellschafter eine von § 707 BGB abweichende Regelung nicht getroffen haben. Nach dieser auch für die KG geltenden Vorschrift (vgl. § 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB) sind die Gesellschafter nicht zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage verpflichtet.

Auch der Bezeichnung der beweglichen Konten der Kommanditisten als Kontokorrentkonten kann eine abweichende Abmachung nicht entnommen werden. Die Bezeichnung dieser Konten ist in der Buchungspraxis schwankend. Der Bezeichnung der Konten kann deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Mai 1952 II ZR 114/51 in BB 1952, 478). Selbst wenn aber die sogenannten Kontokorrentkonten im übrigen Fremdkapitalcharakter haben sollten, kann aus dieser Tatsache allein nicht hergeleitet werden, daß die Verbuchung von Verlusten auf diesen Konten zu einer Nachschußpflicht der Kommanditisten führte.

Da es auch sonst keine Anhaltspunkte gibt, daß die Kommanditisten bei Verlusten auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses zu Nachschüssen verpflichtet waren, sind die auf den Kontokorrentkonten verbuchten Verluste nicht anders zu beurteilen, als wenn sie auf besondere Kapitalberichtigungskonten verbucht worden wären. Es fehlt deshalb insoweit an einer Vermögenszuführung. Daran scheitert insoweit die Gesellschaftsteuerpflicht.

Soweit auf dem sogenannten Kontokorrentkonto des einen der beiden Kommanditisten am 31. Dezember 1969 ein Saldo zu dessen Gunsten ausgewiesen und sein Verlustanteil für 1970 mit diesem Saldo verrechnet wurde, ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG eine Leistung dieses Kommanditisten anzunehmen. Es fehlt aber an der Erfüllung des weiteren Tatbestandsmerkmals des § 2 (Abs. 1) Nr. 2 KVStG 1959, daß die Leistung auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung erbracht sein muß.

Dem Hinweis des FG, der Kommanditist sei vor der Verlustbuchung in der Lage gewesen, die "Leistungswirkung" der späteren Verlustbuchung durch vorherige Entnahme des Aktivbetrages zu verhindern, kann die Überzeugung des Gerichts entnommen werden, daß dem Kommanditisten zumindest in Höhe der später verrechneten Verluste ein individualisierter Auszahlungsanspruch zustand. Insoweit besteht keine Veranlassung zu einer abweichenden rechtlichen Würdigung des Sachverhalts. Die weitere Schlußfolgerung des FG aber ist nicht annehmbar, daß gleichwohl keine Gesellschafterleistung vorliege. Diese ist darin zu sehen, daß der Kommanditist, der über 75 v. H. der Stimmen in der Gesellschafterversammlung verfügte und ohne dessen Zustimmung die Bilanz der KG nicht genehmigt werden konnte (vgl. § 16 des Gesellschaftsvertrages), in Höhe des mit seinem Guthaben verrechneten Verlustanteils 1970 auf den Auszahlungsanspruch verzichtet hat.

Der Verzicht ergibt sich jedoch nicht aus einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung. Er ist vielmehr als freiwilliger Verzicht zu werten. Für eine vom § 169 Abs. 2 HGB abweichende gesellschaftsrechtliche Regelung gibt es keine Anhaltspunkte. Im Gesellschaftsvertrag ist nur bestimmt, wie die Gesellschafter am Gewinn und Verlust beteiligt sind. Über die Rückzahlung von Gewinnen finden sich keine Regelungen. Unter diesen Umständen muß angenommen werden, daß § 169 Abs. 2 HGB gilt, wonach bei späteren Verlusten ein bezogener Gewinn nicht zurückzuzahlen ist. Bezogen aber ist ein Gewinn, wenn er durch entsprechende Gutschrift zu einem Auszahlungsanspruch des Kommanditisten geführt hat.

Unter diesen Umständen könnte ein Gewinnauszahlungsanspruch des Kommanditisten nur mit der ggf. stillschweigenden Zustimmung des betroffenen Kommanditisten um einen späteren Verlustanteil gekürzt worden sein. Eine daraus resultierende Leistung an die KG ist jedoch eine freiwillige Leistung. Sie könnte allenfalls gem. § 2 (Abs. 1) Nr. 4 KVStG 1959 steuerpflichtig sein. Derartige Leistungen unterlagen aber bei einer GmbH & Co. KG vor dem 1. Januar 1972 nicht der Gesellschaftsteuer, weil sie nicht an eine inländische Kapitalgesellschaft geleistet wurden. Die GmbH & Co. KG war nach damaligem Recht keine Kapitalgesellschaft (vgl. § 5 KVStG 1959).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71662

BStBl II 1976, 23

BFHE 1976, 566

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