Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfuhrerstattungsbegründender Tatbestand

 

Leitsatz (NV)

1. Durch die Ausfuhr von Agrarwaren (hier: Rindfleisch) -- Erstattungslagergut -- und ihre Lieferung an ein Seeschiff in einem anderen Mitgliedstaat nach dort vorangegangener Vorratslagerung wird ein ausfuhrerstattungsbegründender Tatbestand nicht verwirklicht.

2. Fehlt ein anspruchsbegründender Tatbestand (1.), so kann das Vorliegen einzelner Elemente verschiedener Tatbestände diesen Mangel nicht ausgleichen.

 

Normenkette

EWGV 3665/87 Art. 33 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1, Art. 34 Abs. 1 Buchst. a, Art. 38, 43

 

Tatbestand

Von dem von der Klägerin und Revisionsklägerin im zweiten Halbjahr 1988 und ersten Halbjahr 1989 mit Zahlungserklärungen in ihr Erstattungslager eingelagerten Rindfleisch wurden mit Kontrollexemplar T 5 vom 15. Juni 1989 ... Kartons gefrorene Filets nach Österreich ausgeführt und dort in einem Kühlhaus gelagert. Diese Ware, für die das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) auf den bereits nach Einlagerung in das Erstattungslager gestellten Antrag der Klägerin Ausfuhrerstattung nach den für eine Ausfuhr nach Ägypten geltenden Sätzen vorfinanziert hatte, wurde von Österreich mit Versandschein T 1 auf dem Landweg nach Spanien befördert, dort im November 1989 in ein Lager zur Bevorratung von Schiffen verbracht -- von der dortigen Zollbehörde entsprechend einem gemeinschaftsrechtlichen Muster bescheinigt -- und auf das Seeschiff "NN" geliefert.

In dem vom HZA erlassenen Erstattungsbescheid wurde die Erstattung auf null DM festgesetzt, gegen die Vorfinanzierung aufgerechnet und die hierfür von der Klägerin gestellte Sicherheit (einschließlich eines Zuschlags von 20 %) für verfallen erklärt. Der sich aus der Aufrechnung ergebende Betrag von ... DM wurde von der Klägerin angefordert. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch hinsichtlich des ... DM (Unterschied zwischen der vorfinanzierten Erstattung und der für die Belieferung von Seeschiffen in Betracht kommenden Erstattung) übersteigenden Betrages ein und erhob nach Zurückweisung des Rechtsbehelfs Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, die gleichfalls keinen Erfolg hatte. Das Finanzgericht (FG) urteilte, ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung sei nicht nachgewiesen worden (Art. 33 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen -- VO --, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- L 351/1, i. d. F. der Verordnung (EWG) Nr. 3993/88 vom 21. Dezember 1988, ABlEG L 354/22). Der Nachweis für die Einfuhr in ein Drittland sei nicht erbracht worden. Das Verbringen in ein spanisches Vorratslager könne nicht einer Drittlandseinfuhr gleichgestellt werden. Hinsichtlich der Belieferung des Seeschiffs liege kein für diesen Vorgang maßgebendes Kontrollexemplar T 5 vor (Art. 37 Abs. 3 VO), da das der Klägerin erteilte Zollpapier lediglich die Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft bescheinige. Die Lieferung auf das spanische Vorratslager bleibe aus denselben Gründen außer Betracht; sie stehe zudem einer Ausfuhr im erstattungsrechtlichen Sinne nicht gleich. Eine Lieferung zur Bevorratung außerhalb der Gemeinschaft i. S. von Art. 43 VO liege nicht vor, auch wenn die spanische Zollbehörde, was indes keinen Vertrauensschutz begründe, den entsprechenden Vordruck (Anhang IV VO) ausgefüllt habe. Die von der Klägerin nicht beachteten Erfordernisse für die Gewährung von Ausfuhrerstattung seien nicht unverhältnismäßig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie führt aus, bei der Lieferung von dem spanischen Vorratslager auf das Seeschiff habe es sich ausfuhrerstattungsrechtlich um einen der Ausfuhr aus der Gemeinschaft gleichgestellten Vorgang gehandelt, wobei die vorangegangene kurzfristige Lagerung in Spanien erstattungsunschädlich sei. Aus dem 43. Erwägungsgrund der VO ergebe sich, daß im Falle von Art. 43 auch die Lieferung zur direkten oder indirekten Bevorratung innerhalb der Gemeinschaft zur Gewährung der Ausfuhrerstattung berechtige. Die Erstattungsvoraussetzungen lägen mit der Ausfuhr und dem "Zumverzehrbringen" am endgültigen Bestimmungsort vor. Entgegen der Rechtsauffassung des FG brauche es sich dabei nicht um einen einheitlichen Vorgang zu handeln. Ein Kontrollexemplar T 5 könne in Fällen der vorliegenden Art nicht vorhanden sein, weil es nach Ausfuhr der Ware aus der Gemeinschaft durch ein "Kontrollexemplar T 1" abgelöst worden sei. Auch die EG-Kommission sehe das vorübergehende Rückverbringen einer Ware mit T 1 in die Gemeinschaft nicht als erstattungsschädlich an. Der Gesamtvorgang einschließlich der seinerzeit endgültigen Ausfuhr nach Österreich und der zollamtlichen Behandlung in Spanien müsse als "andere Ausfuhr" bzw. als "Sonderfall" bewertet werden. Im Rahmen von Art. 43 VO komme es nur auf die Einhaltung der Frist von 12 Monaten (Art. 17 Abs. 1 VO) an. Die Ausstellung der Bescheinigung nach Muster IV VO sei zu Recht erfolgt; jedenfalls müsse Vertrauensschutz gewährt werden.

Die Klägerin beantragt, die angefochtenen Bescheide, wie in erster Instanz begehrt, teilweise aufzuheben und das HZA zu verpflichten, Ausfuhrerstattung in Höhe des übersteigenden Betrages zu gewähren sowie die bestehenden Sicherheiten freizugeben; hilfsweise regt sie eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) an.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es trägt vor, die Klägerin verkenne, daß das Kontrollexemplar T 5 kein Transport-, sondern ein Nachweis- bzw. Kontrolldokument sei. Im Streitfall habe es sich um eine indirekte Lieferung in der Gemeinschaft gehandelt; für diesen Vorgang sei Art. 43 mit Anhang IV VO nicht einschlägig. Die Ausstellung einer dem Muster nach Anhang IV entsprechenden Bescheinigung verstoße gegen die Gemeinschaftsregelung und sei nicht vertrauensstiftend. Die von der Klägerin angeführten Fälle vorübergehenden Zurückverbringens seien besonderer Art.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, weil nicht begründet, zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Klägerin hat für die hier in Betracht kommende Ware einen Anspruch auf Ausfuhrerstattung, der mit dem vorfinanzierten Betrag verrechnet werden könnte, nicht nachgewiesen, mit der Folge, daß dieser Betrag einschließlich des vorgesehenen Zuschlags von 20 % durch Verfall der gestellten Sicherheit zurückzugewähren ist (Art. 33 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 VO). Entgegen der Ansicht der Revision hat die Klägerin durch die Ausfuhr der Ware und ihre Lieferung an ein Seeschiff nach vorangegangener Vorratslagerung in Spanien einen erstattungsbegründenden Tatbestand nicht verwirklicht.

1. Eine erstattungsbegründende Ausfuhr nach Drittländern liegt nicht vor. Da, wie in den angefochtenen Bescheiden und in der Vorentscheidung näher ausgeführt, eine (nach Bestimmungsländern) differenzierte Erstattung vorgesehen war, genügte das schlichte, gemäß Art. 32 Abs. 1, 1. Gedankenstrich VO gebotene Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft nicht; erforderlich war vielmehr auch die Einfuhr im wirtschaftlichen Sinne (Abfertigung zum freien Verkehr; Art. 17 Abs. 1 und 3 VO; Senat, Urteil vom 23. Februar 1988 VII R 31/86, 29/87, BFHE 152, 382, 386 f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 9. August 1994 C-347/93, EuGHE 1994, I-3944, 3951). Diese ist im damaligen Drittland Österreich jedoch nicht erfolgt (bloße Transitlagerung), schon gar nicht in Ägypten, das im Rahmen der Vorfinanzierung (Art. 5 der VO (EWG) Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABlEG L 62/5; Art. 25 Abs. 4 und 5 VO) als Bestimmungsland angegeben worden war. Die Revision macht selbst nicht geltend, daß eine Drittlandseinfuhr in der vorbezeichneten Weise stattgefunden habe.

2. Auch ein anderer Anspruchstatbestand nach der VO ist nicht gegeben. Daß das Verbringen der Ware auf ein innergemeinschaftliches -- spanisches -- Vorratslager als solches keine endgültige Ausfuhr für Erstattungszwecke darstellt, versteht sich von selbst und wird durch die Erwägungsgründe der Gemeinschaftsregelung (Nr. 26 Satz 3) bestätigt. Hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Sondererstattung scheidet ein Anspruch von vornherein aus, da hierfür eine "Ausfuhr" im Sinne des Ausfuhrerstattungsrechts vorausgesetzt wird (Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1964/82 der Kommission vom 20. Juli 1982, ABlEG L 212/48; vgl. auch deren 7. Erwägungsgrund zum Ausschluß der Regelung über Vorratslager). Auch im Zusammenhang mit der an die Lagerung in Spanien anschließenden Schiffsbelieferung ergibt sich kein Erstattungsanspruch der Klägerin. Einschlägig ist insoweit, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht Art. 43 VO, der nach seinem klaren Wortlaut nur die Lieferung zur Bevorratung außerhalb der Gemeinschaft betrifft, sondern Art. 38 VO über die Bevorratungslieferung in der Gemeinschaft. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift (zu ihnen, bezogen auf die entsprechende Vorgängerregelung, Senat, Urteil vom 18. Juli 1989 VII R 22/87, BFH/NV 1990, 336, 338 f.) liegen indessen nicht vor. Nach ihrer Maßgabe kommt eine ausschließlich vorschußweise Gewährung der Ausfuhrerstattung in Betracht. Die Klägerin hat jedoch die -- andersartige -- Regelung über die Vorfinanzierung in Anspruch genommen, die im Falle der Erstattungslagerung vorgesehen ist. Eine an die Erstattungslagerung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) unmittelbar anschließende erstattungsbegründende Belieferung eines Seeschiffs (Art. 34 Abs. 1 Buchst. a, 1. Gedankenstrich, Art. 32 Abs. 1 VO) -- der Ausfuhr gleichgestellter Vorgang (Senat, Urteil vom 13. Juli 1995 VII R 3/95, BFH/NV 1996, 278, für Lieferungen an Streitkräfte) -- ist nicht erfolgt. Da die Erstattungslagerung in der Bundesrepublik -- nicht in Spanien -- stattgefunden hatte und die Ware nicht unmittelbar anschließend durch einen anderen Mitgliedstaat nur durchgeführt war, scheidet auch die Anwendung der für Vorfinanzierungsfälle mit Durchfuhr oder Erstattungslagerung in einem anderen Mitgliedstaat geltenden Regelung (Art. 28 Abs. 6 VO) aus. Gleiches gilt für Art. 37 Abs. 3 VO, der den Normalfall der gebrochenen Ausfuhr -- ohne Vorfinanzierung -- betrifft. Im übrigen fehlt es insoweit an dem zwingend vorgeschriebenen Nachweis durch das Kontrollexemplar T 5, bezogen auf die angesprochenen Vorgänge (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund der VO). Das Versandpapier T 1 ist kein Nachweispapier (Kontrollexemplar). Die Frage, ob die vorgesehenen Fristen beachtet worden sind, stellt sich nicht.

3. Fehlt es, wie ausgeführt, an einem anspruchsbegründenden Tatbestand, so vermag das Vorliegen -- nur -- einzelner Elemente verschiedener Tatbestände (insbesondere Erstattungslagerung in der Bundesrepublik, Vorratslagerung und Schiffsbelieferung in Spanien) diesen Mangel nicht auszugleichen. Die Verordnung trennt die Tatbestände jeweils eindeutig und klar, wobei Sonderfälle wie die einer anschließenden Durchfuhr oder Lagerung in einem anderen Mitgliedstaat durchaus Berücksichtigung finden. Eine ggf. zu schließende Lücke liegt nicht vor. Der 43. Erwägungsgrund der VO gibt für eine andere Bewertung nichts her; er begründet nur -- selber ohne Normcharakter --, daß für Bevorratungslieferungen innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft gleich hohe Erstattungen gewährt werden, und sagt über die Voraussetzungen ihrer Gewährung nichts aus.

Angesichts der Eindeutigkeit der maßgebenden Regelung kann die Klägerin sich auch nicht darauf berufen, daß die Zollstelle in Spanien, wie sich aus der Ausstellung der Bescheinigung nach Anhang IV VO ergibt, von einem Fall des Art. 43 VO ausgegangen ist (vgl. Abs. 3 a. a. O.) und eine Bestätigung abgegeben hat, die der Zollbehörde eines Drittlandes obliegt. Daß diese Vorgehensweise bereits nicht vertrauensbegründend sein konnte, hat das FG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 26. April 1988 Rs. 316/86, EuGHE 1988, 2213, 2239 f.; vom 15. Dezember 1982 Rs. 5/82, EuGHE 1982, 4601, 4615) rechtsfehlerfrei ausgeführt. Schließlich kann die Klägerin auch mit dem -- vom HZA bestrittenen -- Vorbringen, in angeblich vergleichbaren Fällen werde eine Erstattung nicht ausgeschlossen, nicht durchdringen. Abgesehen davon, daß dieser Vortrag neu und deswegen in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigungsfähig ist, läßt sich auf eine etwa rechtswidrige Vorgehensweise in Vergleichsfällen ein Anspruch auf Gleichbehandlung nicht gründen (vgl. nur Senat, Urteil vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, 296).

Auslegungsfälle werfen die hier anzuwendenden -- klaren -- Gemeinschaftsvorschriften nicht auf. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ist mithin nicht veranlaßt (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 585

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