Leitsatz (amtlich)

Werden auf einem unbebauten Grundstück, das ein "Strohmann" für den "Hintermann" erworben hat, für Rechnung des "Hintermanns" steuerbegünstigte Wohnungen errichtet, ist die Übertragung des bebauten Grundstücks auf ihn der erste Erwerb des bebauten Grundstücks. Ein Nacherwerber kann keine Steuerbefreiung als Ersterwerber in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

GrEStG Bayern § 1 Abs. 5; GrESWG Bayern 1969 Art. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und seine Ehefrau hatten im Jahre 1966 je zur ideellen Hälfte ein unbebautes Grundstück gekauft. Auf diesem war ein Familienheim errichtet und 1968 bezogen worden. Am 26. August 1970 hatte die Ehefrau ihren Miteigentumsanteil auf den Kläger übertragen.

Am 21. Januar 1971 hat der Kläger das Grundstück an X verkauft. Für den Fall, daß für diesen Erwerb Grunderwerbsteuer nur deshalb anfallen sollte, weil der Kläger zuvor den Miteigentumsanteil von seiner Ehefrau erworben habe, sollte der Kläger die Grunderwerbsteuer tragen.

Mit Bescheid vom 28. Mai 1971 hat das beklagte FA (u. a. ) gegen den Kläger für den Erwerb des Grundstücks durch X Grunderwerbsteuer festgesetzt, wobei es Steuerfreiheit wegen Ersterwerbs des bebauten Grundstücks nur zur Hälfte gewährte.

Die Klage hat nur zu einem geringen Teil Erfolg gehabt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Ein steuerfreier Ersterwerb des bebauten Grundstücks liegt insoweit nicht vor, als der Kläger zuvor von seiner Ehefrau einen Hälfteanteil an dem Grundstück übertragen erhalten hat. Insoweit ist der Erwerb des bebauten Grundstücks durch X bereits der zweite Erwerb des mit einem Familienheim bebauten Grundstücks und deshalb nicht nach Art. 1 Nr. 4 des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau i. d. F. der Bekanntmachung vom 16. Juli 1969 (GVBl 1969, 176) - GrESWG - begünstigt. Erster Erwerb war insoweit die Übertragung der ideellen Grundstückshälfte von der Ehefrau auf den Kläger.

Dabei ist unerheblich, welcher Verpflichtungsgrund dieser Grundstücksübertragung von der Ehefrau auf den Kläger zugrunde lag, ob dieses Geschäft ein entgeltliches oder ein unentgeltliches war. Die Übertragung der Grundstückshälfte von der Ehefrau auf den Kläger unterlag in jedem Fall gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer und war deshalb ein erster Erwerb im Sinne des Art. 1 Nr. 4 GrESWG.

Etwas anderes hat der Senat nur beim Grundstückserwerb durch Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall angenommen (vgl. das Urteil vom 26. Juli 1961 II 196/60 U, BFHE 73, 576, BStBl III 1961, 475). Er hat demgegenüber aber in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß dieser Standpunkt nicht auf den Erwerb unter Lebenden übertragen werden kann (vgl. zur sog. vorweggenommenen Erbfolge die Urteile vom 1. April 1969 II 131/65, BFHE 96, 69, BStBl II 1969, 561, vom 8. Dezember 1970 II R 26/67, BFHE 101, 312, BStBl II 1971, 255, und vom 13. September 1972 II R 49/72, BFHE 107, 313, BStBl II 1973, 86, zur Erbauseinandersetzung die Urteile vom 26. Februar 1975, II R 33/70, BFHE 115, 286, BStBl II 1975, 457, und vom 14. Januar 1976 II R 52/71, BFHE 118, 237, BStBl II 1976, 346, und zur Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Urteil vom 15. Oktober 1975 II R 87/67, BFHE 117, 187, BStBl II 1976, 71).

Die Übertragung der Grundstückshälfte von der Ehefrau auf den Kläger würde auch dann ein Ersterwerb im Sinne des Art. 1 Nr. 4 GrESWG sein, wenn der Senat dem Vortrag des Klägers folgte, daß er von Anfang an "wirtschaftlicher Eigentümer" des seiner Ehefrau gehörenden Grundstücksanteils gewesen sei. Auch wenn ein sogenannter "Strohmann" aufgrund der mit dem "Hintermann" getroffenen Abmachungen zur Übereignung der von dritter Seite erworbenen Grundstückshälfte verpflichtet ist, unterliegt die Übertragung des Grundstükkes auf den "Hintermann" der Grunderwerbsteuer. Es ist ohne Bedeutung, ob der "Hintermann" schon vorher gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG die Verwertungsmöglichkeit an dem Grundstück erlangt hatte (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG). Abgesehen von der Steueranrechnung gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 GrEStG stehen beide Erwerbsvorgänge selbständig nebeneinander (vgl. die Urteile vom 18. Mai 1966 II 56/63, BFHE 86, 174, BStBl III 1966, 381, und II 114/64, BFHE 86, 262, BStBl III 1966, 399). Auch wenn der Ehefrau an der zunächst von ihr erworbenen Grundstückshälfte die Verwertungsmöglichkeit nicht zugestanden haben sollte, ist deshalb die Übertragung dieser Grundstückshälfte auf den Kläger der Ersterwerb, der die Steuervergünstigung des Art. 1 Nr. 4 GrESWG verbraucht hat.

Diese Auslegung widerspricht nicht dem Zweck der Vorschrift. In erster Linie soll der Grundstückserwerb durch Personen gefördert werden, die ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung von einem Bauträger erwerben. Darauf deutet die Vorschrift hin, daß innerhalb von fünf Jahren nach der Bezugsfertigkeit die Eigentumsumschreibung im Grundbuch beantragt sein muß (Art. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 GrESWG). Die Vorschrift reicht zwar weiter. Sie erfaßt auch den ersten Erwerb von einem Grundstückseigentümer, der für eigene Wohnzwekke ein Eigenheim errichtet hatte und dieses innerhalb der Fünfjahresfrist weiterveräußert. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, die Steuervergünstigung weiter auszudehnen, als der Wortsinn dies erfordert, zumal diejenigen, die ein Eigenheim von einem Bauträger erwerben, dieses Eigenheim in keinem Falle steuerbegünstigt veräußern können.

Nach alledem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

BStBl II 1977, 359

BFHE 1977, 212

NJW 1977, 1312

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