Leitsatz (amtlich)

In der Weiterübertragung des unbebauten Grundstücks durch die Mutter auf den Sohn liegt die Aufgabe des durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 des II. Baden-Württembergischen GrEStWG begünstigten Zwecks. Der Umstand, daß die Weiterübertragung nach einer anderen Vorschrift steuerbefreit ist, hindert die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer für den vorangegangenen Erwerbsvorgang nicht.

 

Normenkette

II. Baden-Württembergisches GrEStWG 1962 (Gesetzblatt S. 74) § 1 Abs. 1 Nr. 1; II. Baden-Württembergisches GrEStWG 1962 (Gesetzblatt S. 74) § 1 Abs. 3; II. Baden-Württembergisches GrEStWG 1962 (Gesetzblatt S. 74) § 6 Abs. 1; II. Baden-Württembergisches GrEStWG 1962 (Gesetzblatt S. 74) § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom Februar 1966 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück. Sie erklärte, sie werde auf dem Grundstück fristgemäß eine grundsteuerbegünstigte Eigentumswohnung errichten. Antragsgemäß nahm das FA (Beklagter) den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Baden-Württembergischen Zweiten Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 20. Juli 1962 - GrEStWG - (Gesetzblatt S. 74) von der Besteuerung nach dem GrEStG aus.

Da die Klägerin das Grundstück im März 1967 in unbebautem Zustand an ihren Sohn weiterveräußerte, erhob das FA Grunderwerbsteuer nach.

Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, ihr Sohn habe auf dem Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist ein steuerbegünstigtes Familienheim errichtet und bezogen. Außerdem seien Grundstückschenkungen zwischen in gerader Linie Verwandten steuerbefreit.

Einspruch und Klage waren insoweit erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWG nur dann erhalten bleibt, wenn der Erwerber - in diesem Fall die Klägerin als Käuferin (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) - selbst auf dem unbebauten Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist das steuerbegünstigte Gebäude errichtet (§ 1 Abs. 3 GrEStWG), und daß deshalb nach der eindeutigen und zwingenden Vorschrift des § 6 Abs. 1, 2 GrEStWG die Steuer nacherhoben werden muß, wenn der Erwerber selbst diesen Zweck nicht fristgerecht erfüllt oder bereits vorher - wie hier durch Weiterübertragung des unbebauten Grundstücks auf den Sohn - aufgibt. Zwar sind Grunderwerbsteuerbefreiungsvorschriften - besonders auf dem Gebiete sozialen Wohnungsbaues - nicht eng, sondern, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung auch im Falle des Urteils II R 26/67 vom 8. Dezember 1970 (BFH 101, 312, 315, BStBl II 1971, 255) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, unter Würdigung des mit der Ausnahmevorschrift verfolgten Zwecks, allerdings unter Beachtung des im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommenen Willens des Gesetzgebers anzuwenden. Die Finanzverwaltungsbehörden und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit sind deshalb nicht befugt (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Befreiungstatbestand von sich aus zu schaffen oder einen gesetzlich genau umrissenen Befreiungstatbestand aufgrund eigener Wertvostellungen auszuweiten (Urteil des BFH II R 45/66 vom 16. Juni 1971, BFH 103, 361, 364, BStBl II 1972, 65). Wille und Wortlaut des Gesetzes gehen aber eindeutig und zwingend dahin, daß die Befreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWG nur einmal, und zwar dem Erwerber zuteil wird, der das Grundstück selbst bebaut (vgl. BFH-Urteil II 131/65 vom 1. April 1969, BFH 96, 69, 72, BStBl II 1969, 561). Dies ist auch der Zweck dieser Vorschrift, die der steuerbefreiten Schaffung steuerbegünstigten Wohnraums durch den Erwerber selbst dient. Andernfalls wäre nicht nur letzterer, sondern auch der Vorerwerber (die Klägerin) steuerbegünstigt, obwohl dieser das unbebaut erworbene Grundstück im selben Zustand weiterveräußert hat.

Die Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWG ist somit durch die Weiterübertragung des Grundstücks durch die Mutter auf den Sohn auf letzteren übergegangen, ebenso wie im Falle des Urteils II R 26/67 (BFH 101, 313, BStBl II 1971, 255), der - entgegen der Meinung der Klägerin - dem vorliegenden Fall auch insofern vergleichbar ist, als auch dort der Vater noch nicht mit der Bebauung des Grundstücks begonnen hatte. Daß die Grundstücksübertragung von der Klägerin auf ihren Sohn außer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStWG gleichzeitig noch nach einer anderen Vorschrift, etwa nach § 3 Nr. 6 GrEStG selbst (Übertragung zwischen in gerader Linie Verwandten) und nach § 3 Nr. 2 GrEStG (Schenkung) - sei es in "vorweggenommener Erbfolge", sei es aus anderen Erwägungen - steuerbefreit ist, kann, wie bereits im Urteil II R 26/67 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Senats erneut dargelegt (BFH 101, 313, BStBl II 1971, 255), nicht zur Vorverlagerung einer Steuerbefreiung des davon getrennt zu beurteilenden Erwerbs des Grundstücks durch die Klägerin selbst von dem Dritten führen.

Die Grunderwerbsteuer knüpft als Steuer vom Rechtsverkehr hinsichtlich der Erwerbsvorgänge - hier des Kaufs und der nachfolgenden Schenkung - grundsätzlich an die von den Beteiligten gewählte bürgerlichrechtliche Gestaltung an. Deshalb ist es auf die vorstehend dargelegte Rechtslage ohne Einfluß, daß die Klägerin - wie sie vorträgt - im Ergebnis bei gemeinsamer Planung eigentlich das Grundstück "weder besitzen noch irgendeine Verfügung darüber vornehmen", sondern für ihren Sohn erwerben wollte, der auch das Grundstück ausgewählt und für seinen Hausbau alle Verhandlungen geführt hat und dann den Bau hat ausführen lassen. Ebenso muß - angesichts der tatsächlich gewählten bürgerlich-rechtlichen Gestaltung - unbeachtlich bleiben, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn statt der Klägerin der Sohn unmittelbar das Grundstück von dem Dritten erworben hätte. Bei der hier zu treffenden Entscheidung handelt es sich nicht, wie die Klägerin meint, um eine formaljuristische Paragraphenauslegung, sondern um die aus einer eindeutigen, von den Beteiligten selbst gewählten bürgerlich-rechtlichen Vertragsgestaltung zu ziehenden steuerrechtlichen Folgerungen, die sich unausweichbar aus den zwingenden, die Gerichte bindenden gesetzlichen Vorschriften ergeben. Daß der Kaufvertrag vom Februar 1966 wegen Irrtums oder aus sonstigen Gründen angefochten oder nichtig oder wenigstens rückgängig gemacht und deshalb auch steuerrechtlich unbeachtlich sei (vgl. § 5 StAnpG, § 17 GrEStG), hat die Klägerin selbst nicht behauptet und trifft schon deshalb nicht zu, weil sie gerade aufgrund rechtswirksamen Erwerbs das hierdurch ihr gehörige Grundstück ihrem Sohn rechtswirksam übertragen hat.

Aus diesen rechtlichen Erwägungen ergibt sich zugleich, daß der auch mit der Revision geltend gemachte Irrtum der Eltern, es sei die Eintragung des Grundstücks auf die Klägerin erforderlich gewesen, dies stehe aber der Steuerbefreiung der Weiterübertragung nicht im Wege, nichts daran ändert, daß der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Grunderwerbsteuerpflicht knüpft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70247

BStBl II 1973, 86

BFHE 1973, 313

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