Leitsatz (amtlich)

1. Eine beantragte Ausfuhrhändlervergütung kann nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 76 UStDB 1951 dann nicht versagt werden, wenn zuvor Ausfuhrvergütung beantragt worden ist oder ein anderer als der Antragsteller dafür antragsberechtigt ist.

2. Eine unzulässige Doppelvergütung liegt nicht vor, wenn für in den Freihafen ausgeführte Teile einer Motoranlage Ausfuhrvergütung gewährt worden ist und später anläßlich der Ausfuhr des Schiffes für die Motoranlage Ausfuhrhändlervergütung gewährt wird.

 

Normenkette

UStG 1951 § 16 (§ 22); UStDB 1951 § 76 Abs. 1-2, § 80

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin), eine im Inland gelegene Werft, bezog für zwei Schiffsneubauten von der Maschinenfabrik X die Motoranlagen, bestehend aus Motoren und Zubehörteilen. Die Antragstellerin baute die Motoranlage in die Schiffe ein, übergab die Neubauten im Ausland an den Abnehmer, beantragte und erhielt für die Motorenanlagen im Vergütungszeitraum IV/1959 Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von 4 v. H. des Einkaufspreises.

Anläßlich einer Umsatzsteuer-Vergütungsprüfung wurde folgendes festgestellt: Die X hatte die Motoren in ihrem Freihafenbetrieb gefertigt. Für die Rohstoffe und Fertigteile, die teils aus dem Werk A, teils von inländischen Lieferanten bezogen worden waren, hatten die X bzw. die anderen Lieferanten Ausfuhrvergütung und in geringem Umfang Ausfuhrhändlervergütung erhalten. Die Lieferung der Motoren durch den Freihafenbetrieb und die Lieferung der Zubehörteile durch das Werk A hatte die X mit 4 v. H. versteuert. Auf Grund dieser Feststellungen vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) die Ansicht, daß der Antragstellerin keine Ausfuhrhändlervergütung für die Motoren zustehe, weil bereits die X bzw. deren Vorlieferer für die bei der Herstellung der Motoren verwendeten Rohstoffe und Fertigteile Umsatzsteuervergütung erhalten hätten. Da ein Ausnahmefall des § 76 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 nicht vorliege, forderte das FA mit Bescheid die insoweit gezahlte Vergütung.

Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage wurde der Rückforderungsbescheid geringfügig abgeändert – bezüglich der Zubehörteile wurde der Antragstellerin die Ausfuhrhändlervergütung belassen –, die Klage aber im übrigen abgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Antragstellerin, den Rückforderungsbescheid hinsichtlich eines noch streitigen Betrages von … DM aufzuheben, hilfsweise das Verfahren auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der zu § 76 Abs. 1 UStDB 1951 anhängigen Verfassungsbeschwerde entschieden habe. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, daß die vom Freihafenbetrieb der X gelieferten und in die Seeschiffe eingebauten Motoren im Inland nochmals mit der vollen Umsatzsteuer belastet worden seien, eine Doppelvergütung im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) V 71/64 vom 20. Oktober 1966 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 87 S. 57 – BFH 87, 57 –, BStBl III 1967, 39) daher nicht vorliege.

§ 76 Abs. 2 letzter Satz UStDB 1951, der die Rückforderung einer gewährten Vergütung lediglich dann ausschließe, wenn der Gegenstand bei der Wiedereinfuhr mit Umsatzausgleichsteuer belastet worden sei, enthalte eine Lücke. Da Umsatzsteuer und Umsatzausgleichsteuer in ihrem Charakter sich nicht unterschieden, könne die Lücke sinnvoll dadurch ausgefüllt werden, daß für die systematisch gleiche Belastung mit Umsatzsteuer die gleiche Entlastungsmöglichkeit gegeben werde. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin außerdem darauf hingewiesen, daß bei Entrichtung einer Umsatzsteuer auf Grund des Art. 5 des Dritten Zolländerungsgesetzes die Verwaltung die Vergütung nicht ausschließe, obwohl auch in einem solchen Falle dem Wortlaut des § 76 Abs. 1 und des § 76 Abs. 2 letzter Satz UStDB nicht genügt sei.

Die Finanzverwaltung habe in ähnlich gelagerten Fällen die Vergütung belassen, wie sich aus der Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg S 4165 g – 15/67 – St 51 a vom 3. März 1967 (Umsatzsteuer-Rundschau 1967 S. 146) ergebe. Diese Auffassung entspreche auch dem Einführungserlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) IV A/2 – S 4015 – 10/57 vom 29. April 1957 Teil B Nr. 42 Abs. 1 (BStBl I 1957, 235, Umsatzsteuer-Kartei S 4165, Karte 68), wonach in bestimmten Fällen eine erneute Steuerbelastung bei einer zweiten Ausfuhr nochmals durch Vergütung zu entlasten sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin ferner vorgetragen, daß § 22 Abs. 1 UStG in der Fassung des Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (15. UStÄndG) vom 19. März 1964 (BGBl I 1964, 147, BStBl I 1964, 253) gegenüber § 76 Abs. 1 UStDB 1951 in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl I 1957, 6, BStBl I 1957, 131) keine materielle Änderung enthalte. Sinn und Zweck des § 76 UStDB sei es, Doppelvergütungen zu vermeiden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach § 76 Abs. 1 UStDB sind „die in §§ 70 Abs. 1 und 77 Abs. 1 genannten Vorgänge nicht vergütungsfähig, wenn für die Ausfuhr desselben Gegenstandes … ein anderer als der Antragsteller antragsberechtigt ist oder, wenn ein Vergütungsantrag bereits gestellt worden ist”.

Dem Wortlaut nach nimmt die Vorschrift sowohl auf Ausfuhrhändlervergütung (§ 70 Abs. 1 UStDB 1951) als auch auf Ausfuhrvergütungsvorgänge (§ 77 Abs. 1 UStDB 1951) Bezug. Demnach könnte dem Wortlaut nach die Vorschrift so zu verstehen sein, daß in Fällen, in denen bereits ein Antrag auf Ausfuhrhändler- oder auf Ausfuhrvergütung gestellt worden ist bzw. ein anderer für solche Vorgänge vergütungsberechtigt ist, die beantragte Vergütung zu versagen ist; mit anderen Worten, es spielt für die Versagung der beantragten Vergütung keine Rolle, welche Art der Vergütung bereits gewährt bzw. beantragt ist. Es müßte demnach eine beantragte Ausfuhrhändlervergütung immer auch dann schon versagt werden, wenn ein Antrag auf Ausfuhrvergütung bereits gestellt ist oder ein anderer in dieser Weise vergütungsberechtigt ist.

Zieht man jedoch bei Auslegung des § 76 Abs. 1 UStDB auch die Überschrift, die Bestandteil des gesetzlichen Wortlauts ist, hinzu, so erscheint der dargestellte Wortsinn zweifelhaft. Nach der Überschrift behandelt § 76 UStDB die „Nichtgewährung … der Ausfuhrhändlervergütung”. Daß § 76 UStDB unmittelbar nur die Ausfuhrhändlervergütung im Auge hat, wird bestätigt durch § 80 UStDB, der für die Ausfuhrvergütung die sinngemäße Anwendung des § 76 UStDB vorschreibt. Sinnzusammenhang und Systematik sprechen deshalb für die Annahme, daß § 76 UStDB nur die Ausfuhrhändlervergütung behandelt. Mit anderen Worten, nur wenn bereits eine Ausfuhrhändlervergütung beantragt oder ein anderer dafür antragsberechtigt ist, soll eine erneute Ausfuhrhändlervergütung – von den beiden Ausnahmefällen im letzten Halbsatz abgesehen – versagt werden.

Die zusätzliche Anführung des § 77 Abs. 1 UStDB („… und § 77 Abs. 1 …”) stellt unter diesen Umständen nur einen redaktionellen Hinweis mit Rücksicht darauf dar, daß § 76 UStDB gemäß § 80 UStDB auf die Ausfuhrvergütung sinngemäß anzuwenden ist.

Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht insbesondere auch deren Sinn und Zweck in Verbindung mit § 16 UStG. In § 16 UStG sind zwei Arten von Vergütungen vorgesehen. Die Ausfuhrhändlervergütung (§ 16 Abs. 1 UStG) bezweckt die Entlastung der auf der Lieferung an den Ausfuhrhändler ruhenden Umsatzsteuer, die Ausfuhrvergütung bezweckt die Entlastung der auf der hergestellten Ware ruhenden Umsatzsteuer. Jeder Vergütung ist demnach eine besonders bezeichnete Belastung zugeordnet. Wirtschaftlich hat die Ausfuhrhändlervergütung eine andere Entlastung zum Gegenstand als die Ausfuhrvergütung. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht der Sinn und Zweck des § 76 UStDB darin, doppelte Vergütungen zu vermeiden, die ausgeführte Ware soll nur einmal von der Vorbelastung entlastet werden (BFH-Urteile V 151/61 U vom 10. Mai 1962, BFH 75, 73, 76, BStBl III 1962, 295; V 238/63 vom 21. April 1966, BFH 85, 355, BStBl III 1966, 336; V 71/64 vom 20. Oktober 1966, BFH 87, 57, BStBl III 1967, 39).

Eine doppelte Entlastung kann aber nur dann eintreten, wenn eine der in § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 UStG beschriebenen Belastungen durch eine Wiederholung der in Abs. 1 oder 2 angeführten Vergütungen doppelt entlastet wird. Eine doppelte Entlastung liegt demnach nicht vor, wenn bereits Ausfuhrvergütung gewährt worden ist und nunmehr auch noch Ausfuhrhändlervergütung beantragt wird.

Diese Auffassung findet schließlich eine Betätigung durch § 22 UStG in der Fassung des 15. UStÄndG. Die Vorschrift enthält die mißverständliche Anführung der Ausfuhrvergütungsvorgänge nicht mehr. Sie bezieht sich eindeutig nur mehr auf Ausfuhrhändlervergütungsvorgänge. Nach dem BdF-Erlaß IV A/2 – S 4030 – 14/64 vom 20. Juni 1964 betreffend das 15. UStÄndG (BStBl I 1964, 419 Abschn. A) hat eine materiell-rechtliche Änderung des § 22 UStG gegenüber § 76 UStDB nicht stattgefunden.

2. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat die Vorlieferantin der Antragstellerin, die X, für die bei der Herstellung der Motorenanlage verwendeten Rohstoffe bzw. Fertigteile Ausfuhrvergütung erhalten. Nach den soweit unwidersprochenen Darstellungen der Klägerin im Klageverfahren wird der Umfang der von der X erhaltenen Ausfuhrhändlervergütung nur sehr geringfügig gewesen sein, weil die X die für die Herstellung der Motoren im Freihafen erforderlichen Motorenteile im eigenen inländischen Werk hergestellt hat. Unter diesen Umständen kann die Ausfuhrhändlervergütung für die rechtliche Beurteilung im Streitfalle außer Betracht bleiben.

Die anläßlich der Ausfuhr der Halberzeugnisse in den Freihafen gewährte Ausfuhrvergütung läßt deshalb die der Antragstellerin gewährte Ausfuhrhändlervergütung nach dem dargelegten Wortlaut und Sinn des § 76 UStDB nicht als unzulässige Doppelvergütung erscheinen.

3. Es kommt unter diesen Umständen nicht mehr darauf an, ob anläßlich der Einfuhr der Motorenanlage aus dem Freihafen entrichtete Umsatzsteuer der Umsatzausgleichsteuer im Sinn der Ausnahme des § 76 Abs. 1, zweiter Halbsatz bzw. § 76 Abs. 2, letzter Satz UStDB gleichzustellen ist.

4. Die vorliegende Entscheidung steht nicht in Widerspruch zu dem von der Vorinstanz angeführten Urteil des Senats V 138/60 vom 20. Dezember 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 190). Dieses Urteil hatte die doppelte Gewährung von Ausfuhrhändlervergütung zum Gegenstand. Auch aus dem Urteil des Senats V 71/64 vom 20. Oktober 1966, a. a. O., läßt sich aus dem veröffentlichten Sachverhalt nichts Gegenteiliges entnehmen. In diesem Fall handelte es sich um die Gewährung von Ausfuhr- und Ausfuhrhändlervergütung für ein Schiff, nachdem bereits für die Motoranlage Ausfuhrvergütung gewährt worden war.

Da das FG und das FA § 76 UStDB rechtlich unzutreffend gewürdigt und angewendet haben, waren die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und der Rückforderungsbescheid in dem angefochtenen Umfang aufzuheben und der Rückforderungsbetrag, wie geschehen, festzusetzen.

 

Fundstellen

BFHE 1970, 102

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